Aufs Baugewerbe in Sachsen kommen heftige Zeiten zu. Warum das so ist, das müssen die Bauunternehmer mit sich klären. Vielleicht sollten sie sich alle mal an einen Tisch setzen und darüber diskutieren, was sie falsch gemacht haben. Und warum sie noch nicht längst mit ihren Baumaschinen vor der Dresdner Staatskanzlei stehen. Ihnen gehen nicht nur die Aufträge aus - auch der Nachwuchs kommt ihnen abhanden.

In dieser Woche meldete das Landesamt für Statistik, wohin die Reise bei den Bauaufträgen in Sachsen gerade geht: “Das Bauhauptgewerbe verzeichnete mit einem Gesamtumsatz von 162,3 Millionen Euro im Februar 2012 gegenüber Januar ein Minus (-2,5 Prozent). Im Vorjahresvergleich wurde erstmals seit über einem Jahr ein Rückgang registriert (-11,3 Prozent). Die Entwicklung des zugehörigen Auftragseingangsindex lässt keine Verbesserung der Lage erwarten.”

Und das hat nicht mit der Wirtschaftskonjunktur zu tun, denn die Auftragslage aus dem Privatsektor hat sich nicht verschlechtert. Rapide abwärts aber geht es in Sachsen mit Aufträgen aus dem öffentlichen Bereich. Die Kommunen sind längst an den Grenzen ihrer Möglichkeiten angelangt und leiden mittlerweile unter deutlichen Weisungen der Landesdirektionen, ihre Investitionen kräftig zurückzufahren, um die Haushalte entweder wieder ins Gleichgewicht zu bringen oder gar – wie in Leipzig – den Schuldenabbau zu forcieren. Und das, obwohl die letzten 22 Jahre nicht im Ansatz genügt haben, um den Sanierungsstau des Jahres 1990 abzubauen.

Allein Leipzig sitzt auf einem Sanierungsstau von fast 1 Milliarde Euro. Doch mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 hat der Freistaat die “Fördergelder” für all die notwendigen kommunalen Investitionen für Schulen, Kitas, Sportstätten, Straßen, Brücken und Städtebau drastisch zurückgefahren.

Entweder hat kein Minister dabei auch nur den Kontakt zur sächsischen Bauwirtschaft gesucht. Oder die Bosse der Bauunternehmen fanden es harmonischer, ihre Lieblingsminister für diese Einschnitte auch noch zu loben.
Dass diese Einschnitte von den größten Bauauftragsgebern im Land zwangsläufig als sinkende Auftragsvolumina in der Wirtschaft aufschlagen – jetzt merken es wohl die ersten.

Aber auch beim Nachwuchs für Bauberufe hat man sich jahrelang auf den Beruhigungsformeln der Politik ausgeruht. Während das Handwerk schon seit zwei Jahren die Werbung um den Nachwuchs forciert hat, tut man im Bau immer noch so, als ginge es immer so weiter, als stünden auch morgen und übermorgen noch die Fachkräfte Schlange, um auf dem Bau arbeiten zu dürfen.

Die IG BAU schlägt jetzt Alarm und fordert schnellstens eine Azubi-Offensive für den Bau.

Die IG BAU hat die Bauunternehmen in Leipzig davor gewarnt, den Nachwuchs zu vernachlässigen. Die Gewerkschaft befürchtet einen “hausgemachten Fachkräftemangel”. Die heimischen Betriebe sollten sich deshalb in diesem Jahr intensiv darum bemühen, mehr Jugendliche für die Bauberufe zu gewinnen. “Dazu muss es genug Ausbildungsplätze geben. Vor allem aber müssen die Lehrstellen attraktiv sein”, sagt Detlef Zeiß.

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Für den Vorsitzenden des IG BAU-Bezirksverbandes Nord-West-Sachsen ist dies notwendig, um den Trend der letzten Jahre umzukehren: Im vergangenen Jahr registrierte die Arbeitsagentur in Leipzig 56 Bewerber für eine Ausbildung in der Baubranche. Vier Jahre zuvor waren es noch 168 Jugendliche, die im Bau ihre Perspektive sahen. “Das ist ein Minus von nahezu 67 Prozent. Damit verbaut sich der Bau die eigene Zukunft”, so Zeiß.

Die IG BAU Nord-West-Sachsen fordert die Bauunternehmer in Leipzig auf, interessierten Jugendlichen ein klares Signal zu geben. “Wenn vermeintlich weniger qualifizierte Jugendliche davon ausgehen müssen, dass ihre Bewerbungen sowieso gleich aussortiert werden, dann ist die Hemmschwelle für sie viel zu hoch. Wir müssen begreifen, dass beispielsweise Migranten eine Chance für das Handwerk sind”, sagt Detlef Zeiß.

Es sei falsch bei den Bewerbern um einen Ausbildungsplatz zu sehr auf die Zeugnisnoten zu schielen. Auch Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder Schulabbrecher sollten stärker als bisher die Gelegenheit bekommen, sich während der Ausbildungszeit zu entwickeln und im Bauhandwerk ihre Perspektive zu finden. “Wir brauchen keinen Numerus Clausus für das Handwerk, sondern das Engagement und Geschick junger Menschen, die sich fürs Handwerk begeistern können. Und das verraten die Schulnoten nicht auf Anhieb”, so der IG BAU-Bezirkschef.

Wenn diese Botschaft im neuen Ausbildungsjahr in den Köpfen der Unternehmer und der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, ankomme, dann habe das Bauhandwerk “ein gutes Stück vom goldenen Boden zurückgewonnen – nämlich sein wichtigstes Fundament: den Nachwuchs”, so Zeiß.

Es kann aber auch passieren, dass in den entscheidenden Unternehmen die Wecker schon jetzt zu spät klingeln. Denn Kommunen, Handwerk und etwa IT-Wirtschaft, aber auch der Handel und das Finanzgewerbe haben längst große Werbe-Kampagnen aufgelegt, um den nun wirklich knappen Nachwuchs für sich zu gewinnen. Der einzige Groß-Arbeitgeber in Sachsen, der immer noch den Blick auf die kommenden Realität verweigert, ist die sächsische Staatsregierung.

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