In dieser Woche gab es im Sächsischen Landtag nicht nur die Diskussion über die bislang verkorkste Asylpolitik der sächsischen Regierung. Am Freitag, 4. September, wurde auch noch über ein anderes Thema diskutiert, bei dem die CDU/SPD-Regierung genauso ahnungslos agiert. Und die Wortmeldungen zeigen: Die regierende CDU hat das Anliegen der Linken dabei nicht mal begriffen.

Während sich die wirtschaftspolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen lieber noch nicht festlegten zu dem, was in der von der Linksfraktion beantragten Anhörung alles gesagt wurde, preschte Andreas Heinz, der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion und gelernte Agrotechniker aus dem Vogtland, der seit 1990 für die CDU im Landtag sitzt, vor und behauptete kühn: “Die heutige Anhörung zeigte deutlich, dass schon die Grundannahme falsch ist, wir könnten auf Braunkohle als Rohstoffträger verzichten. Im Gesetzentwurf sind weder die heutigen technisch Möglichkeiten der Braunkohlenutzung noch die Arbeitsplatzeffekte ausreichend berücksichtigt. Unter Haushaltsgesichtspunkten wurde der Gesetzentwurf durchweg kritisiert. Kein Sachverständiger hat den Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung für nötig befunden. Alle Experten halten die vorhandenen Instrumente für ausreichend. Völlig inakzeptabel ist auch der Versuch, mit diesem Entwurf eine Ausstiegsfrist für das Jahr 2040 quasi durch die Hintertür festschreiben zu wollen. Für das weitere Beratungsverfahren hat die heutige Anhörung somit eindeutig ergeben, wie wenig zielführend dieser Gesetzentwurf ist.”

Dabei ging es in der Anhörung nicht direkt um die Braunkohlenutzung. Das wird ganz sicher ein Thema, wenn der heutige oder der künftige Bertreiber der Kohlekraftwerke die Kohlemeiler nicht mehr rentabel betreiben kann. Dann steht die Frage, ob aus der Tagebaugenehmigung in der Lausitz noch was zu machen ist und die Kohle zum Beispiel für die Chemieindustrie nutzbar gemacht wird.

Aber eines tschilpen mittlerweile alle Spatzen von den Dächern: Dass die Kohlemeiler in den nächsten Jahren alle ausgehen werden. Einer nach dem anderen. Das Kohlegeschäft trägt schon heute dazu bei, dass der schwedische Energiekonzern Vattenfall ins Minus rutscht. Es sind nicht politische Wünsche, die das Ende der Braunkohleverstromung in der Lausitz einleiten, sondern schlichte wirtschaftliche Zwänge.

Zentraler Bestandteil des Gesetzentwurfs, den die Linksfraktion im April eingereicht hat, wäre die Einrichtung eines Strukturwandelfonds, mit dem die wirtschaftlichen Umbrüche, zu denen es zwangsläufig kommt, aufgefangen werden können. Der Fonds soll jedes Jahr mit 10 Millionen Euro angefüllt werden.

‘Lock-in’ bei der CDU-Fraktion

Und während die CDU-Fraktion augenscheinlich wieder nur gehört hat, was sie hören wollte (was zur Tragik der sächsischen Regierungspolitik gehört), sieht sich die Linke bestätigt in ihrer Ansicht: Die Lausitz täte schlecht daran, ihre Zukunft allein auf Braunkohle zu setzen. Das würde grandios in die Hose gehen.

“Das Thema ‘Strukturwandel’ polarisiert offensichtlich. Das ist verständlich, denn hier geht es um Identitäten von Menschen. Offenbar haben viele Sachverständige eine konkrete Vorstellung davon, was gut für ‘die Lausitz’ wäre. Problematisch wird es, wenn neue Ideen von vornherein ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Das sogenannte ‘Lock-in’ führt dazu, dass bestehende Perspektiven nur noch einseitig idealisiert und überhaupt betrachtet werden, weil die immer gleichen Player das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben”, kritisiert Dr. Jana Pinka, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, die Wirklichkeitsverweigerung der Braunkohle-Verfechter. “Die Sachverständigenanhörung hat deutlich gemacht, dass einige auf einer weiterhin allein auf der Braunkohle basierenden Lösung beharren. Es geht dabei um die stoffliche Nutzung der Kohle, die – nach CCS – nun als weitere technische Lösung und Versprechen angeboten wird, um den Weg weiterhin maßgeblich auf der Kohle fußend fortzusetzen. Nicht beachtet ist dabei, dass die stoffliche Nutzbarkeit der Kohle mit der Kohlezusammensetzung steht und fällt. Diese ist in der Lausitz deutlich schlechter als beispielsweise im Mitteldeutschen Revier.”

Die Lausitz steht also in direkter Konkurrenz zum Leipziger Südraum, wo es die Verbindungen zur benachbarten Chemieindustrie schon lange gibt.

Aber natürlich bedeutet “stoffliche Verwertung” auch einen viel geringeren Mengenaufwand. Die Abbautätigkeit im Tagebau wird deutlich zurückgefahren.

Das betont auch Pinka: “Hinzu kommt, dass auch bei dieser Perspektive deutlich weniger Arbeitsplätze in den Tagebauen vorhanden sind. Die Fachkräfte für dieses High-Tech-Szenario müssten eingeflogen werden.”

