Man kann sich deftig streiten um den Entwurf zum neuen Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und öffentlicher Raum. Man kann das 100-Seiten-Paket auch ganz nüchtern angehen, finden drei Leipziger Stadträte. Sie haben auch gleich mal den Berg von Beschlüssen durchgewühlt, die in der jüngsten Vergangenheit zu diesem Thema schon gefällt wurden. Und siehe da: Es gibt auch einen zum Modal Split.

Denn darum streiten sich ja die Geister seit November: Ist die Zahl zu ambitioniert? Macht das überhaupt Sinn, eine höchst ambitionierte Zahl in den STEP zu schreiben, ohne dass absehbar ist, dass Leipzig überhaupt das Geld und die Kraft hat, die Verkehrsstrukturen derart deutlich umzubauen, dass die Werte auch nur annähernd erreicht werden?

Im Entwurf, wie er seit Dezember zur Abstimmung im Leipziger Stadtrat steht (und nun schon zwei Mal verschoben wurde) ist auf Seite 5 zu lesen: “Die Stadt Leipzig hält an den Zielen für die Entwicklung der stadtverträglichen und umweltfreundlichen Verkehrsarten fest. Der Anteil des Umweltverbundes an den Wegen der Leipziger in der Stadt im Personenverkehr soll bis 2025 auf mindestens 75 % steigen (Aufteilung z.B. 30 % Fußverkehr, 20 % Radverkehr, 25 % ÖPNV), langfristig wird eine weitere Steigerung angestrebt.” Auch mit dem hübschen Satz, der auf die Bauchschmerzen der CDU-Fraktion eingeht: “Durch diese Verkehrsverlagerung verbessern sich auch die Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr.”

Was aber nichts daran ändert, dass diese Zahlen zwar wünschenswert sind – aber realistisch sind sie wohl nicht.

Und was dazu kommt: Im ersten Entwurf des STEP, wie er vor einem Jahr diskutiert wurde, standen noch andere Werte – nicht ganz so hochgelegt. Und wahrscheinlich tut es niemandem weh, sie auch wieder genau so in den STEP Verkehr zu schreiben, der ja keine Planungsgrundlage ist und auch der Stadtverwaltung kein Instrument in die Hand gibt, die hier niedergeschriebenen Ziele zu erzwingen. Er ist aber das, was OBM Burkhard Jung (SPD) gern “Leitplanken” nennt: Ein Korridor, auf den die Stadt in ihrer Verkehrsplanung hinarbeiten will. Was für die Verkehrsarten, die im Alltagsverkehr der Leipziger deutlich zulegen sollen, natürlich bedeutet, dass sich deren Finanzierung verbessern muss. Anders geht es nicht.

Den Kfz-Verkehr jetzt mit Macht auf 25 Prozent zu drücken, das war auch in der Diskussion um den STEP Verkehr nicht beabsichtigt, stellen nun die drei verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen von SPD, Linken und Grünen im Leipziger Stadtrat – Matthias Weber, Franziska Riekewald und Daniel von der Heide – fest: “Der Änderungsantrag beinhaltet die Werte für den Ziel Modal Split aus dem Entwurf des STEP Verkehr und öffentlicher Raum vom Januar 2014. Die Vorlage mit den o.g. Zahlen war das Ergebnis einer mehrjährigen Diskussion des Runden Tisches und eines der größten Bürgerbeteiligungsverfahren in Leipzig überhaupt.”

Und sie formulieren als Antrag: “Der Beschlussvorschlag wird im Punkt 2 Die Planungsgrundsätze des Stadtentwicklungsplanes (Kapitel 1) Abschnitt 3 ‘Stadt- und umweltverträgliche Organisation des Verkehrs fördern“ wird im 2. Absatz mit folgender Änderung beschlossen: Die Stadt Leipzig hält an den Zielen für die Entwicklung der stadtverträglichen und umweltfreundlichen Verkehrsarten fest. Ebenso kommt der Sicherung des Wirtschaftsverkehrs besondere Beachtung zu. Der Anteil des Umweltverbundes an den privat zurückgelegten Wegen der Leipziger in der Stadt (Modal Split) soll bis 2025 auf mindestens 70 % steigen (davon 27 % Fußverkehr, 20 % Radverkehr, 23 % ÖPNV), langfristig wird eine weitere Steigerung angestrebt. […].”

Das wäre dann die Rückkehr zur Ausgangsformulierung, die auch mehr Sinn macht, wenn man die Ausgangslage selbst mitbedenkt, im STEP-Entwurf so beschrieben: “Danach wurden 2008 knapp 40 % der werktäglichen Wege der Leipziger in Leipzig mit dem Auto zurückgelegt, 27 % zu Fuß, 19 % mit öffentlichen Verkehrsmitteln und 14 % mit dem Fahrrad.”

Neuere Zahlen hat Leipzig noch immer nicht, obwohl die schon 2012 vorliegen sollten. Was die Diskussion um den Modal Split noch seltsamer macht. Aber es ist nahe liegend, dass man eine drastische Steigerung des ÖPNV von 19 auf 25 Prozent mit den derzeitigen Finanzierungen nicht erreichen kann. Und das Wegducken der Stadtverwaltung bei der Finanzierung der LVB oder den durchgewinkten Fahrpreiserhöhungen sprechen wohl Bände. Wer ÖPNV-Politik so hinwurstelt, wird niemals 25 Prozent aller Wege mit Bus und Bahn erreichen. Schon allein deshalb nicht, weil die Bahnen in der Hauptverkehrszeit jetzt schon vollgestopft sind wie Heringsfässer. Und ebenso ambitioniert (und keineswegs mit einem wirklich nachhaltigen Konzept unterlegt) ist der Traum, den Anteil des Radverkehrs von 14 auf 20 Prozent zu heben. Aber das halten Riekewald, Weber und von der Heide zumindest für realistisch.

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