Am Donnerstag, 18. Juni, beschloss die CDU-Landtagsfraktion ein Positionspapier zur Energiepolitik. Immerhin acht Seiten, in denen sich die Christdemokraten recht ausführlich mit dem Thema Energiepolitik beschäftigten und vor allem für eine Beibehaltung der Braunkohleverstromung aussprachen. Und das sogar unter dem Slogan "Verlässlich, bezahlbar und nachhaltig". In ihrer Mitteilung sprach die CDU-Fraktion sogar von "sächsischen Energieinteressen".

Das ist das, was im Grunde die ganze Krux der sächsischen Energiepolitik beschreibt: Ein Thema, das binnen weniger Zeit von dem erledigt wird, was auch die CDU gern als freien Markt beschreibt, wird von der sächsischen CDU als Politikum behandelt, als Staatsinteresse. Als könne man einfach auf einem Parteitag beschließen: Die Braunkohleverstromung bleibt.

Die Argumente sind die alten. Und sie stammen allesamt ursprünglich aus der PR-Arbeit der betroffenen Kohlekonzerne: Versorgungsstabilität, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.

“Zudem ist die erfolgreiche Umsetzung der Energietransformation gemeinsames Ziel”, erklärt die CDU-Fraktion noch. Legt aber wieder kein Konzept vor, wie das passieren soll, redet wieder davon, als wäre just dieser Teil eine Art bürgerschaftliches Engagement: “Sie kann aber nur durch das Engagement und die Mitwirkungsbereitschaft von Unternehmen, Bürgern und Politik gelingen. Jede einseitige Überlastung, kurzfristige ideologieorientierte Kursänderungen und unangemessene Belastungen führen zu Akzeptanzverlust bei den Bürgern. CDU-Energiepolitik bedeutet aber auch, langfristige Strategien zu verfolgen, um den Freistaat als lebens- und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort zu sichern.”

Ein Ausstiegsszenario? – Fehlanzeige

Die jetzt schon ziemlich laute Zwischenfrage: Ja, wo sind sie denn, diese langfristigen Strategien?

Es gibt sie nicht. Nur viel Gerede. Diesmal auch wieder von Frank Heidan, Vorsitzender des Arbeitskreises für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr der CDU-Landtagsfraktion: “Für die CDU-Landtagsfraktion waren und sind noch immer drei Prämissen für die Energieversorgung in Sachsen wichtig: eine größtmögliche Stabilität und Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit sowie Nachhaltigkeit und eine langfristige Ausrichtung. Diese Kriterien sind bei allen wirtschafts- und energiepolitischen Entscheidungen gleichwertig zu berücksichtigen.”

Und von Lars Rohwer, energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Mit Blick auf die Endlichkeit fossiler Energieträger sowie die aus dem Klimaschutz resultierenden Zwänge gehen wir davon aus, dass langfristig das Ziel einer kohlenstofffreien Energieerzeugung erreicht werden muss. Um aber umfangreiche wirtschaftliche und soziale Strukturabbrüche zu verhindern, muss die Braunkohle in Sachsen noch in diesem Jahrhundert energetisch genutzt werden.“

Interessiert den Strommarkt ein Positionspapier aus Sachsen?

Muss? – Im Papier, das die CDU-Fraktion beschlossen hat, kommt auch das Wörtchen Markt vor. Und die Strombörse EEX wird auch erwähnt, wo der Strom gehandelt wird und die Preise entstehen, die darüber entscheiden, ob ein Kohlekraftwerk noch Rendite bringt oder rote Zahlen schreibt. Und die Erneuerbaren Energien möchte man nur maßvoll ausbauen, nachdem fünf Jahre lang alles getan wurde, sie in Sachsen auszubremsen.

