Während sich das Staatsministerium für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr mit den scheinbaren Erfolgen im Straßenbau schmückt, hagelt es von der Opposition Kritik. Ein einseitig gesetzter Fokus auf den Autoverkehr zu Lasten des ÖPNV und alternativer Mobilität, das Verwenden von Fördermitteln, um Neubau zu forcieren anstatt, wie proklamiert, den Erhalt zu sichern sowie die nicht ausreichend zur Verfügung gestellten Mittel für die notwendigen Sanierungen - all das sind Kritikpunkte an einer geschönten Sanierungsstrategie der schwarz-gelben Staatsregierung.

Aber auch die Verkehrsvereine haben ihre Meinung zur Verkehrspolitik der vergangenen Jahre. Und das nicht nur in Sachsen, sondern auch deutschlandweit. Wir haben mit Anja Smetanin, Pressesprecherin des ökologischen Verkehrsclub VCD, über die Maut, die drohende Instandhaltungskrise, Teilprivatisierung und Vieles mehr gesprochen.

Wie sieht der VCD die nach Informationen des ADAC erfolgten Kürzungen des Etats für Neubau und Erhalt des Bundesfernstraßennetzes in Höhe der eingenommenen Maut? Welche Gründe sind Ihrer Meinung nach dafür ausschlaggebend?

Zunächst einmal der gute erste Punkt bezüglich des Verkehrsetats. Die Bundesregierung hat erkannt, dass der Erhalt Vorrang vor dem Neubau haben muss und dass für den Erhalt zusätzliche Investitionen notwendig sind. Aber unstrittig ist auch, dass insgesamt zu wenig Geld vorhanden ist. Jetzt ist entscheidend, in wieweit der Finanzierungsplan Impulse gibt, um effizienter und zielführender zu investieren. Wo sind Erhaltungsmaßnahmen wirklich notwendig, wo müssen Lücken tatsächlich geschlossen werden? Das müssen die richtigen Fragen sein. Denn es ist nicht zukunftsfähig immer weiter auszubauen. Vielmehr soll die Vermeidung von Verkehr angestrebt werden.

Dass der Etat für das Bundesfernstraßennetz um die Mindereinnahmen der Lkw-Maut gekürzt wird, ist folgerichtig, wenn man sich den Aspekt der Nutzerfinanzierung vor Augen hält. Mit dem vom VCD bereits seit langem geforderten und notwendigen Ausbau der Lkw-Maut auf alle Straßen und für alle Lkw könnten wichtige zusätzliche Mittel generiert werden. Zumal das System bereits eingeführt ist. Die Lkw-Maut, deren Höhe sich nach Fahrleistung, Achsenzahl und Schadstoffklasse bemisst, hat sich seit 2005 als zielführende Straßenbenutzungsgebühr erwiesen. Sie spült heute deutlich über 4 Milliarden Euro in die Kasse. Bislang versteckt sich Verkehrsminister Dobrindt jedoch hinter der EU-Gesetzgebung. Er scheut sich, die externen Kosten stärker zu bepreisen, die durch Schadstoffe und Unfälle entstehen. Und bei seiner Planung zur Ausweitung der Lkw-Maut auf Lkw ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht hat er völlig vergessen, die kleineren Lkw, ab 3,5 Tonnen zu berücksichtigen. Lkw belasten die Straßen, nicht nur die schweren. Darum muss hier zuerst angesetzt werden.

Droht den deutschen Autobahnen eine Instandhaltungskrise?

Nein, nicht wenn die Bundesregierung beginnt zu erkennen, dass die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur insgesamt um den Blick auf die Zukunftsfähigkeit ergänzt werden muss. Statt Stückwerk braucht es eine integrierte Verkehrsplanung. Die Verkehrsinvestitionen müssen stärker in Einklang mit den globalen und nationalen Klima-und Umweltschutzzielen gestellt werden. Und wir brauchen klare Impulse für die Verlagerung der Verkehre auf umweltverträgliche Wege.

Was muss getan werden, um einer Krise zuvorzukommen? Wie sind PPP-Projekte in diesem Zusammenhang zu beurteilen?

Experten und selbst der Bundesrechnungshof kamen erst jüngst zu dem Ergebnis, der privat finanzierte Autobahnbau sei deutlich teurer als öffentlich finanzierte Projekte. ÖPP/PPP-Projekte sind also keine Lösung, auch wenn sie vom Bundesverkehrsminister gerne als bevorzugtes Instrument gesehen werden, um die Finanzierung der Infrastruktur-, insbesondere für Neubauprojekte zu sichern. Mittel generieren geht jedoch auch anders, und intelligenter. Zum Beispiel durch den Ausbau der Lkw-Maut. Wir brauchen eine verursachergerechte Anlastung aller Kosten, sowohl der internen als auch der externen. Zu diskutieren ist darüber hinaus eine mögliche Anhebung der Energiesteuer, früher als Mineralölsteuer bekannt. Seit 2003 wurde sie nicht mehr erhöht. Aufgrund des geringeren Verbrauches von Neuwagen gegenüber dem Verbrauch von Pkw aus dem Jahr 2003 nimmt der Staat bei Benzinern fast einen Euro pro 100 Kilometer, bei Diesel-Pkw ca. 70 Cent weniger ein. Wer also wieder mehr Geld für die Instandsetzung der bestehenden Infrastruktur haben will, sollte die Mineralölsteuer nicht zu einem Tabu erklären.

Wie lautet die grundlegende Kritik des VCD am Bundesverkehrswegeplan?

Bislang wurde wieder nur eine Liste mit Wünschen eingereicht, die auf Wachstum ausgerichtet ist. Immer weiter hinterher bauen, so das Motto. Erneut fehlt ein konsequenter, übergreifender Blick darauf, was tatsächlich notwendig ist, um nationale bzw. europäische Linien zu verbinden.

Zwar wird im Bundesverkehrswegeplan dem Erhalt vorhandener Infrastrukturen Vorrang gegeben, zusammen mit einer stärkeren Fokussierung auf die Beseitigung von Engpässen und der Priorisierung der überregionalen Verkehrsachsen, dennoch bleibt es im Großen und Ganzen beim Alten. Die Politik geht von einem Verkehrswachstum aus und versucht aktionistisch, diesem mehr Raum zu geben.

Wenn wir die Klimaziele erreichen und eine bezahlbare Mobilität für alle Menschen mit weniger schädlichem Verkehr sicherstellen wollen, müssen wir das Prinzip umdrehen. Dazu gehört aus Sicht des VCD: Die vorhandene Infrastruktur effizienter zu nutzen, verkehrsträgerübergreifend zu denken. Und Wir brauchen einen Finanzierungsplan mit stärkerer Nutzereinbindung.

Fazit: Damit wir Wirtschaftswachstum und Lebensqualität garantieren, brauchen wir nicht mehr Verkehr und mehr Straßen, sondern Intelligenz als Lösungsansatz.

Wo müssen nach Ansicht des VCD in den nächsten Jahren die Schwerpunkte im Straßenbau liegen?

Ganz klar beim Erhalt vor Neubau! Vor allem viele Brücken sind marode und müssen saniert werden.

Wie ist der Standpunkt des VCD zur Teilprivatisierung von Autobahnen?

Die Teilprivatisierung von Autobahnen sehen wir sehr kritisch. Oft vergehen viel Zeit und erhebliche administrative Ressourcen, bis die Genehmigungen und Gelder für Unternehmen gewährt werden. Dringend notwendige Sanierungen werden dadurch unnötig verzögert. Darüber hinaus ist dieses Finanzierungsmodell nicht zwangsläufig günstiger.

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