Seit dem Dezember schwirrt eine neue Verwaltungsvorlage durch den Stadtrat, mit dem die Deckelung der Zuschüsse für die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) für 2015/2016 beschlossen werden soll. Nicht nur die Linksfraktion fand das seltsam. Die Grünen finden die Vorlage sogar irreführend. Denn wie die Stadt die Deckelung der 45 Millionen begründet, steht nirgendwo zu lesen.

Zwar findet sich in der Vorlage eine Übersicht über die Zahlungen der Stadt an die LVB. Gleichzeitig wurden Zuschüsse über die bekannten 45 Millionen Euro pro Jahr hinaus in der Ratsversammlung als rechtlich bedenklich dargestellt, weil sie mit EU-Beihilferecht nicht konform wären.

“Auf der einen Seite werden Zuschüsse über 45 Millionen Euro hinaus an die LVB als beihilferechtlich problematisch dargestellt, auf der anderen Seite wird betont, dass die LVB deutlich mehr Geld aus dem städtischen Haushalt bekommen. Beides ist nicht falsch, aber es zeigt, dass man sehr genau darauf achten muss, über welche Leistungen gesprochen wird bzw. auf welchen Anspruch die Zahlungen an die LVB gründen”, kommentiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Vorlage.

Wer die kleine Kostenrechnung anschaut, wird erst einmal verblüfft feststellen, dass die Stadt 2015 augenscheinlich über 12 Millionen extra an die LVB ausgereicht hat. Aber alle aufgeführten Posten haben nichts mit der vertraglich vereinbarten Leistungserbringung der LVB zu tun.

9,8 Millionen Euro sind sogar ein reiner Durchlaufposten: Das ist Geld, das etwa der Freistaat als Ausgleichszahlung für den Ausbildungsverkehr (insg. 7,9 Millionen Euro) leistet oder Geld vom Landkreis oder vom ZVNL, mit dem überregionale Busverkehre bezahlt werden.

1,3 Millionen vom Sozialamt sind nichts anderes als der Ausgleichsbetrag, den die Stadt leistet, um das Sozialticket zu ermöglichen. Mit rund 250.000 Euro stützt das Kulturdezernat die Eintrittskarten von Oper, Gewandhaus und Schauspiel, damit sie am Vorstellungstag auch gleichzeitig als Fahrschein bei den LVB gelten.

Für den Schülerverkehr und den Ferienpass gibt die Stadt noch extra rund 760.000 Euro.

Und 2 Millionen Euro tauchen nur auf, weil der Stadtrat 2015 das Geld zum Ankauf neuer Straßenbahnen bewilligt hat. All das hat mit der eigentlichen Beförderungs-Beauftragung nichts zu tun. Aber die Grundkosten dieser Beauftragung findet man in der ganzen Vorlage nicht. So dass nicht nur die Grünen grübeln, ob denn nun 45 Millionen Euro zur Sicherung dieser Leistung ausreichen oder schon längst zu wenig sind.

“So lange unklar ist, wie viel Geld die LVB für die Leistungen aus der Betrauung beihilferechtskonform erhalten können, also wie hoch die Kosten aus der Betrauung mit den gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen sind, ist eine rechtliche Bewertung wenig hilfreich”, sagt Daniel von der Heide. “Es wäre doch erstaunlich, wenn die Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen in den letzten Jahren stabil geblieben wären trotz allgemein bekannter Kostensteigerungen. So suggeriert es die Verwaltung, wenn die 45 Millionen Euro seit Jahren nicht erhöht wurden und eine Erhöhung beihilferechtlich gar nicht möglich sein soll.”

Gleichzeitig jammern MDV, Stadt und LVB jeden Herbst, die verfügbaren Gelder würden nicht ausreichen, den ÖPNV zu finanzieren. In den nächsten Jahren kämen gar enorme Kostensteigerungen auf den ÖPNV zu. Was nur stimmt, wenn man die ganz normalen Inflationsraten als außergewöhnliche Kostensteigerungen betrachtet. 5 Prozent mussten die Leipziger ÖPNV-Nutzer im Jahr 2015 mehr zahlen, weil die Tarife wieder einmal “angepasst” wurden. Nur die Stadt Leipzig lässt den Zuschuss an die Verkehrsbetriebe seit 2012 bei 45 Millionen Euro.

