"Hattu kein Konzept, kannstu nix machen", sagte der Hase. Das war zwei Jahrzehnte lang die Regel in Leipzigs Verkehrspolitik. Man plante zwar mächtig gewaltig in Ringen und Tangenten, aber man bekam die unterschiedlichen Verkehrsansprüche und Bedürfnisse nicht unter einen Hut. 2011 drohte das erstmals so richtig zum Kollaps zu führen: Da wurde das Gondwanaland im Leipziger Zoo eröffnet.

Schon zuvor war absehbar, dass die neuerlich erwartete Steigerung der Besucherzahlen im Zoo (2009: 1,7 Millionen, 2010: 1,5 Millionen) auf 2 Millionen Besucher das Gebiet um die Pfaffendorfer Straße, den Kickerlingsberg und den Nordplatz in ein Chaos stürzen würde. Deswegen zeigten Verwaltung und Stadtrat eine erstaunliche Geschwindigkeit, als es um die Entwicklung eines “Verkehrskonzepts Zoo” ging, in dem erstmals alle möglichen Verkehrsarten zusammen gedacht wurden. Der gewöhnliche Leipziger staunte: Auf einmal ging das. Auf einmal sprach die Stadt ohne Drucksen von Parkraumbewirtschaftung, Anwohnerparken, Verkehrslenkung, besserer Fußwegausschilderung, Radabstellplätzen, einem Zoo-Ticket und einer besseren Taktung der Straßenbahn Linie 12.

Und das alles in einem Konzept. Auch wenn rein von den Investitionen wieder mal das Auto dominierte. Was diesmal nicht an der Priorität des Automobils lag, sondern an der schlichten und so gern vergessenen Tatsache: Investitionen in die Verkehrs- und Parkraumstrukturen für Automobile sind in der Regel um ein Vielfaches teurer als die in Rad- und Fußwege oder eine Verbesserung des ÖPNV.

Hauptsächlich floss das Geld in das zweite Parkhaus. In der Löhrstraße wurden Bewohnerparkplätze in gebührenpflichtige Stellplätze umgewandelt, das Bewohnerparken in der Nordvorstadt wurde auf das Wochenende ausgeweitet, Gebührenpflicht wurde auch für das Wochenende eingeführt und im Wohngebiet Kickerlingsberg/Poetenweg wurden gebührenpflichtige Stellplätze eingeführt.

Natürlich war die Frage, ob das alles funktionieren würde. Und mit der Eröffnung von Gondwanaland am 1. Juli 2011 sah es dann beinah so aus, dass es mächtig schief gegen würde. Ein paar Leipziger bekamen sich tagelang nicht mehr ein vor Aufregung. In einem Bericht des Verkehrs- und Tiefbauamtes reduziert sich dieses Eröffnungs-Tohuwabohu auf den Satz: “Trotzdem gab es besonders nach der Neueröffnung Gondwanaland Probleme und Rückstau bis über die Nordstraße hinaus, da sich die Kraftfahrer nicht wie vorgesehen einordneten.”

Es dauerte dann nur wenige Wochen, dass sich die meisten autofahrenden Zoobesucher an die neuen Regeln gewöhnt hatten. Die Sache spielte sich ein.Den Bericht hat das Dezernat Stadtentwicklung und Bau auf einen Antrag der Linksfraktion hin im Februar erstmals der Dienstberatung des OBM vorgelegt. Am 16. April kommt dieser erste Bericht zum “Verkehrskonzept Zoo” in den Stadtrat. Praktisch alle eingeleiteten Maßnahmen – vom Parken über die Wegweisung und die frühe Umleitung der Anreisenden auf die Park-and-Ride-Plätze sind mittlerweile angenommen.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Wie zum Beispiel das Einfahrverbot von der Pfaffendorfer Straße in die Parthenstraße. “Die bauliche Umgestaltung der Einmündung Parthenstraße wurde mit Verkehrszeichenregelungen noch besser verdeutlicht. Hier können nur Radfahrer und Busse von der Pfaffendorfer Straße einfahren. Die Ausfahrt ist nur für Radfahrer gestattet”, schreibt das Verkehrs- und Tiefbauamt. “Diese Regelung wird von den meisten Verkehrsteilnehmern akzeptiert. Nur in verkehrsstarken Zeiten nutzen Kraftfahrer bewusst diese vermeintliche Abkürzung vom bzw. zum Parkhaus. – Taxifahrer missachten dagegen häufig die getroffenen Verkehrsregeln, insbesondere das Verbot der Ausfahrt aus der Parthenstraße. Weitere verkehrsregelnde Maßnahmen können hier allerdings keine Änderung herbeiführen.”

