Am 16. und 17. September tagte in Leipzig mal wieder das Ostdeutsche Energieforum. Eine ambitionierte Veranstaltung, mit der ostdeutsche Unternehmen versuchen, die Themen der Energiewende zu diskutieren, die notwendigen Veränderungen aus ihrer Sicht zu formulieren und die Politik dabei mitzunehmen. Doch irgendwie geht's für Sachsens MP ohne Kohle nicht.

Alle drei Ministerpräsidenten aus den drei ostdeutschen Kohleländern waren da und haben gepredigt, man könne auf Kohle nicht verzichten. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) betonte wieder “die Bedeutung der Braunkohle für das Gelingen der Energiewende”. Die Braunkohle sei angesichts des Ausstiegs aus der Steinkohle und der Kernenergie eine Rückversicherung. Sie sei der letzte heimische fossile Energieträger, stehe für einheimische Wertschöpfung und mache Deutschland unabhängig von Gasimporten. „Wir werden die Braunkohle noch viele Jahrzehnte brauchen“, erklärte er mal wieder.

Die sächsische CDU kommt aus ihrem Appell-Modus einfach nicht heraus. Das sind keine guten Nachrichten für die Lausitz. Denn mit ihrem Festklammern an der noch “auf Jahrzehnte notwendigen” Braunkohleverstromung ignoriert Sachsens CDU schlicht den immer weiter zunehmenden Druck auf die großen Kraftwerksbetreiber.

Lars Rohwer, Sprecher für Energiepolitik der CDU-Landtagsfraktion, bringt die schmale Sicht der sächsischen CDU auf das Thema Kohle eigentlich auf den Punkt: „Mit Blick auf die Endlichkeit fossiler Energieträger sowie die aus dem Klimaschutz resultierenden Zwänge gehen wir davon aus, dass langfristig das Ziel einer kohlenstofffreien Energieerzeugung erreicht werden muss. Um aber umfangreiche wirtschaftliche und soziale Strukturabbrüche zu verhindern, muss die Braunkohle in Sachsen weiter als zuverlässige Brückentechnologie dienen.“

Die CDU-Fraktion im sächsischen Landtag steht tatsächlich auf dem Standpunkt, dass die Ziele der Energiewende ohne den Energieträger Braunkohle nicht erreicht werden können. Und so klammert man sich fest und ignoriert einfach, dass Braunkohleverstromung nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben ist.

Rohwer: “Es braucht auch in Zukunft ausreichend konventionelle Kraftwerke, die in wind- und sonnenarmen Stunden verlässlich Strom liefern.”

Und er erinnert daran, dass auch das sture Gegensteuern Sachsens mit dazu beigetragen hat, die von Sigmar Gabriel vorgeschlagene “Klimaabgabe” auf ältere Kohlekraftwerke nicht nur zu kippen, sondern im Gegenzug gleich mal eine millionenschwere Subvention fürs Abschalten auszuhandeln, verkleidet im Begriff “Kapazitätsreserve”, der damit völlig ad absurdum geführt wurde. Denn Kapazitätsreserve können nur Kraftwerke sein, die im Ernstfall binnen Minuten hochgefahren werden können, um den akuten Strombedarf zu decken.

Dass die alten Kohlemeiler diese Funktion erfüllen, daran zweifelt die Europäische Kommission. Die sogenannte „Klimareserve“ könnte mit dem EU-Beihilferecht nicht vereinbar sein und durchaus als das gewertet werden, was sie ist: eine millionenschwere Subvention.

Lars Rohwer: “Hatten wir uns gefreut, dass auch der Widerstand aus Sachsen und anderen betroffenen Bundesländern dazu geführt hatten, dass die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geplante Klimaabgabe für deutsche Kraftwerksbetreiber vom Tisch war, droht nun die Europäische Kommission dem Kompromiss einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ich möchte deshalb den Bundeswirtschaftsminister dazu ermutigen, sich gegenüber der Kommission stark zu machen, dass die gefundene Lösung nicht gekippt wird. Denn diese sichert Tausende Arbeitsplätze sowie die Infrastruktur in den sächsischen Braunkohlerevieren um Leipzig und der Lausitz sowie die Energieversorgung in Deutschland.“

Das Bedrohliche an diesem Festhalten an der existierenden Kohlewirtschaft ist: Sachsen verschläft komplett alle jetzt noch bestehenden Möglichkeiten zum Umsteuern und zur Gestaltung eines echten Strukturwandels in der Lausitz.

