Es war schlicht nicht zu fassen. Mit einer von vorn bis hinten grottigen Vorstellung haben die Handballerinnen des HC Leipzig den so sicher geglaubten Einzug ins Playoff-Finale um die Deutsche Meisterschaft regelrecht weggeworfen. In Buxtehude war der 8-Tore-Vorsprung aus dem Hinspiel bereits nach 24 Minuten aufgebraucht.

Was gab es vor dem Halbfinal-Rückspiel auf Seiten des HC Leipzig nicht alles für Beteuerungen, die Partie nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Beispiele wurden aufgelistet, bei denen in der Vergangenheit zum Teil nicht mal ein 11-Tore-Vorsprung zum Weiterkommen gereicht hatte. Trotzdem vermochte es der Leipziger Rekordmeister nicht, das im Hinspiel am Mittwoch so souverän errungene 31:23 in der ausverkauften Halle-Nord über die Runden zu bringen.

Eine Minute lang war alles gut. Karolina Kudlacz hatte die erste Leipziger Chance direkt genutzt, brachte ihr Team mit 0:1 in Führung. Dann war nur noch Katastrophe. Buxtehude hatte gerade einmal 9 Tore erzielt, als der HCL bereit mit minus sieben hinten lag (9:2/ 14. Minute). Fast jeder Angriff der sichtbar motivierten Gastgeber landete in den Maschen – auffällig oft per einfachem Wurf aus dem Rückraum. Auf der Gegenseite ging faktisch nichts. Zwischen dem zweiten und dem dritten Leipziger Treffer lagen sagenhafte zehn Spielminuten (9:3/ 15.). Selbst das Verwandeln von Siebenmetern erwies sich als Hürde. Sowohl Maura Visser (18.) als auch Karolina Kudlacz (22.) trafen nur die Querlatte.
Erst Mette Ommundsen zeigte, dass man vom Punkt aus auch treffen kann. Mit ihrem Siebenmetertor zum 13:6 (25.) hatte sie den HCL zunächst zurück in den Wettbewerb gebracht, der beim vorhergehenden 8-Tore-Rückstand aufgrund der Auswärtstorregel bereits ausgeschieden wäre. Doch bis zur Pause hatte Buxtehude genau dieses Szenario wieder erreicht. 15:7 stand es da – Leipzig rechnerisch draußen und auf dem Feld völlig von der Rolle. Den mageren 7 erzielten Toren standen 14 versemmelte Würfe und 8 durch technische Fehler vergeigte Angriffsversuch gegenüber. Wie groß das Leipziger Dilemma war symbolisierte auch die Tatsache, dass Kapitänin Katja Schülke nach 20 Minuten ihren Platz im Tor für Julia Plöger räumte – in der Hoffnung, die Kollegin hätte einen besseren Tag erwischt.

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Mit Beginn der zweiten Hälfte war die Nationalkeeperin zwar zwischen die Pfosten zurückgekehrt, das Leipziger Handball-Grauen schien sich jedoch ungebremst fortzusetzen. Immer wieder schlug es im Tor ein, und beim 18:7 (38.) war die Gefahr des Ausscheidens bereits äußerst real. Doch als die erfahrene Mette Ommundsen – nach acht torlosen Leipziger Minuten – im Gegenzug wieder auf 18:8 verkürzte und Natalie Augsburg den ersten HCL-Konter der Partie (!) verwandelte, lag eine Art Ruck in der Luft (18:9/ 39.). Die Abwehr der Weißen wirkte nun beweglicher, schien bemüht, die leichten Rückraum-Gegentreffer einzudämmen.

