LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 82, seit 28. August im HandelSo nach und nach erwacht der Sport wieder aus dem Corona-Schlaf. Vom 4.–6. September steigen auch Deutschlands beste Slalomkanut/-innen wieder ins Wettkampfgeschehen ein. Im Kanupark Markkleeberg tragen sie sowohl ihre Deutschen Meisterschaften aus, sowie die Qualifikation zur Europameisterschaft in Prag (18.–20. September). Für die EM bereits gesetzt sind mit Andrea Herzog und Franz Anton unter anderem zwei Sportler/-innen des Leipziger-Kanu-Club (LKC).

Wie beide die lange wettkampffreie Zeit genutzt haben, was sie dabei verändert haben und mit welchen Zielen sie sich nun wieder in die Fluten stürzen, verraten sie im Interview mit der LEIPZIGER ZEITUNG (LZ).

Sie haben ja bereits seit Mitte April wieder im Kanupark Markkleeberg trainieren dürfen. Welche Highlights haben Sie sich dabei in den letzten vier Monaten sportlich gesetzt, und worauf haben Sie den Fokus gelegt?

Andrea Herzog: Ein sportliches Ziel für die lange Zeit ohne große Wettkämpfe war es, ausgeglichener zu trainieren und mehr Fokus auf die Beine zu legen. Wir sind daher öfter mit dem Rad zum Kanupark gefahren. Das hat auf jeden Fall etwas gebracht, und ich würde sagen, dass ich dahingehend fitter geworden bin. Das andere Ziel war es, meine linke Schlagseite zu verbessern. Auch das ist mir gelungen. Denn inzwischen beherrsche ich viele Techniken ganz gut, zumindest im Kanupark Markkleeberg. Und ich fühle mich inzwischen sicherer, traue mich mehr und probiere auch mehr aus. Deswegen würde ich sagen, dass mir diese lange Wettkampfpause auch mal ganz gutgetan hat.

Franz Anton: Als es mit dem Corona-Lockdown losging, haben wir erst mal eine Trainingspause eingelegt. Denn es war klar, dass die Wettkämpfe abgesagt sind, und dass wir deshalb gar nicht wissen, worauf hin wir trainieren sollen. Das tat meinem Körper sehr gut, weil ich dann erst gemerkt habe, dass ich diese Pause wirklich gebraucht habe. Als das Training dann wieder losging, habe ich mich aufgrund der Situation dazu entschieden, ein neues Boot bzw. eine neue Form zu fahren. Ich bin da eher konservativ und hatte meine Bootsform schon seit sieben oder acht Jahren unverändert gelassen.

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 82, Ausgabe August 2020. Foto: Screen LZ
Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 82, Ausgabe August 2020. Foto: Screen LZ

Mittlerweile sind aber ganz viele neue Modelle rausgekommen. Für den Laien ist das zwar optisch nicht so zu erkennen, aber für uns macht es einen Unterschied. Es sind zwar keine riesigen technischen Sprünge, die man damit hinlegt, aber es sind Feinheiten, mit denen man arbeitet. Davor hatte ich mich bisher verwehrt, aber jetzt die Chance ergriffen und gesagt: Ich nehme mir eine neue Bootsform. Die habe ich inzwischen eingearbeitet und bin sehr glücklich darüber, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Die Form nennt sich „Lady Hype“ und ist eigentlich ein Frauen-Boot. Das hängt damit zusammen, dass die Sitz-Luke etwas kleiner ist. Andere Unterschiede zu einem Männer-Boot gibt es eigentlich nicht.

Ansonsten war es wichtig, fit zu bleiben. Die in diesem Jahr noch anstehenden Wettkämpfe haben ja eigentlich keine Relevanz. Es ist zwar schön, welche zu haben und Titel gewinnen zu können, aber es gibt keine Wertung für die Olympischen Spiele, es gibt keine Ranglisten-Wertung, keine Weltcup-Punkte. Deswegen konnte man an vielen Sachen arbeiten, die man sonst nicht schafft, weil es die Zeit nicht hergibt und man durch die Wettkämpfe gar nicht langfristig aufbauen kann. Deswegen konnte ich der Situation eigentlich nur Gutes abgewinnen.

Wie leicht oder schwer fiel es Ihnen denn, nach der Olympia-Verschiebung und weiteren Wettkampfabsagen, die entsprechende Motivation bzw. Meilensteine zu finden, auf die es sich lohnt hinzuarbeiten?

Andrea Herzog: Als die Olympia-Verschiebung bekannt gegeben wurde, war das in dem Moment erst mal eine Erleichterung. Denn wir hatten schon mit vielen Einschränkungen zu kämpfen, bevor überhaupt beschlossen wurde, dass Olympia verschoben wird. Das fand ich problematisch, weil man sich ja bestmöglich auf Olympia vorbereiten wollte, es aber nicht konnte. Da ich aber immer versuche, etwas Positives an der Situation zu finden, habe ich mir gedacht, dass ich jetzt mal Zeit dafür habe, an meiner linken Schlagseite zu basteln. Das war meine Motivation.