Selbst wenn man nur eine zweiprozentige Kostensteigerung zugrunde legt, hätten sich die Zuschüsse für die LVB jedes Jahr um 1 Million Euro erhöhen müssen. Heißt im Klartext: 2015 hätten schon die von der Linksfraktion geforderten 48 Millionen Euro fließen müssen, 2016 müssten es 49 Millionen sein, um auch nur das Finanzierungsniveau von 2012 zu halten.

Den ganzen Unfug mit Landes- und Kreiszuschüssen kann man eh weglassen. Diese Gelder flossen auch schon, als die LVB noch 50 oder gar 60 Millionen Euro von der Stadt als Zuschuss bekamen.

“Die Verwaltung scheint sich dabei nicht immer einig zu sein, wie die Finanzierung der LVB zu bewerten ist: Wofür ist die Übersicht über die Zahlungen der Stadt an die LVB hilfreich, wenn diese sich gar nicht auf die Betrauung der LVB mit den Verkehrsleistungen beziehen? Um genau diese Leistungen geht es aber in der Vorlage”, sagt Daniel von der Heide. Er hätte auch sagen können: Mit dieser Vorlage werden wir als Stadträte regelrecht auf den Arm genommen. Sie ist eine Zumutung.

“Wir fordern hier maximale Transparenz um eine sachgerechte Diskussion zu ermöglichen! Daher begrüßen wir, dass die Übersicht über die weiteren Zahlungen öffentlich einsehbar ist. Wir fordern aber darüber hinaus eine Veröffentlichung der Kosten der LVB für die gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen, weil nur dann eine Bewertung der 45 Millionen Euro, sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich, möglich ist”, sagt von der Heide.

Die LVB erbringen Verkehrsleistungen sowohl eigenwirtschaftlich, also kostendeckend, als auch gemeinwirtschaftlich, also Leistungen, die nicht kostendeckend zu erbringen sind und für die daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen besteht. Der Umfang der Gesamtleistung sowie die Aufteilung in eigenwirtschaftlich und gemeinwirtschaftlich ist bisher nicht transparent veröffentlicht worden. Und das, obwohl Stadt wie LVV zugesagt hatten, dem Stadtrat eine entsprechende Trennungsrechnung vorzulegen. Das wollen sie jetzt erst 2017 tun, spielen also bei diesem Thema wieder auf Zeit.

In der Begründung zur Vorlage Nr. 1868 wird nur dargestellt, dass ein entsprechender Bericht erstellt wurde, dieser wurde aber nicht als Anlage zur Verfügung gestellt.

“Falls die Verwaltung keine umfassende Darstellung und Bewertung der einzelnen Bausteine der ÖPNV-Finanzierung erstellen kann, sollte sie gegebenenfalls die bbvl damit beauftragen. Es ist jedenfalls sehr wichtig, dass wir möglichst schnell eine echte Grundlage für die Diskussion über die Nahverkehrsfinanzierung in Leipzig bekommen”, erklärt von der Heide.

Schon 2014 hat der damalige Stadtrat der Linken, Jens Herrmann-Kambach, nachgefragt, ob die 45 Millionen überhaupt noch dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag entsprechen. Dabei hat er auch direkt aus der EU-Regelung zitiert. Und 2014 war ja für die Leipziger Fahrgäste des ÖPNV schon deutlich spürbar, dass da etwas nicht stimmte.

Auszug aus dem Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 29.03.14:
“2.4.5.

Artikel 4 Absatz 1. Gestaltung von Ausgleichsregelungen zur Effizienzsteigerung
In Erwägungsgrund 27 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird ausgeführt, dass die Parameter für die Ausgleichsleistung bei Direktvergabe oder allgemeinen Vorschriften so festzusetzen sind, dass die Ausgleichsleistung angemessen ist und „der angestrebten Effizienz und Qualität der Dienste“ Rechnung trägt.