Die Hoffnung währte nur kurz. Die frenetisch angetriebenen Buxtehuder nutzten nun die entstehenden Lücken am Kreis und erzielten so gleich vier Tore am Stück vom Sechs-Meter-Raum. In Minute 46 führten die Gastgeber mit unglaublichen 12 Tore Unterschied. So viele hatte Leipzig zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geworfen (22:10)! Dennoch kann man dem HCL wenigstens zu Gute halten, dass es ihnen in dieser Situation noch gelang, die Frage des Weiterkommens bis zur allerletzten Sekunde offen zu halten. Denn anderthalb Minuten vor Schluss führte Anne Hubinger ihre Truppe wieder auf acht Tore Differenz heran (27:19). Ein einziger Leipziger Treffer war nun noch nötig, um trotzdem ins Finale einzuziehen.
Nach zwei Auszeiten und einem unterbundenen Buxtehuder Angriff blieben dem HCL noch genau 14 Sekunden, um das alles entscheidende Tor zu erzielen. Sogar die Torhüterposition wurde aufgelöst, um mit voller Personalstärke auf den Treffer zu drängen. Doch die hellwachen Buxtehuder boten auch sieben Angreifern keine Lücke zum “tödlichen” Wurf. Statt einer “Rakete” kam nur ein verzweifeltes, unplatziertes Würfchen heraus, das Antje Lenz im BSV-Kasten keine Probleme bereitete. Aus und vorbei – Buxtehude hatte es geschafft, steht erneut im Finale um den Meistertitel, und versank umgehend in unbeschreiblichem Freudentaumel. Auch der HCL wäre jetzt wahrscheinlich gern versunken – allerdings im Erdboden.

Während BSV-Geschäftsführer Peter Prior anschließend von einem “der größten Spiele” sprach, “das hier je stattgefunden hat”, zeigte sich HCL-Coach Stefan Madsen “wahnsinnig enttäuscht”. “Wir waren nicht gut im Angriff und haben zu viele Fehler in der Abwehr gemacht”, sagte er sichtbar geknickt. Folglich sei der Finalplatz für Buxtehude auch völlig verdient. Die wiederum hatten die Halle längst in ein absolutes Tollhaus verwandelt und konnten ihr Glück noch gar nicht wirklich fassen. Leipzig hingegen hat sich durch das unnötige Ausscheiden im DHB-Pokal und jetzt in den Playoffs selbst um den Lohn für eine lange und harte Saison gebracht. “Mir fehlen die Worte”, war die erste Reaktion von Manager Kay-Sven Hähner. Handball kann so grausam sein.
HC Leipzig: Katja Schülke, Julia Plöger – Rannveig Haugen, Maura Visser (2), Louise Lyksborg, Natalie Augsburg (3), Anne Müller (2), Luisa Schulze, Karolina Kudlacz (1), Ania Rösler, Saskia Lang (1), Anne Hubinger (4), Mette Ommundsen (6/3). Trainer: Stefan Madsen.
Buxtehuder SV: Antje Lenz, Jana Krause – Lone Fischer, Randy Bülau (3), Friederike Lütz (1), Diane Lamein (4), Isabell Kaiser, Jana Stapelfeldt, Katja Langkeit (6), Jessica Oldenburg (2), Maxi Hayn, Josephine Techert (4), Stefanie Melbeck (7/4). Trainer: Dirk Leun.

Schiedsrichter: Christoph Immel/ Ronald Klein. Zwei-Minuten-Strafen: Buxtehude 4x (Lamein, Oldenburg, 2x Bülau), HC Leipzig 3x (Visser, Schulze, Müller). Siebenmeter: Buxtehude 5/4 (Melbeck 5/4), HC Leipzig 5/3 (Visser 1/0, Kudlacz 1/0, Ommundsen 3/3). Zuschauer: 1.500 (ausverkauft) in der Halle-Nord, Buxtehude.
Thüringer HC vs. Bayer Leverkusen 29:25 (Hinspiel 25:26)
Buxtehuder SV vs. HC Leipzig 27:19 (Hinspiel 23:31)

im Finale: Thüringer HC vs. Buxtehuder SV

Hinspiel am Samstag, 12. Mai, Rückspiel am Samstag, 19. Mai.

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