“Wenn zum mittlerweile traditionsreichen ‘Ostdeutschen Energieforum’ heute drei Ministerpräsidenten aus den Kohleländern persönlich nach Leipzig reisen und versuchen, aus der Konferenz einen ‘Kohlerettungsgipfel’ zu machen, dann zeigt dies vor allem die pure Angst vor den Veränderungen der energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa”, resümierte dazu am Donnerstag Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. Er versteht die beiden Ministerpräsidenten Sachsens und Sachsen-Anhalts, Stanislaw Tillich und Reiner Haseloff (beide CDU), nicht mehr, die in ihren Reden betonten, noch “viele Jahrzehnte” den Klimakiller Braunkohle verbrennen zu wollen. Gleichzeitig betonten sie ihr Festhalten an den deutschen Klimaschutzzielen.

“Beide Ziele stehen jedoch in eklatantem Widerspruch zueinander”, sagt Lippold. “Hier ist endlich Ehrlichkeit gefordert. Für jeden, der rechnen kann, liegt klar auf der Hand, dass die Kohleverbrennung weitestgehend beendet sein muss, bevor Deutschland die Klimaschutzziele für das Jahr 2050 mit 80 bis 95 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 erreichen kann. – Entweder Sie wollen die langfristige Braunkohleverstromung oder die nationalen Klimaschutzziele. Beziehen Sie endlich ehrlich Position, Herr Tillich!”

Die Kohleverstromung taucht zwar auch im Abschlusskommuniqué des Energieforums wieder auf. Aber in der Vielzahl der geforderten Punkte zeigt es eher, wie unvereinbar mittlerweile viele Interessen in der ostdeutschen Energiewirtschaft sind. Die einen rackern mit großem Einsatz an der Schaffung neuer, alternativer Energiestrukturen – und die anderen bremsen mit jeder Menge Kohle die Veränderung.

“Anwesende Unternehmen, wie der Netzbetreiber 50 Hertz, nehmen die Energiewende- und Klimaschutzziele dagegen sehr ernst. So ernst, dass sie ihre Unternehmensstrategien daran ausrichten”, betont Lippold. “Ein Stück Realismus ließ auch Ministerpräsident Tillich durchblicken mit der Feststellung: ‘Die bereits aufgeschlossenen Tagebaue reichen deutlich länger als gedacht.'” Noch vor einem Jahr hatte Tillich für die Genehmigung für den Tagebauaufschluss Nochten II geworben, ein Aufschluss, den kein Mensch in der Lausitz braucht. Tagebaubetreiber Vattenfall hat die Umsiedlungspläne für dieses Abbaufeld gestoppt. Öffentlich. Aber auch das wurde bislang von der sächsischen Regierungskoalition konsequent negiert.

Dr. Gerd Lippold fordert deshalb: “Jetzt muss die Staatsregierung daraus die logische Konsequenz ziehen und alle Pläne für neue Tagebauvorhaben begraben. Dann brauchen die Menschen in den betroffenen Regionen auch keine Angst mehr vor Abbaggerungen und Enteignungen zu haben.”

Das Abschlusskommuniqué des Ostdeutschen Energieforums

Leipzig, 17.09.2015 – Im Ergebnis des 4. Ostdeutschen Energieforums wenden sich die Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin und die IHK zu Leipzig mit folgenden Forderungen an die Politik:

Systemintegration der Erneuerbaren Energien (EE) und Ausbau der Infrastruktur vorantreiben!

–  Insbesondere in den EE-reichen östlichen Bundesländern ist eine stabile Infrastruktur für die Übertragung, Speicherung und Verteilung als Voraussetzung für sichere Versorgung, freien Stromhandel, effizienten Einsatz von Erzeugungskapazitäten und weiteren Ausbau von EE an ertragreichen Standorten zu gewährleisten.

– Für den beschleunigten Ausbau der Netze ist eine umfassende Kommunikation der Projekte und eine transparente, aber rechtssichere Verfahrensgestaltung zu sichern, um zeitlich unkalkulierbare Klageverfahren möglichst zu vermeiden.

–  Der weitere Ausbau der EE ist örtlich und kapazitiv unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten mit der Aufnahme- und Verteilfähigkeit der Netze in Einklang zu bringen.

Netznutzungsentgelte reformieren – Standortnachteile Ostdeutschlands beseitigen!

– Der Ausbau der Netze zur Aufnahme der EE vornehmlich im Norden und Osten Deutschlands führt zu deutlich höheren Netznutzungsentgelten in diesen Gebieten und damit zu erheblichen Standortnachteilen. Energiewendebedingte Unterschiede bei den Netznutzungsentgelten, die z.B. aus Kosten für Infrastrukturausbau und Netzmanagement im Übertragungsnetz resultieren, sind deshalb bundesweit auszugleichen.

– Modelle, die Netznutzungsentgelte auf den Leistungspreis umlegen, sind weiterzuentwickeln.

–  In Anbetracht der unverhältnismäßig hohen regionalen Netzkosten in Gebieten mit einem großen Anteil an dezentralen Einspeisungen müssen die sogenannten „vermiedenen Netznutzungsentgelte“ bei volatilen Einspeisern abgeschafft werden.

