Resonating Spaces lautet der Titel der 6. Extended-Reality-Ausstellung (XR), die im Rahmen von DOK Leipzig vom 27. bis 31. Oktober erfahrbar wird. DOK Neuland richtet dabei im Museum der bildenden Künste (MdbK) neun Arbeiten als Erfahrungsort ein. Erstmals werden darüber hinaus einzelne Arbeiten an drei zusätzlichen Orten – im Grassimuseum für Völkerkunde, im INTERIM der Cinémathèque und im Foyer der Schaubühne Lindenfels – erfahrbar gemacht.

Festivaldirektor Christoph Terhechte dazu: „Wir freuen uns, dass DOK Neuland nicht nur im MdbK zu sehen sein wird, sondern darüber hinaus in die einzelnen Stadtteile Leipzigs getragen wird. Diesen Weg wollen wir weiterverfolgen, damit ein breites Publikum die Formate erleben kann.“

Neun Arbeiten werden insgesamt ausgestellt, darunter sind sieben VR-Erfahrungen, ein 360°-Film und eine Soundinstallation. Eine der XR-Arbeiten ist eine Multiplayer-Erfahrung, die durch eine integrierte Kamera im Headset mit den eigenen Händen der Besucher/-innen gesteuert wird.

Lars Rummel, der Kurator von DOK Neuland, bezieht sich mit Resonating Spaces auf die Resonanz-Theorie des Soziologen Hartmut Rosa. Diese verfolgt die Vorstellung, dass die zunehmende Geschwindigkeit des Lebens seit dem 18. Jahrhundert und die Erweiterung der Weltreichweite durch digitales Leben zu einer entfremdeten Welterfahrung geführt haben. Das Bedürfnis nach resonanten, wechselseitig wirkenden Beziehungen aber werde nicht gestillt.

DOK Neuland nimmt diesen Gedanken auf und kommentiert ihn: XR schaffe Resonanzräume im digitalen Format. Lars Rummel dazu: „Wir kapern Rosas Theorie und formulieren eine Annahme: Auch XR-Medien mit ihren digitalen Erzählstrategien können Resonanzräume sein. Schon vor der Corona-Pandemie scheinen wir nur noch endlos zu Scrollen, uns emotional einzufühlen, aber ohne Aktivierung.

Der Zugang zu Informationen entbindet uns jedoch nicht von einer gesellschaftlichen Verantwortung, sondern sie beginnt dort. Mit der aktuellen Auswahl der Arbeiten bieten wir Erfahrungsräume an, die uns emotional aktivieren und eine andere Grundhaltung aufzeigt. Finden wir gemeinsam Alternativen zur Beschleunigung.“

Die in diesem Jahr ausgewählten Arbeiten beschäftigen sich mit dem Verhältnis von offenen und geschlossenen Systemen, mit gesellschaftlichen Zugängen und Ausschluss. Sie konfrontieren das Publikum mit Safespaces, (digitalen) Netzwerken, der Wiederverbindung zur Natur und erlauben Einblicke in Mikrokosmen.

Sie erschaffen Erlebnisräume abseits vom Durchklicken. Denn, so Lars Rummel weiter: „Zwar ist die Welt, auch digital, miteinander vernetzt, doch gestalten sich die Zugänge nicht für alle gleich. Die Ausstellung wird das nicht ändern, aber sie könnte ein Anfangspunkt für unser Publikum sein.“

Die neun Arbeiten sind in drei Themenräumen angeordnet.

Im Ersten, der sich unter dem Dualismus „Wir und Gesellschaft“ verschlagworten lässt, sind drei Arbeiten vertreten. Fünf Protagonist/-innen kommen im 360°-Film „Gimme One“ zusammen, der die internationale Subkultur der Ballroomszene thematisiert und beleuchten Vorstellungen kultureller Aneignung und die Notwendigkeit von Safespaces.

In der VR-Arbeit „To miss The Ending” geht es um den Versuch, das eigene Bewusstsein in eine Art Cloud hochzuladen. Dort warten weitere Akteur/-innen, die ihre Erinnerungen und Geschichten teilen wollen. Der Versuch misslingt digitale Zuflucht führt zum zunehmenden Verschwimmen der eigenen Erinnerungen, die verblassen und sich mit dem System überlagern.

