Das wohl heißeste Thema zur Ratsversammlung am 25. Februar wird die Entscheidung zum neuen STEP Verkehr (Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum). Um den Modal Split, der im 100-Seiten-Papier erwähnt wird, wurde ja schon heftig gestritten. Aber jetzt kommt auch schon aus dem ersten Leipziger Stadtteil - aus Gohlis - die Mahnung: Schluss mit dem Eiertanz. Beschließt das Ding endlich.

Die AG “Mobilität und Verkehr“ des Bürgervereins Gohlis hat sich mit einem Offenen Brief an die Stadträte gewandt und fordert sie darin zur positiven Beschlussfassung des STEP “Verkehr und öffentlicher Raum” auf. Denn es stecken zwei Jahre Arbeit drin – in Arbeitsgruppen und zuletzt am Runden Tisch, wo das ganze Papier in zwölf Marathon-Sitzungen durchgeackert wurde.

Ob es schon auf dem Stand ist, den eine moderne Verkehrsorganisation in Leipzig braucht, das bezweifelt nicht nur die CDU-Fraktion, für die der Wirtschaftsverkehr einfach zu wenig berücksichtigt ist im Papier. Die Frage ist durchaus berechtigt: Muss eine Stadt wie Leipzig, wenn sich denn das ganze Verkehrsgeschehen sichtlich ändert und verdichtet, nicht auch die Belange des Wirtschaftsverkehrs neu denken? Das reicht von der zunehmenden Mobilität der Pflegedienste bis zur Modellstadt Elektromobilität (die Leipzig gern sein möchte, aber noch nicht ist).

Und auf der anderen Seiten ist die wichtigste umweltfreundliche Verkehrsart – der ÖPNV – völlig unterbelichtet, findet die Linksfraktion. Wer den Anteil von Bus und Bahn an den Wegen der Leipziger von 16 auf 20 oder gar 25 Prozent kriegen will, der muss investieren. Der kann nicht das existierende System immer nur knapp auf Kante fahren.

Aber schon diese Sichtweisen zeigen: Wenn man erst einmal die Ansprüche benennt, die im Entwurf des neuen STEP zwischen den Zeilen stecken, dann braucht man eigentlich ein völlig neues Papier – wesentlich konsequenter, straffer, das die längst existierenden Probleme klar benennt (und nicht in seitenlangen Werbetexten versteckt), Lösungen dafür definiert und in der Konsequenz ein Gesamtverkehrskonzept formuliert, in dem die einzelnen Verkehrsarten dann ihren Platz finden). Das ist der STEP Verkehr eindeutig noch nicht.

Aber um dahin zu kommen – und da kennen sich alle Teilnehmer am zwei Jahre dauernden Diskussionsprozess gut genug – braucht es mindestens noch einmal so viel Zeit. Wahrscheinlich mehr, weil es auch ein Umdenken bedeutet, hin zu einem echten Gesamtkonzept, das auch die Anforderungen der Zukunft definiert.

Aufruf des Bürgervereins Gohlis e.V.

Der jetzige Entwurf schreibt ja in weiten Teilen den STEP Verkehr von 2003 fort. Da und dort auch mit kleinen Fortschritten, wie auch die Mitglieder der AG „Mobilität und Verkehr“ des Bürgervereins Gohlis e.V. finden, die die Stadträte nun auffordern, den in den letzten zwei Jahren gemeinsam von den Bürgern der Stadt Leipzig, der Stadtverwaltung, externen Experten und den Vertretern des Runden Tisches entwickelten Leitlinien für die zukünftige Verkehrsplanung der Stadt Leipzig – ohne nachträgliche inhaltliche Veränderungen – in der nächsten Ratsversammlung am 25. Februar zu beschließen.

“Nur so kann dieser im Anschluss zügig umgesetzt werden”, erklärt dazu Peter Niemann, Vorsitzender des Bürgervereins Gohlis. “In den Augen der Mitglieder der AG ist das von der Stadt initiierte Verfahrenskonzept ein positives und vorbildliches Beispiel gelebter Bürgerbeteiligung und politischer Willensbildung. Die von einzelnen Akteuren der Leipziger Wirtschaft angestrebte nachträgliche Änderung der STEP-Leitlinien versucht, diesen erarbeiteten inhaltlichen Konsens aufzuweichen und wird von der AG aufs schärfste zurückgewiesen. Unverständnis herrscht, da die Vertreter der Leipziger Wirtschaft in dem Prozess der letzten Jahre fest involviert waren.”

Aber nicht nur um die Mahnung an die gewählten Stadträte geht es. Es geht auch ein wenig um den eigenen Ortsteil, der längst genauso unter der Überforderung des vorhandenen Straßenraums zu leiden hat: Parkplatzmangel, Stop and Go im Berufsverkehr, elend lange Ampel- und Wartezeiten für alle Verkehrsteilnehmer, mal gute und oft genug miserable Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger. Nicht ohne Grund hat der Leipziger Ökolöwe hier 2010 seine Mitmach-Werkstatt “Mach’s leiser” initiiert: Der Leipziger Norden leidet gleich mehrfach unter Verkehrslärm.

“Eine weitere Stärkung des Fußgänger- und Fahrradverkehrs sowie des ÖPNV ist schon allein eine logische Konsequenz aus dem für Leipzig prognostizierten weiteren Bevölkerungswachstum, das auch zumindest anteilig eine weitere Verdichtung der Wohn- und Verkehrsfunktionen in der Stadt nach sich ziehen wird”, sagt dazu Peter Niemann. Und betont noch einmal, warum gerade das für den Wirtschaftsverkehr sogar gut ist: “Durch die Stärkung von Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie des ÖPNV entstehen die notwendigen Freiräume für die Nutzung des Leipziger Straßennetzes für den erforderlichen Individual- und Wirtschaftsverkehr.”

Zu der AG „Mobilität und Verkehr“ gehören Vertreter des Bürgerverein Gohlis e.V., Mitglieder der Bürgerinitiative „Gegen Schall und Rauch“ sowie Bürgerinnen und Bürger aus Gohlis.

Der Offene Brief zum STEP Verkehr an den Oberbürgermeister und die Stadträte als pdf zum Download.

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