Dies bedeutet, dass die zuständigen Behörden durch den Ausgleichsmechanismus Anreize schaffen sollten, damit die Dienstleistungserbringer effizienter arbeiten und die Dienstleistung in dem geforderten Umfang und der geforderten Qualität mit möglichst geringen Ressourcen erbringen.
…..
Anreize zur effizienteren Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollten jedoch nicht zu Qualitätseinbußen führen. Im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist Effizienz als das Verhältnis zwischen der Qualität oder dem Niveau der öffentlichen Dienstleistungen und den für deren Erbringung eingesetzten Ressourcen zu verstehen. Effizienzanreize sollten deshalb sowohl auf eine Kostensenkung als auch auf eine Steigerung der Qualität oder des Niveaus der Dienstleistungen ausgerichtet sein.”

Wie bewertet es die jetzige Vorlage?

Genau das aber hat die Stadt im Umgang mit den LVB völlig auf den Kopf gestellt. Selbst in der jetzigen Verwaltungsvorlage heißt es dazu eindeutig: “Aus beihilferechtlichen Gründen darf der Höchstbetrag nicht oberhalb der Summe des sich aus den einzelnen Finanzierungskomponenten ergebenden Gesamtbetrages liegen. Die seit 2009 anhand einer Trennungsrechnung vorgelegte Fortschreibung der Parameter der Aufwendungen für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bzw. die vorliegenden Verwendungsnachweise haben aber aufgezeigt, dass die Anspruchshöhe für die geleisteten  gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen deutlich über diesem Maximalbetrag gemäß VLFV  liegt.

Das heißt nun einmal, dass die LVB für die vertraglich vereinbarten Leistungen mehr Geld aufwenden, als sie von der Stadt bzw. der LVV bekommen. Und für diesen Mehraufwand werden Sommer für Sommer die Fahrgäste zur Kasse gebeten, ohne dass die LVB die nötigen Spielräume gewinnen, die Qualität spürbar zu verbessern.

Die Begründung der Vorlage.

Welche Gelder für zusätzliche Leistungen an die LVB fließen.

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Es gibt 2 Kommentare

Wenn sogar schon der Stadtrat, welcher sich leider viel zu wenig ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, mit dieser Vorlage dermaßen veralbert wird: wer sonst soll hier bitte einmal Klarheit schaffen und diesen Verein auf das Gleis bringen, welches schon seit Jahren Ziel sein sollte?
:
Ein attraktives öffentliches NV-System, welches die Bürger zum Nutzen anregt!

Stattdessen werden Strecken gestrichen, Preise erhöht, rumgeprotzt, Werbekampagnen gefahren,

2013 ging das Verhältnis MIV:ÖPNV um einen Punkt zu Ungunsten des ÖPNV zurück!

Warum wohl…?

>Gleichzeitig jammern MDV, Stadt und LVB jeden Herbst, die verfügbaren Gelder würden nicht ausreichen, den ÖPNV zu finanzieren.

Stimmt nicht ganz: Die LVB (jedenfalls der bekannte Geschaeftsfuehrer) jammern nicht ueber die verfuegbaren Gelder. Vielmehr wird der Popanz aufgebaut, man kaeme mit der Deckelung zurecht.

(Indem man das Fahrangebot hie und da ein klein wenig beschneidet, bekuerzt etc., vor allem, wenn eine irgendwo liegende Baustelle als Begruendung herhalten kann – die Fahrgaeste sind aber nicht mehr ganz so treudoof, wie die LVB es gerne noch haetten).

Dem ganzen Vorgang LVB-EU ist deutlich anzumerken, dass es unterm Popo mittlerweile ganz schon heiss geworden ist.

Die LVB werden sich in der aktuellen Rechtsform nicht mehr lange halten (vom Namen her sind sie schon so etwas wie eine Unternehmensparte des grossen L).

Aber ich weine den LVB definitiv keine Traene mehr nach. Die dortige Plueschetage hat in ihrem Narzissmus die Zeitlaeufte verschlafen.

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