„The Smallest of Worlds – A Social Landscape of Collected Privacy“ ist als virtuelles Archiv angelegt und verbindet Scans von Nutzer/-innen. Per Handy kann der Ort, der über die Isolation hinweggeholfen hat eingescannt und so Teil des Archivs werden. Interessierte sind über Social Media eingeladen, ihre Bilder auf der Seite https://thesmallestofworlds.com/ hochzuladen und somit Teil der Arbeit zu werden.

Im angrenzenden Themenraum werden Arbeiten mit dem Themenschwerpunkt „(Wieder-)Verbindung zur Natur“ gebündelt. Um die Beziehung zueinander, zu Welt und Natur und den stetigen Wandel inmitten der derzeitigen Pandemie – geht es in der Arbeit „Ilios“ von Marcel Karnapke und Mika Johnson. „Hypha“ entstand in der Zusammenarbeit mit einer Pilzaktivistin aus Chile.

Das Publikum nutzt einen Controller, um die Entwicklung eines Pilzes von der Spore bis zum fertigen Pilz zu durchlaufen. Dessen wichtige, ungesehene Rolle bei der Entwicklung und Prägung unseres Ökosystems deutlich wird. In „The Shape of Us“ kommt die neue VR-Brille Oculus Quest zum Einsatz. Thematisch geht es um den zerstörerischen Einfluss des Menschen auf die Natur. Als gemeinsames Ritual kommen drei Menschen parallel in der Erfahrung zusammen.

Eine dritte thematische Bündelung geschieht unter den Stichworten „Perspektive und Reise“. Es geht hierbei um einen erkenntnistheoretischen Prozess, dessen Erforschung in einer Art Reinigung mündet. Konkret wird dies unter anderem in der Arbeit „Locus Solus“, in der ein Forscher ohne jegliche moralische Leitlinie Erfindungen hervorbringt. Die Überwindung des Todes glaubt er durch die Klonung des Gehirns zu erreichen.

„Gravity VR“ spielt uns eine vermeintliche Schwerelosigkeit vor. Wo Wand und Boden fehlt, fallen sämtliche Gegenstände ins Unermessliche. Schließlich präsentiert DOK Neuland auch eine Soundinstallation, die Arbeit „Der Dröhner“, die aus einer Holzkiste besteht, in die sich jede*r einzeln begibt. Der Künstler Karl Russell ist vor Ort und steuert die improvisierten Soundcollagen, die er auf die Stimmung des Individuums anpasst — eine Art analoge VR-Arbeit, da die Story ganz im Kopf dieser Ganzkörpererfahrung entsteht.

DOK Neuland ist kein geschlossener Kinoraum, sondern ein offener Erfahrungsort. Zusammen mit der Künstlerin Paula Gehrmann entstand eine Szenografie, die Fuß- und Gedankenpfade für die Ausstellungsbegehung vorschlägt und einen Kompass zur physischen Verortung anbietet.

Die neun Arbeiten sind vom 27. bis zum 31. Oktober bei freiem Eintritt und unter angepassten Hygienemaßnehmen zu sehen. Eine Reservierung ist notwendig, Tickets hierfür sind vor Ort verfügbar. Ab heute können online über Eventbrite Early-Bird-Tickets gebucht werden. (http://dokneulandearlybird.eventbrite.com/)

Die Ausstellung im MdbK und im Grassimuseum für Völkerkunde ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, in der der Cinémathèque INTERIM und in der Schaubühne Lindenfels täglich von 15 bis 20 Uhr.

Eine Übersicht zu allen Arbeiten der Ausstellung finden Sie hier.

Seit der ersten Ausgabe wird DOK Neuland von ARTE unterstützt. Neue digitale Technologien für innovative Erzählweisen zu nutzen, ist dem europäischen Kulturkanal ein wichtiges Anliegen. Technikpartner von DOK Neuland ist der Berliner Technik-Vermieter Grover, der bereits seit 2017 digitale Künstler, Filmemacher/-innen und Designer/-innen mit dem flexiblen Zugang zu technischem Equipment unterstützt. DOK Neuland wird unterstützt durch MDR Media.

DOK Neuland ist Bestandteil des DOK-Nachwuchs-Angebotes und wird in Kooperation mit der SLM realisiert. Die Räumlichkeiten werden wie in den vergangenen Jahren vom MdbK zur Verfügung gestellt. Mit Räumen unterstützen darüber hinaus in diesem Jahr das Grassimuseum für Völkerkunde, die Cinémathèque Leipzig e.V. und die Schaubühne Lindenfels. DOK Leipzig dankt außerdem dem US-amerikanischen Konsulat in Leipzig für die Unterstützung und Sennheiser für die Kopfhörer.

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

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