Das kommentierte am Freitag, 19. Juni, Prof. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen: „Anscheinend hat Ministerpräsident Tillich vergessen, dass im erneuerbare Energien-Sektor bundesweit rund fünfmal so viele Arbeitsplätze existieren wie in der Braunkohleindustrie. Insofern geht Klimaschutz gerade nicht zu Lasten von Arbeitsplätzen. Was Tillich meint, ist, dass er in Sachsen keine Veränderungen will, anscheinend auch keine positiven, die am Ende sogar mehr Arbeitsplätze schaffen würden. Für ein Strukturwandelprogramm für das Lausitzer und das mitteldeutsche Kohlerevier, hin zu einem Setzen etwa auf Windenergie, fehlt in Sachsen offenbar die Kreativität. Sachsens Regierung sollte sich Papst Franziskus zum Vorbild nehmen – der hat nämlich viel besser verstanden, wie kurzsichtig Tillichs Energiewende-Verweigerung ist. Franziskus hat es erkannt: Es geht um die Bewahrung der Schöpfung.“

Und man kann das Papier rauf und runter lesen. Es stehen sogar eine Menge Fakten drin. Es steht nur kein einziges Wörtchen darüber, wie Sachsen den Ausstieg aus der Kohle gestalten will. Denn auch die existierenden Kraftwerke haben allesamt nur Betriebsgenehmigungen bis 2040, mit Augenzudrücken 2045. Die alten Pötte, um die man jetzt so barmt, weil Sigmar Gabriel ihnen eine Klimaabgabe verpassen will, müssen auch rein technisch bis 2025 vom Netz. Steht ein einziges Wörtchen da, wie Sachsen da vielleicht wieder neue Kraftwerke genehmigungsreif machen will?

Nichts.

Unternehmen wie Vattenfall werden keine neuen Kohlekraftwerke in der Lausitz bauen. Und die Mibrag in Mitteldeutschland auch nicht. Heißt im Klartext: Bis 2040/2045 geht das Kohlezeitalter in Sachsen sowieso zu Ende. Und eine vernünftige Regierung bereitet den Übergang jetzt vor. Aber auch die Grünen schütteln über so viel Wirklichkeitsverweigerung nur den Kopf.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Meiler ausgehen

“Die sächsische CDU-Fraktion ist offensichtlich nicht in der Lage, sich in einer geordneten Weise selbst von der Braunkohle zu verabschieden. In Sachsen wird sich die Kohle deshalb von der CDU-Fraktion verabschieden”, kommentiert Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag das Papier. “Das Positionspapier der CDU-Fraktion fordert: ‘Bei der Bewertung unterschiedlicher Energieträger sind immer die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten zu betrachten.’  Auch wenn ich bezweifle, dass hier wirklich tiefere Erkenntnisse zur Kostenehrlichkeit in unserem Energiesystem Pate standen, sehe ich in dieser Formulierung einen aussichtsreichen Startpunkt für die weitere Diskussion. Eine Studie des Umweltbundesamtes beziffert die volkswirtschaftlichen Zusatzkosten der Braunkohleverstromung mit 10,75 Cent/kWh.”

Doch diese Kosten werden in der Regel nicht auf den Strompreis aufgeschlagen (anders als die EEG-Umlage), sondern müssen über die Steuern mitbezahlt werden. Der Steuerzahler subventioniert den Braunkohlestrom mit fast 11 Cent je Kilowattstunde.

“In einer ehrlichen volkswirtschaftlichen Betrachtung ist die Braunkohle damit eine besonders teure Energiequelle. Wir alle haben das schon heute zu zahlen – wenn auch kaum offen über die Stromrechnung. Ein großer Teil dieser Kosten wird allerdings an unsere Kinder weitergereicht”, kommentiert Lippold diese versteckte Subventionierung der Kohleverbrennung. “Die CDU-Fraktion verweigert sich nicht nur der Realität, sie macht dies bewusst zur politischen Strategie. Hat sie sich doch erst in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Haushaltsdiskussion energisch selbst gegen kleinste Schritte zur Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten ausgesprochen, indem sie gegen Kritik des Landesrechnungshofes die Braunkohle weiter von der Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe ausgenommen haben, die sonst jeder industrielle Nutzer selbstverständlich zu zahlen hat.”

