Mit einem in mehreren Zeitungen veröffentlichten Brief wandten sich am Freitag, 23. Oktober, die Geschäftsführer mehrerer deutscher Stadtwerke an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, in dem sie die Unterstützung der Bundesregierung für die die beiden Energiekonzerne e.on und RWE im Kartellverfahren vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) kritisieren. Auch die Leipziger Stadtwerke sind dabei. Auch sie wären betroffen.

„Hintergrund ist das vor dem EuG laufende Klageverfahren um den Zusammenschluss und die fusionsrechtliche Freigabe der Übernahme von RWE-Tochter Innogy durch e.on unter Auflagen im September letzten Jahres“, erklärt der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), dem auch die Stadtwerke Leipzig angehören.

„Diese Entscheidung hatte das letzte Fusionskontrollverfahren im Zusammenhang mit dem Tausch von Anteilen und Vermögenswerte von e.on und RWE abgeschlossen. Hiergegen hatten unter anderem die nun agierenden Stadtwerke und Energieversorger als betroffene Wettbewerber Klage eingelegt. Sie sehen in der Entscheidung der EU-Kommission eine eklatant drohende Wettbewerbsbeschränkung und die Begünstigung einer marktbeherrschenden Stellung zum Nachteil aller Wettbewerber und somit letztlich auch der Verbraucher.“

Besonders sauer sind die Stadtwerke, weil die Bundesregierung im Rechtsstreit um diesen Deal auf der Seite von RWE und e.on eingetreten ist. „Das heißt, Sie streiten künftig an der Seite der zwei marktbeherrschenden Unternehmen und damit gegen einen fairen Wettbewerb“, heißt es in dem Brief an Peter Altmaier.

„Das Signal, das Sie damit senden, ist klar: Die Bundesrepublik will e.on und RWE als ,nationale Champions‘ sehen. Aber mit welcher Begründung und zu welchem Preis? Die Anbietervielfalt in Deutschland wird hintangestellt zulasten einer seit Generationen sicheren, dezentralen Energieversorgung – und zugunsten der überwiegend ausländischen Investoren von e.on und RWE.“

Ausschnitt aus dem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Screenshot: L-IZ
Ausschnitt aus dem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Screenshot: L-IZ

Was der VKU konkret befürchtet, ist eine Wettbewerbsverzerrung auch vor Ort für die regionalen Anbieter: „e.on wird durch die Fusion der mit Abstand größte deutsche Verteilnetzbetreiber. Im zukünftigen Wettbewerb um Netzkonzessionen dürfen daraus keine Nachteile für lokale oder regionale Netzbetreiber entstehen. In den Ausschreibungsverfahren müssen auch lokale und regionale Faktoren – wie bspw. der Verbleib der Wertschöpfung vor Ort – angemessen Berücksichtigung finden. Daher ist zusätzlich erforderlich, die Befugnisse der Kommunen im Konzessionsverfahren durch Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz zu stärken.“

„Wir unterstützen die klagenden Stadtwerke und regionalen Energieversorger – unsere Mitgliedsunternehmen – auf diesem Weg“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen e. V. (VKU).

„Die Sorge, die die Unternehmen umtreibt, ist nachvollziehbar und wird sicherlich auch über den Kreis der klagenden Unternehmen hinaus in der Kommunalwirtschaft geteilt. Wir sind nicht überzeugt, dass die Auflagen der Kommission tatsächlich den schweren wettbewerblichen Auswirkungen der Transaktion gerecht werden. Wir denken, dass es richtig und sinnvoll ist, dass die europäischen Gerichte sich das noch einmal genau ansehen und dann hoffentlich korrigieren.“

Der VKU fordert ein „level playing field“. Denn bislang sitzen kommunale Unternehmen oft am kürzeren Hebel, wenn es um gleiche Wettbewerbschancen selbst in ihrer Region geht. Denn meist konkurrieren sie bei Ausschreibungen direkt gegen die großen Konzerne, die schon aufgrund ihrer Größe andere Konditionen bieten können und damit auch Kommunen unter Zugzwang setzen.

Oder schlicht in ein unlösbares Dilemma stürzen, weil diese ihr eigenes Unternehmen nicht bevorzugen dürfen, obwohl das für die Daseinsvorsorge in der Regel der bessere und verlässlichere Weg wäre. Und so fordert der VKU: „Dazu gehören die Beseitigung von Wettbewerbshindernissen im Beihilfe- und Vergaberecht sowie im Gemeindewirtschaftsrecht.“

Wenn nun aber ausgerechnet der Bundeswirtschaftsminister den beiden großen Energiekonzernen auch noch staatliche Schützenhilfe gibt, ist das mehr als nur ein Affront gegenüber den kommunalen Stadtwerken, die vor Ort mit ziemlich viel Geld die Energiewende vorantreiben. Aber es wäre nicht Altmaiers erster Affront, wenn man an sein Verhalten beim sogenannten „Kohlekompromiss“ denkt und sein massives Ausbremsen des Ausbaus der Windkraft.

Sein Einsatz für die beiden Energiekonzerne zeigt im Grunde, dass er die Notwendigkeit einer dezentralen Energieversorgung als Kernelement der Energiewende nicht akzeptieren will und noch immer in den alten, zentralisierten Kategorien der großen Energiekonzerne denkt.

„Verhindern Sie die Bildung neuer Oligopole, z. B. beim Messstellenbetrieb und bei neuen digitalen Plattformen“, fordern die Geschäftsführer der Stadtwerke von Altmaier. „Dies alles dient dem fairen Wettbewerb, schützt Kunden und Verbraucher und sichert zugleich regionale Wertschöpfung. Die Bürger vor Ort und in den Kommunen tragen die Hauptlast der Energiewende. Lassen Sie die Wertschöpfung in den Ländern und Kommunen vor Ort. Hier wird die neue Energiewende aktiv gestaltet und umgesetzt – bitte lassen Sie uns weiterhin unseren Beitrag dazu leisten!“

Der Hinweis auf den Messstellenbetrieb und die neuen digitalen Plattformen macht deutlich, dass die großen Energiekonzerne ganz ähnlich ticken wie die großen amerikanischen Kommunikationskonzerne: Wer über die Daten herrscht und sie bei sich sammelt, dominiert den Markt und gibt die Regeln vor.

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