Eigentlich ist es ein Alarmläuten, das derzeit in der deutschen Wohnungswirtschaft zu hören ist. Der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen ruft Alarm, die Wohnungsgenossenschaften, die Verbraucherzentrale, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Wohnen droht unbezahlbar zu werden in Deutschland. Mietpreisbremsen sollen her. Aber warum eigentlich? Der GdW war am Dienstag, 11. März, bei der Leipziger LWB zu Gast.

In Person von Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., der dieser Tage viel gefragt ist auf Foren, in Diskussionsrunden, vielleicht auch noch häufiger in der Politik. Denn das Dilemma, vor dem Wohnungsanbieter in Deutschland stehen, hat wenig bis nichts mit der Energiewende zu tun. Auch wenn das ein paar wirklich schwer lernfähige Politiker immer wieder behaupten.

Aber es hat eine Menge mit Politik zu tun. Und vor allem mit einem Laster der deutschen Politik: ihrer wilden Regelungswut. Eine Regelungswut, hinter der ein tiefes Misstrauen steckt in die Bürger. Und eine Überheblichkeit der Techniker, die glauben, sie könnten mit peniblen Vorschriften den Weg in die Zukunft weisen. So geschehen am 29. April 2009, als die neue Verordnung der Energiesparverordnung inkraft trat, die die Verordnung von 2007 noch einmal um 30 Prozent verschärfte, und am 16. Oktober 2013, als die damalige Bundesregierung die ENEV noch einmal verschärfte, im Grunde also eine Art teurer und letztlich unbezahlbarer Nachlass der CDU/FDP-Regierung. Und kein Beitrag zur Energiewende.

Denn wenn diese neue ENEV bei Sanierung und Neubau 1:1 angewendet würde, würde sie die Mieten um durchschnittlich 2,20 Euro pro Quadratmeter verteuern, hat der GdW ausgerechnet. Das liegt weit über der diskutierten Mietkappungsgrenze von 10 Prozent. Und es ergäbe lediglich eine Einsparung von 70 Cent je Quadratmeter an Heizkosten. Und der Rest? Auf dem würden zum größten Teil die Vermieter sitzen bleiben, wenn sie denn den ganzen Batzen nicht einfach an die Mieter weiter reichen. Die jetzt schon diejenigen sind, die den größten Teil der Kosten der Energiewende bezahlen.

“Ein Riesenumverteilungsprogramm” nennt es Gedaschko, was allein mit der EEG-Umlage passiert. Denn die 20 Milliarden Euro, die da über den Strompreis umverteilt werden, bekommen allein die Betreiber der Anlagen. Und den Hauptteil der Kosten tragen die Mieter, wenn sie ihre Stromkosten bezahlen. Dass jetzt auch noch die wilde Regulierungsorgie der ENEV auf Wohnungsgesellschaften und Mieter zukommt, kann sich zur Katastrophe entwickeln. Denn wenn die Kosten derart aus dem Ruder laufen, überlegen sich alle Wohnungsmarktakteure, ob sie überhaupt noch sanieren und neu bauen. Auch in Leipzig.

Noch schafft die LWB den Spagat. Zwei Drittel ihrer über 30.000 Wohnungen hat sie in den vergangenen Jahren saniert. Im Kreuzstraßenviertel läuft seit Jahren ein Pilotprojekt, bei dem die Leipziger Wohnungs- und und Baugesellschaft mbH versucht, die Wohnblöcke energetisch zu sanieren, aber auch die Mieter in jeden Sanierungsschritt einzubeziehen und am Ende zu Partnern zu machen bei der Senkung des Energieverbrauchs. Ein Projekt, das kurz nach der Novellierung der ENEV 2007 startete. Und von dem LWB-Geschäftsführerin Ute Schäfer zumindest in Teilen die vorsichtige Bilanz ziehen kann: Man hat es geschafft, die Mieten zu halten. Aber selbst die eher vorsichtigen Energieeinsparziele hat man nicht ganz erreicht.

Wäre der Mensch eine Maschine oder ein Computer, dann hätte man es wohl geschafft.

Aber der Mensch ist keine Maschine. Jeder hat sein ganz persönliches Heiz- und Verbrauchsverhalten. Menschen wollen auch mal Fenster öffnen oder die Stube auf 22 Grad bringen, das Schlafzimmer nur auf 15, die Küche auf 19. Manche hassen verschlossene Türen in der Wohnung, andere hassen es, alle zusammen in einer winzigen Stube zu hocken, manche baden gern, andere duschen lieber usw.

Aber die LWB taten etwas, was sonst nicht üblich ist: Sie informierten alle beteiligten Mieter nicht nur über ihren persönlichen Verbrauch an Energie, sie informierten auch über den Durchschnittsverbrauch im ganzen Block. Man konnte also von den anderen lernen, sich Tipps geben lassen und vergleichen: Wo stehe ich? – Denn: Der Mensch ist ein lernfähiges Wesen, woran die letzten Bundesregierungen wohl allesamt zweifelten. Politik kann so schrecklich weltfremd sein.
Und die Leipziger im allgemeinen und die LWB-Mieter im besonderen sind auch lernfähig. Sie haben in den vergangenen Jahren ihren Verbrauch an Energie und Wasser Jahr für Jahr gedrosselt. Es nutzt ihnen nur nichts. Denn parallel sind die Preise für Strom um 80 Prozent gestiegen. Zum Beispiel. Was ja – wie eine gut unterrichtete Partei immer wieder behauptet – an der Energiewende läge. Was falsch ist. Es liegt an der politisch gewollten Umverteilung der Kosten. Großkonzerne werden massiv entlastet, Kohle wird massiv subventioniert und verstopft als Billigangebot die Strommärkte. Und dafür werden die Privathaushalte zur Kasse gebeten.

