Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 70, seit 23. August im HandelDie Straßen (und Fußwege) sind voller Autos. Seitdem das Auto kein Luxusgut mehr ist, sind Parkplätze in der Stadt rar. Forscher der TU Dresden und sechs Unternehmen haben für Parkhäuser so eine Idee, wie die Zukunft des Parkens aussehen und der öffentliche Parkraum besser ausgelastet werden könnte. Dr. Oliver Crönertz, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der HTWK, und sein Team sollen Ideen entwickeln, wie diese Idee auf dem Markt Erfolg haben könnte. Future Parking made in Leipzig und Dresden also?

Herr Dr. Crönertz, was ist das Revolutionäre an der Idee des Future Parking?

Das Revolutionäre ist weniger die reine Technologie, sondern mehr die Anwendungsszenarios, die sich daraus ergeben. Das was man als Normalbürger im Outdoorbereich schon kennt, das Navigieren, das wird im Indoor-Bereich beim Autofahren möglich. Mit Future Parking habe ich keine Unterbrechung der Navigation an der Schranke mehr und kann dann bis zum Parkplatz navigieren. Außerdem gibt es gewisse Zusatzdienste.

Die innerstädtische Logistik könnte Micro-Hubs einrichten und Parkhaus-Nutzer könnten ihre Parkplätze am Tag untervermieten, wenn sie selbst mit dem Auto auf der Arbeit sind. So bekämen wir mehr Autos von den Straßen. Ein älteres Ehepaar könnte beispielsweise die Nummer ihrer Parkbucht per App melden und ein Mitarbeiter des Flughafens könnte die Koffer zum Checkin abholen.

Für den Parkhausbetreiber gäbe es einen Mehrwert, weil er in Echtzeit Auswertungen ausführen kann, welche Flächen belegt sind, welche Verkehrswege stark frequentiert sind. So kann ich als Nutzer meine Reise eher planen, weil ich schon vorher einen Platz im Parkhaus reservieren kann beziehungsweise schon beim Losfahren sehe, in welchem Parkhaus wie viele Plätze frei sind.

Wie soll dies technisch funktionieren?

Voraussetzung ist, dass ein Parkhaus mit gewissen Hard- und Softwarekomponenten ausgestattet werden muss. Das Parkhaus braucht eine digitalisierte Orientierungskarte, es müssen Antennen nachgerüstet werden. Dafür muss man nicht sehr tief baulich eingreifen, denn die Bestandsparkhäuser sind uns sehr wichtig.

Der Parkhausnutzer bekommt an der Schranke einen Coin, der die Parkkarte ersetzt und eine spezielle App muss er auf dem Handy haben. Auf der sind alle teilnehmenden Parkhäuser verfügbar. Wir hoffen, dass die Software irgendwann auch in den großen Navigations-Apps integriert ist. Die App navigiert den Fahrer dann zum nächsten freien Parkplatz im Parkhaus.

Die funkbasierte Technik ist dabei GPS-unabhängig und ermöglicht eine cm-genaue indoor-Ortung und Navigation. Es wird dabei ein besonders stabiles Netz aufgebaut, da nicht nur die Antennen in Verbindung stehen, sondern die Coins in den Autos zusätzlich untereinander ein Netzwerk aufbauen. Auch Gegenstände ohne Coin können über eine Radar-Auswertung identifiziert und vermessen werden.

Was wäre mit denen, die kein Smartphone haben?

Dafür müsste man eine Fallback-Lösung einrichten. Den Coin könnte jeder bekommen, aber die Navigation muss man nicht nutzen, beziehungsweise ermöglicht sie weitere Dienste.

In welchem Projektstadium befindet sich Future Parking?

In der technischen Entwicklung wird ein erster öffentlicher Feldtest im vierten Quartal im BIC Parkhaus in der Weißenfelser Straße stattfinden. Es gibt also bereits einen frühen Protoypen des Coins und dieser Antennen. Von der App gibt es bisher Konzepte.

Wofür sind Sie zuständig? Sie haben die Vertretungsprofessur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre inne

Wir als HTWK begleiten das Technologie-Projekt bei der Identifikation von geeigneten Geschäftsmodellen. Dafür führen wir Befragungen mit Parkhausnutzern durch, unter anderem am Flughafen oder in der Innenstadt. Es gibt auch eine Online-Befragung für die Stadt Leipzig. In den Befragungen können die Parkhaus-Nutzer ihre Vorlieben und ihre Befürchtungen äußern.

Wir schauen uns auch Alternativprodukte an, die es bereits gibt, analysieren bestehende Parkhäuser in Deutschland je nach technischer Ausstattung, Größe, Betreiber, Schwerpunktnutzer etc. Außerdem führen wir Interviews mit Experten aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft. Aus den Analysen empfehlen wir dann, ob und wie man ein Unternehmen aufbauen könnte, wie man die Technologie vertreiben könnte. Wir machen also eine Art Projektunternehmensberatung.

Wir heißt…

Wir haben ein studentisches Team von fünf Studierenden: angehende Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker, die teilweise sogar ihre Bachelor-/Masterarbeit darüber schreiben. Unser Projekt wird im Auftrag des Amts für Wirtschaftsförderung in Leipzig durchgeführt, welches genau das Ziel hat, Technologie mit einem regionalen Nutzen zu entwickeln.

Die Technologie wird von sechs Unternehmen und der TU Dresden erstellt und vom Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen koordiniert. Diese Zusammensetzung ist ideal. Ich würde mir wünschen, dass es häufiger schon zeitig im Projekt einen wirtschaftlichen Sparrings-Partner wie uns gibt, der die möglichen Geschäftsmodelle beleuchtet.

Welche Schritte sind noch notwendig bis Future Parking auf den Markt kommt?

Einerseits natürlich die technologische Fortentwicklung aus dem Feldtest und der App. Unsererseits sollen die Befragungen bis Ende August abgeschlossen sein. Bis Ende September läuft unsere Analyse, dann präsentieren wir die Befragungsergebnisse und Analysen und schlagen dann Geschäftsmodelle vor.

Was wäre denn ein denkbares Geschäftsmodell?

Es bewegt sich in folgender Spannbreite: Es könnte eine Lizenzierung für Parkhaus-Ausstatter geben oder das andere Extrem: Die Projektpartner bauen ein eigenes Unternehmen auf und bieten die Technologie Parkhaus-Betreibern an.

Was würde Future Parking den Einzelnen und die Parkhäuser kosten?

Letztendlich ist das ein Paket, was den Parkhausbetreibern angeboten werden soll, eine Infrastrukturinvestition wenn man so will. Die App wird vermutlich kostenfrei sei. Der Parkhausbetreiber muss die Kosten erwirtschaften. Das könnte durch eine bessere Auslastung gelingen, er kann aus der Untervermietung der Parkplätze mitverdienen oder an der Mikrologistik.

Die Parkhäuser sind doch nachts leer, da könnten beispielsweise Zeitungslieferanten ihre Ware lagern bis sie morgens verteilt wird. So werden die Straßen auch wieder etwas leerer. Das Projekt soll Ende 2020 abgeschlossen sein. Ich würde mich als Forscher und sicher auch die Leser und Anwender freuen, wenn wir das Projekt gemeinsam „auf die Straße bringen“ könnten.

Weitere Informationen unter: www.future-parking.de

Probefahrt, Reparaturbetrieb und die erstaunliche Frage nach der Mündigkeit in einem kontrollbesessenen System

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