Und die Linke hat ja nichts gegen eine solche stoffliche Nutzung der Kohle, weiß aber, dass man dafür deutlich weniger Leute braucht. “Nach unserer Auffassung soll auch diese Lösung ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden; aber allein der auf die Kohle verengte Blick hilft der im Zukunftsatlas-Ranking ganz hinten liegenden Region nicht weiter. Die Lausitz ist mehr als Kohle. Sämtliche Perspektiven müssen zukunftsorientiert zusammen mit und insbesondere von den Menschen vor Ort diskutiert, ausgewählt und schließlich gestaltet werden”, betont Pinka das viel breitere Anliegen des Linke-Antrages. “Der gewählte sächsische 10-Millionen-pro-Jahr-Ansatz ist selbstverständlich zu erweitern. Auch Brandenburg ist inhaltlich einzubeziehen und auch der Bund sollte wie beim jahrzehntelangen Umbau der früheren westdeutschen Steinkohlereviere den Strukturwandel mitfinanzieren. Wichtig ist, jetzt in die Gänge zu kommen, um eine attraktive und tragfähige Perspektive für die Menschen vor Ort zu ermöglichen.”

Der Strukturwandel ist bereits im Gang

Und auch die Grünen sehen es so, dass die Lausitz mit jedem abgeschalteten Kraftwerksblock tiefer hineingeraten wird in einen Strukturwandel, der auch in einem anderen Szenario enden kann, wenn sich Sachsens Regierungskoalition der Wirklichkeit verweigert: in einer flächendeckenden Arbeitslosigkeit, nachdem die Kohle-Arbeitsplätze weg sind, und einer verstärkten Abwanderung der jungen Menschen. Die Lausitz würde noch schneller entvölkert, als es sich die Braunkohle-Anhänger ausmalen können.

“In der heutigen Anhörung eines Gesetzentwurfes der Linken zur Einrichtung eines Strukturwandelförderfonds im Umweltausschuss des Sächsischen Landtags wurde deutlich, dass über längere Zeiträume eine stabile Unterstützung der heutigen Bergbauregionen erforderlich sein wird”, benennt auch Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, das Thema, das jetzt auf der Tagesordnung steht, nicht erst in 10 oder 30 Jahren. “Der Strukturwandel ist bereits im Gang. Dafür brauchen wir keinen ‘Masterplan’, sondern eine wirksame Unterstützung der bereits handelnden Akteure vor Ort. Weitere Augenwischerei in Bezug auf die Perspektiven der Braunkohle durch die sächsische Staatsregierung helfen hingegen niemandem.”

Und während CDU-Mann-Heinz das Linke-Gesetz für überflüssig hält, sieht Lippold noch viel drängenderen Handlungsbedarf. “Der von der Fraktion Die Linke vorgelegte Gesetzentwurf greift aus unserer Sicht zu kurz, weil er nur einen Bruchteil der Kosten und Aufgaben eines Strukturwandels abdeckt”, sagt Lippold dazu. “Eine wirksame Strukturwandelförderung setzt zunächst eine zuverlässige Finanzierungsbasis zur Bewältigung der Bergbaufolgen und Ewigkeitskosten voraus. Sonst werden Landkreise und Kommunen an den finanziellen und ökologischen Lasten ersticken.”

Es werden größere Summen benötigt als bisher im Raum stehen

Und da ist man schnell bei den drei- bis vierstelligen Millionensummen, die die Tagebaubetreiber eigentlich zurücklegen müssten, um die Renaturierung und Sicherung der ausgekohlten Tagebaue zu finanzieren. Gerade Jana Pinka von den Linken hatte ja extra nachgefragt, ob Sachsens Regierung sich sicher ist, ob die 1,375 Milliarden Euro Rückstellungen von Vattenfall auch tatsächlich verfügbar sind oder nur eine Bilanzierungssumme sind, die sich in Luft auflöst, wenn man sie einsetzen will.

“Wir brauchen deshalb weit größere Summen als bisher im Raum stehen. Es geht um Milliarden, nicht Millionen. Diese müssen möglichst verursachergerecht aufgebracht werden. Auch der Bund ist in der Pflicht. Die bisherigen, ungesicherten Rückstellungen der Bergbauunternehmen reichen nicht aus”, sagt Lippold. “Das von der Linken vorgeschlagene gemeinsame Vorgehen der betroffenen Bundesländer ist sinnvoll. Leider hat das von ihr mitregierte Brandenburg entsprechende Vorschläge für einen Lausitzfond kürzlich als unnötig abgelehnt.”

Und die aktuelle Regierungskoalition in Sachsen wird es wohl genauso tun. Und irgendwie darauf vertrauen, dass die Meiler doch weiter brennen. Was dann zwangsläufig zum weiter oben beschriebenen Szenario führen wird: Einem ungeordneten Strukturwandel in der Lausitz und einer Flucht aus der Region, bei der gerade den eifrigen CDU-Politikern aus Ostsachsen die Ohren schlackern werden. Ein etwas deftiges Bild? Die Realität wird’s zeigen.

Der Gesetzentwurf der Linken.

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