Steuern und staatlich induzierte Belastungen reduzieren!

–  Der Strompreis ist bundesweit von einer Vielzahl von Steuern, Abgaben und Umlagen mit gegenwärtig mehr als 50 % belastet. Diese Belastungen für die Energieverbraucher müssen daher drastisch reduziert und transparenter gestaltet werden.

– Die 1998 als Teil der Ökosteuer eingeführte Stromsteuer hat keinen systemrelevanten Bezug zur Energiewirtschaft und keinerlei steuernde Wirkung. Sie liegt mit 20,50 €/MWh um das 40-fache über dem von der Europäischen Union festgelegten Mindestniveau. Darauf ist der deutsche Steuersatz zu reduzieren.

– Um die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen und globalen Maßstab zu sichern, sind stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Einklang mit dem europäischen Beihilferecht auch weiterhin weitgehend zu entlasten.

Strommarkt unter Berücksichtigung ostdeutscher Besonderheiten weiterentwickeln!

– Wesentliche Grundlagen einer zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung sind marktwirtschaftliche Prinzipien und ein breiter Energiemix. Unter diesen Prämissen muss der Strommarkt weiterentwickelt werden, um Flexibilität bei Erzeugern, bei Nachfragern und durch Speicher anzureizen, eine bessere Integration der EE sicherzustellen und Versorgungssicherheit auf hohem Niveau zu gewährleisten.

–  Der in Ostdeutschland vorhandene hocheffiziente Kraftwerkspark auf Basis konventioneller Energieträger muss integrativer Bestandteil des künftigen Strommarktes bleiben.

– Die Weiterentwicklung der energiepolitischen Rahmenbedingungen muss im Einklang mit der Schaffung des Europäischen Strombinnenmarktes stehen und mit den Nachbarstaaten – aus ostdeutscher Sicht insbesondere Polen und Tschechien – koordiniert werden.

– Die  Flexibilitätsoptionen, die der  bestehende Strommarkt (Energy Only Market – EOM) bietet, müssen umfassender genutzt werden. Bei konsequenter Ausschöpfung seiner Potenziale stellt der EOM die kosteneffizientere und nachhaltigere Alternative zur Gewährleistung hoher Versorgungssicherheit dar.

–  Kapazitätsmechanismen widersprechen marktwirtschaftlichen Prinzipien und bergen die Gefahr zusätzlicher Strompreisbelastungen. Sie sollten daher nur bei akut gefährdeter Versorgungssicherheit in Form eines zeitlich begrenzten Instruments Anwendung finden.

– Die Belastung von Eigenerzeugungsanlagen mit der EEG-Umlage muss zukünftig ausgeschlossen werden, zumal diese einen Beitrag zur Netzstabilität leisten.

– Die weitere Heranführung der EE an den Markt ist ein richtiger Schritt. Die ab 2017 vorgesehenen  Ausschreibungen müssen mittelstandsfreundlich und marktkonform gestaltet werden.

– Moderne konventionelle Kraftwerke sind effizienter und flexibler geworden, was sie zum idealen Partner der Erneuerbaren Energien macht. Der Nutzen von Biomasse und KWK für die Grundlasterzeugung muss neu bewertet werden. Die Förderung ist eigentümerunabhängig zu gestalten.

Versorgungssicherheit und strukturpolitische Bedeutung erfordern Perspektive für die ostdeutsche Braunkohle!

–  Statt deren Zurückdrängung zu forcieren, muss die Politik verlässliche Rahmenbedingungen und eine Perspektive für die energetische und stoffliche Nutzung der Braunkohle bieten.

–  Klimaschutzabgaben und ähnliche Belastungen für Braunkohlekraftwerke sind energie- und strukturpolitisch kontraproduktiv und müssen unterbleiben.

Ostdeutsche Kompetenz für sichere Gasversorgung erhalten!

– Lieferantenvielfalt, eine gute Infrastruktur und Gasspeicher auf der Angebotsseite sowie eine Flexibilisierung der Nachfrage sind die Säulen der Versorgungssicherheit. Mit der Verbundnetz Gas AG und den regionalen Versorgern sind  in Ostdeutschland entsprechende Kompetenzen vorhanden, die am Standort gehalten werden müssen.

Anreize statt Audits: Betriebliche Energieeffizienz weiter fördern!

–  Energieeffizienz ist ein wesentlicher Faktor für das Erreichen der Ziele der Energiewende. Leitprinzip muss die Wirtschaftlichkeit und vor allem Freiwilligkeit von Effizienzmaßnahmen bleiben. Anstatt weitere Unternehmen zu regelmäßigen Energieaudits zu verpflichten muss die Förderung der betrieblichen Energieeffizienz verlässlich fortgeführt werden.

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