Nur wer genau hinschaut, sieht wirklich, wie viele Zuschüsse, Quersubventionierungen und Folgekosten Kohleverbrennung tatsächlich verursacht.

Bewahrung der Schöpfung? Wohl doch nur eine Floskel

Spott gibt es für die Wirklichkeitsverweigerung der CDU auch von links. “Der Papst fordert zum schnellstmöglichen Kohleausstieg zur Rettung des Weltklimas auf, und die selbst erklärte Christlich-Demokratische Union in Sachsen will energiepolitisch mit Volldampf in die klimapolitische Sackgasse rasen. Man sieht also, die hiesige CDU hat weder zur Rettung des Abendlandes noch der Welt etwas beizutragen”, kommentiert Marco Böhme, klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion, das Papier. “Im Gegenteil: Kupfers Fraktion und Tillichs Staatskanzlei ignorieren das Gebot der Stunde: ‘Wir wissen, dass die Technologie, die auf der sehr umweltschädlichen Verbrennung von fossilem Kraftstoff – vor allem von Kohle, aber auch von Erdöl und, in geringerem Maße, Gas – beruht, fortschreitend und unverzüglich ersetzt werden muss.’ So heißt es in der Umwelt-Enzyklika des Papstes, und das, was die CDU-Landtagsfraktion proklamiert – Kohle-Verfeuerung bis zum Ende dieses Jahrhunderts – ist definitiv keine tolerable ‘Übergangslösung’, sondern eine Totalverweigerung gegenüber der Zukunft.”

Die Strategie wird auch nicht funktionieren. Eher droht etwas anderes: Dass die Marktpreise zu einem sehr schnellen Ausstieg Sachsens aus der Kohle führen werden. Und dann werden sich alle Beteiligten dumm angucken und fragen: Ja, und wer  hat jetzt vorgesorgt?

It’s the economy, stupid!

Marco Böhme: “Die heutige Kritik des BUND Sachsen an Ministerpräsident Tillich  trifft ins Schwarze: Nicht mal die Milliardenschäden durch Hochwasser, deren Wahrscheinlichkeit durch den Klimawandel zunimmt, lassen Sachsens Regierungschef zur Vernunft kommen. Immerhin gibt der radikale ökologische Anti-Papst-Kurs der sächsischen CDU allen Wertkonservativen im guten Sinne einen Hinweis, dass sie von dieser Partei nichts mehr zu erwarten haben.”

Und Dr. Gerd Lippold, der das tut, was augenscheinlich die CDU-Fraktion nicht tun will, nämlich nach den Kosten zu fragen: “Wenn die CDU-Fraktion ernsthaft über die Energiezukunft Sachsens nachdenken will, dann sollte sie ihre Forderung nach Betrachtung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten endlich selbst ernst nehmen! Diese Entscheidungsbasis ist in einem Zitat des ehemaligen US Präsidenten Clinton treffend beschrieben: ‘It’s the economy, stupid!'”

Kostenehrlichkeit nennt sich das. Und die Kraftwerksbetreiber wissen es ganz genau, auch wenn sie darüber nicht öffentlich plaudern. Wenn sich das Kraftwerk nicht mehr rechnet, wird es abgeschaltet.

“Lassen sie uns endlich volle Kostenehrlichkeit bei der Diskussion unserer Energieversorgungsoptionen von morgen herstellen und dann den Markt entscheiden!“, fordert Lippold. “Das setzt allerdings voraus, endlich ideologische Vorfestlegungen aus der energiepolitischen Diskussion auszublenden. Dazu ist die sächsische CDU-Fraktion ganz offensichtlich derzeit nicht in der Lage.”

Das Positionspapier der CDU-Fraktion.

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