Dass die Mieter nicht auch noch den Unfug der ENEV-Novellen bezahlen können, zeigt schon der Blick auf die Zahlen. Die Politik versucht jedes Detail vorzugeben – wie in einem völlig aus den Fugen geratenen Fünfjahresplan. Nur wird es am Ende keine jubelnden Brigaden geben, die das “Banner der Arbeit” überreicht bekommen, obwohl der Plan nie erfüllt wurde. Am Ende könnte ein landesweiter Stopp bei Neubau und Sanierung stehen, weil niemand mehr sinnvoll finanzieren kann.

Viel klüger wäre es, so betont Axel Gedaschko, lediglich Einsparziele zu formulieren und es den Akteuren selbst zu überlassen, wie sie das Ziel erreichen. Eine Erfahrung auch der LWB ist nämlich, dass jedes Haus, jedes Quartier individuelle Lösungen braucht und dass man mit den Mietern gemeinsam am weitesten kommt. Ein Problem der politischen Vorgaben ist auch, dass sie die Energiewende immer wieder zentralistisch denken. Und auch noch den alten, zentralen Versorgungsstrukturen verhaftet sind.

Damit blockiert die Politik tatsächlich all das, was die Einzelakteure vor Ort tun können und wollen. Denn das, was am Ende der Energiewende entstanden sein soll, ist ja ein Netz dezentraler Energieversorgung. Auf große zentrale Kraftwerke kann man verzichten, weil ein Großteil der Energieversorgung, -verteilung und -speicherung vor Ort, oft sogar im Haus selbst erfolgt. Die Blockheizkraftwerke werden immer kleiner, kompakter und immer flexibler einsetzbar.

“Wir sind ja schon ein Stück weit gekommen, die Politik überhaupt dazu zu bringen, das Thema auf Quartiersebene zu denken”, sagt Gedaschko. Bis daraus aber die richtigen Schlussfolgerungen und Gesetzte entspringen, kann es Jahre dauern. Dabei droht das nächste Damoklesschwert: das von Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgelegte Eckpunktepapier zum EEG, bei dem auch Eigenstromerzeuger zur Kasse gebeten werden. Was es am Ende auch für Wohnungsgesellschaften undenkbar macht, weiterhin an einer eigenen Energie- und Stromerzeugung zu arbeiten. Denn wofür will Gabriel Geld kassieren, wenn der Strom gar nicht durch Überlandleitungen irgendwohin transportiert werden muss?

Es sind die alten, zentralen Strukturen, die auf einmal sichtbar werden lassen, wie teuer sie eigentlich sind und wie sehr sie den Umbau der Energielandschaft tatsächlich behindern. Dabei ist gerade die dezentrale Energieerzeugung der Weg, die Kosten tatsächlich zu senken und vor allem Deutschland mittelfristig in der Energieversorgung autark zu machen.

Wenn die Bundesregierung den eingeschlagenen Weg weitergeht, wird es für alle unbezahlbar – auch für die bisherigen marktdominierenden Energieriesen, die jetzt Jahr für Jahr Verluste schreiben, weil einfach nicht klar ist: Sollen sie nun den ganzen Kraftwerkpark vorhalten oder geht dieses Land konsequent den Weg zu dezentralen Strukturen? Das eine konkurriert mit dem anderen und macht jede Investition zum Vabanque-Spiel. Auch für die Wohnungsgesellschaften, die – wie LWB-Geschäftsführerin Gabriela Haase betont – zuallererst die Aufgabe haben, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und zwar vor allem für Mieter, die das Geld gar nicht haben, sich Quadratmeterpreise von 7 Euro aufwärts zu leisten.

Dass es das Unternehmen trotzdem schaffen könnte, mit weiterer Sanierung den Wohnungsbestand energetisch deutlich zu ertüchtigen, dessen ist sie sich sicher. Nur mit den peniblen Vorgaben der ENEV gelänge das nicht. Da gäbe es keine Spielräume für Kompromisse und vor allem eigene Ideen und Lösungen. Passivhäuser, die das in ihnen lebenden Menschen komplett regeln, wollen Ute Schäfer und Gabriele Haase keinesfalls.

“Aktivhäuser, das ist die richtige Idee, das wollen wir”, sagt Ute Schäfer. Heißt: Häuser, die den Bewohner als intelligenten Akteur einbeziehen. Den freien Menschen und nicht den Fünfjahrplanerfüller.

Die LWB:
www.lwb.de

Zur GdW:
http://web.gdw.de

Die gemeinsame Erklärung von Verbraucherzentrale, Mieterbund und GdW:
http://web.gdw.de/pressecenter/pressemeldungen/2084-verbraucherzentrale-bundesverband-deutscher-mieterbund-und-gdw-energiekosten-fuer-mieter-senken-dezentrale-stromerzeugung-im-mietwohnungsbereich-ermoeglichen

Wikipedia zur permanenten Verschärfung de ENEV:
http://de.wikipedia.org/wiki/Energieeinsparverordnung

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