Der nächste große Meilenstein ist Olympia im nächsten Jahr. Die Wettkämpfe, die jetzt noch stattfinden sind zwar schön und gut, aber bei der Europameisterschaft sind z. B. die Briten und die Slowaken nicht dabei, die bekannt gegeben haben, dieses Jahr keine Wettkämpfe mehr zu fahren. Deswegen ist das jetzt eher eine Leistungsüberprüfung der Dinge, die man den Sommer über gemacht hat. Aber natürlich möchte man sich dort trotzdem gut präsentieren.

Franz Anton: Ich habe überhaupt keine Probleme mit meiner Motivation gehabt. Ich hatte die Situation, dass alle Wettkämpfe abgesagt wurden, sehr gut aufgenommen und sofort gewusst, was ich machen werde, nämlich meinem Körper diese Erholung zu gönnen. Denn die letzten zwei Jahre hieß es nur Vollgas, aufgrund der Olympia-Qualifikation, die ich dann doch nicht geschafft habe. Daher habe ich das ganze Programm im Winter nochmal abgeleistet und hätte im Mai die Olympia-Qualifikation fix machen müssen. Da das nun alles nicht stattgefunden hat, war ich nicht enttäuscht, sondern habe gemerkt, dass es meinem Körper guttut, jetzt eine Pause zu machen.

Wie schätzen Sie das aktuelle Level Ihrer Leistungsfähigkeit ein, wie sehr macht sich die Corona-Pause hier eventuell bemerkbar?

Andrea Herzog: Ich denke, meine aktuelle Leistungsfähigkeit ist ziemlich gut. Da habe ich in der Corona-Pause einiges verbessert. Wir haben sehr, sehr viel trainiert. Es gab wenige Tage, an denen ich sagen konnte, mir taten die Arme nicht weh (lacht). Jetzt fahren wir den Umfang aber wieder runter, weil ja auch die Deutsche Meisterschaft ansteht. In den letzten wettkampfähnlichen Situationen, die wir trainiert haben, bin ich ziemlich gut gewesen und konnte recht konstante Leistungen abrufen – jedenfalls solange die Arme noch nicht so sehr wehgetan haben.

Deswegen denke ich, dass ich auf einem richtig guten Weg für die Wettkämpfe bin, die dieses Jahr noch stattfinden bzw. für das, was die nächsten Jahre kommen wird. Ich konnte die Zeit also ganz gut nutzen und habe mich definitiv weiterentwickelt.

Kanuslalom-Weltmeisterin Andrea Herzog hat an ihrer linken Schlagseite gearbeitet. Foto: Jan Kaefer
Kanuslalom-Weltmeisterin Andrea Herzog hat an ihrer linken Schlagseite gearbeitet. Foto: Jan Kaefer

Franz Anton: Ich bin sehr zufrieden mit meinem neuen Boot und meinem Trainingszustand. Wir konnten an sehr vielen technischen Sachen arbeiten. Erst recht in Verbindung mit dem neuen Boot fühle ich mich sehr gewappnet, auch die Europameisterschaft in Prag anzugehen. Denn vorher bin ich immer ein bisschen hecklastig gefahren, das ist nun weg, ich kann jetzt sogar schneller drehen. Das sind Vorteile, die ich definitiv nutzen werde. Olympia-Niveau ist es zwar noch nicht, einfach aus dem Grund, dass wir Olympia aktuell ja auch nicht haben. Deswegen freue ich mich schon auf den Winter, weil ich weiß, dass ich dann noch eine Schippe drauflegen kann.

Anfang September steht nun die DM bzw. EM-Quali in Markkleeberg an. Welche Bedeutung messen Sie diesem Wettkampf in Ihrem „Wohnzimmer“ bei? Mit welchen Zielen gehen Sie an den Start, da Sie ja auch schon für die EM gesetzt sind?

Andrea Herzog: Der Wettkampf hat für mich schon eine ziemlich große Bedeutung. Es ist zwar „nur“ auf nationaler Ebene, aber ich habe ja auch national einige Konkurrenz, mit der ich mich vergleichen kann. Deswegen freue ich mich darauf, und gerade weil es mein „Wohnzimmer“ ist, will ich natürlich auch zeigen, dass ich da gewinne. Das ist eigentlich immer mein Ziel, auch um zu beweisen, dass ich mich nicht unbegründet für Olympia qualifiziert haben. Und ich möchte auch zeigen, was ich den Sommer über dazugelernt habe.