Ein wesentlicher Diskussionspunkt vor Einführung des “Verkehrskonzepts Zoo” war aber, ob man die Mehrzahl der Zoobesucher nicht auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umlenken könnte. Und was dafür zu tun wäre. Das Zoo-Ticket für die Straßenbahn war ein Mittel, die verdichteten Taktzeiten der Straßenbahn Linie 12 am Wochenende waren noch viel wichtiger. Das Projekt starteten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) 2012, nachdem schon 2011 die Zahl der Fahrgäste auf der Linie 12 deutlich angestiegen war.

Die Zahlen sind jetzt in der Auskunft des Planungsdezernats zu finden. Wochentags stieg die Zahl der Aussteiger aus der Straßenbahn an der Haltestelle Zoo von 125.489 (2009) auf 166.801 im Jahr 2011. Das Jahr 2010 kann man hier ausklammern, denn durch die Bauarbeiten waren die Zoo-Besucherzahlen in diesem Jahr auf 1,56 Millionen zurückgegangen. Erst mit Gondwanaland gab es 2011 wieder einen Schub nach oben. 2012 wurden über die Wochentage 167.364 Aussteiger gezählt.

Am Wochenende stiegen die Zahlen noch deutlicher. Am Samstag von 27.625 (2009) auf 39.875 (2011) bzw. 44.735 (2012). Die Taktverdichtung 2012 macht sich also recht deutlich bemerkbar. Am Sonntag stiegen die Zahlen von 23.969 (2009) auf 38.942 (2011) bzw. 33.401 (2012). Die Nutzer der Straßenbahn, die am Zoo ausstiegen, vermehrten sich also noch deutlicher als die Besucherzahl des Zoos Leipzig anstieg.

Stiegen die Zoobesucherzahlen um 20 Prozent (bezogen auf 2009) an, so lag der Fahrgastanstieg der Zoo-Straßenbahn bei 27 Prozent. Was im Grunde deutlich zeigt, dass der ÖPNV in den städtischen Verkehrskonzepten im Grunde die tragende Rolle spielt. Und spielen sollte.

Der Rest war ja dann bekanntlich wieder eine Tragik der Verweigerung. 2012 entbrannte – aus ganz ähnlichen Gründen – die Diskussion um ein “Verkehrskonzept Zentralstadion”, das dann so gründlich zerredet und überfrachtet wurde, dass es bis heute keines gibt. Zwischenzeitlich mahnten mehrere Fraktionen – von den Grünen bis zur FDP – ein ganzheitliches Verkehrskonzept für die gesamte Stadt an. Auch das gibt es nicht. Stattdessen verweist die Verwaltung immer wieder auf den überarbeiteten STEP Verkehr, der noch ganz im traditionellen Sinn die Verkehrsarten nach- und nebeneinander betrachtet. Die Konflikte, die dieses Denken mit sich bringt, tauchen immer dann auf, wenn ein örtliches Verkehrsprojekt in die öffentliche Diskussion kommt. Das trifft auf die Könneritzstraße in Schleußig zu, die 2015 gebaut werden soll – und die integrierte Verkehrsbetrachtung genauso vermissen lässt wie die Trassendiskussion in Probstheida, die jetzt gerade auch wieder hochkocht.

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