Ich mache mir damit natürlich auch ein bisschen Druck, aber ich denke, das ist auch mal wieder ganz gut. Denn das Schwierige in einem Wettkampf ist es ja auch, mit einer Drucksituation umzugehen. Bei höherrangigen Wettkämpfen ist dieser Druck noch größer. Deswegen sind solche nationalen Wettkämpfe, bei denen man das Ziel hat, ganz vorne zu sein, auch eine gute Übung. Mal schauen, was dabei herauskommt. Ziel ist, zu gewinnen.

Franz Anton: Ich habe bisher noch immer keinen Deutschen Meistertitel im Einzel errungen. Ich bin Deutscher Meister im Zweier mit meiner Frau zusammen geworden, ansonsten nur mit der Mannschaft. Daher möchte ich das endlich mal im Einzel schaffen, erst recht auf meiner Heimstrecke. Es ist ja überhaupt der erste Wettkampf, der jetzt in Deutschland stattfindet.

Die Corona-Pause hat der jüngeren Generation einen enormen Bonus geboten, wodurch sie die Lücke, die Sideris (Sideris Tasiadis, Augsburg/d. Red.) und ich uns aufgebaut haben, jetzt schließen können bzw. uns mehr Druck machen können. Wir werden älter, und bei uns ist der Leistungssprung nicht mehr ganz so groß. Bei denen ist der Fortschritt noch mehr zu sehen. Somit wird der Wettkampf-Charakter jetzt etwas stärker und die ganze Sache auch etwas schwieriger. Ich freue mich daher auf harte Zwei-, Drei- oder Vierkämpfe.

Franz Anton hat auf ein neues Boot umgestellt. Foto: Jan Kaefer
Franz Anton hat auf ein neues Boot umgestellt. Foto: Jan Kaefer

Welche Wettkämpfe bzw. Höhepunkte stehen für den Rest des Jahres noch auf Ihrem Zettel?

Andrea Herzog: Neben der Deutschen Meisterschaft bzw. EM-Quali, gibt es noch die Europameisterschaft. Dann sind auch noch zwei Weltcups geplant: Einer im Oktober in Tacen bei Ljubljana (Slowenien) und einer Anfang November in Pau (Frankreich). Die liegen beide vom Zeitpunkt her nicht so gut. Denn wir gehen nach der Europameisterschaft in die Saisonpause, machen Urlaub und beginnen dann den Aufbau für die neue Saison.

Das bedeutet, dass wir zu diesen Wettkämpfen überhaupt noch nicht fit sind. Mal schauen, ob wir die überhaupt mitfahren. Es ist ja auch die Frage, wie sich das Ganze entwickelt und welche Nationen dort überhaupt am Start stehen werden. Und es ist die Frage, ob es sich lohnt, ein gesundheitliches Risiko einzugehen, wenn man sich dort eigentlich noch gar nicht vergleichen kann, weil man nicht auf dem Niveau ist, auf dem man einen guten Wettkampf fahren kann.

Franz Anton: Weitere Höhepunkte in diesem Jahr gibt es eigentlich nicht. Ich freue mich auf die Europameisterschaft in Prag, wenn sie überhaupt stattfindet. Mit der aktuellen Entwicklung sehe ich das etwas kritisch, viele Leute aus verschiedenen Nationen an einen Fleck zu holen und dann auch noch einen Wettkampf zu organisieren. Zwar haben wir beim Kanuslalom kein Problem: Wir waschen uns quasi sekündlich die Hände und sind alleine im Boot. Aber es geht ja auch um das ganze Drumherum: Zuschauer, Aufenthaltsräume, Organisatoren …

Das alles birgt natürlich auch große Gefahren. Ansonsten hoffe ich, dass sich die Dinge so entwickeln, dass wir irgendwann dazu kommen, eine langfristige Planung für die Olympischen Spiele zu machen. Also dass wir die Olympia-Qualifikation, die nächstes Jahr im Mai in Ivrea (Italien) stattfinden wird, vorbereiten können, indem wir im November/Dezember schon dorthin ins Trainingslager fahren und vor Ort trainieren können. Vielleicht dann noch im Januar/Februar nach Australien ins Trainingslager, wie wir das eigentlich mit der Nationalmannschaft immer machen, um die Olympia-Saison einzuleiten.

Und noch einmal Urlaub machen. Ich will aber auch nicht so weit reisen. Fliegen ist ja gerade so ein Knackpunkt, den viele kritisch sehen, und was in manchen Ländern gerade auch gar nicht geht. Trotzdem freue ich mich auf einen Urlaub, den man im Oktober mal einschieben kann, weil es die Saison diesmal erlaubt, da keine Wettkämpfe stattfinden.

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 82: Große Anspannung und Bewegte Bürger

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