Es sagt auch wieder ein wenig über die Behäbigkeit und Selbstgerechtigkeit von Ämtern aus, was Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, jetzt zu den Unfallschwerpunkten im Freistaat erfuhr. Gerade gefährliche Orte für Radfahrer fallen bei den Verkehrsbehörden immer wieder unter den Tisch. Der Verkehrsminister soll sie gar verheimlicht haben, kritisiert Böhme.

In Sachsen werden die angezeigten Unfälle von der Polizei in einer Elektronischen Unfallsteck-Karte erfasst. Die Behörden sind verpflichtet, Unfallkommissionen zu bilden und besonders heikle Punkte, sogenannte Unfallhäufungsstellen, unverzüglich anzugehen und zu entschärfen. Untersuchungen der AG Unfallkommission von Polizei und Landesbehörden und die Antworten auf eine Große Anfrage der Linksfraktion „Unfallverhütung im Straßenverkehr in Sachsen“ haben jetzt gezeigt, dass viele Unfallhäufungsstellen jahrelang bekannt sind und dennoch nicht angegangen werden.

In Dresden ist jeder vierte und in Leipzig jeder dritte besonders gefährliche Ort für Menschen, die sich auf dem Fahrrad fortbewegen, seit vier Jahren bekannt, ohne dass etwas zur Entschärfung der Unfallschwerpunkte getan wurde, kritisiert Böhme. Oft dauern die Verfahren zur Entschärfung mehrere Jahre. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) aber wache als oberste Verkehrsbehörde des Freistaat Sachsen über die Verkehrssicherheitsarbeit, also auch die Unfallverhütung, stellt der Landtagsabgeordnete fest.

In Leipzig fällt auf, dass nicht nur die eher bekannten Unfallschwerpunkte in der Jahnallee auftauchen, sondern noch etliche weitere Orte, die für Radfahrer hochgefährlich sind, so die Ecke Grünewaldstraße/Brüderstraße, die Ecke Täubchenweg/Gutenbergplatz, aber auch die Einmündung der Löhrstraße in den Tröndlinring, die Kreuzung Nürnberger Straße/Seeburgstraße oder auch die Kreuzung Hohe Straße/Karl-Liebknecht-Straße.

Markierte Orte, an denen vermeidbare Tragödien stattfanden. Ein weiteres Ghostbike am Wilhelm-Leuschner-Platz. Foto: L-IZ.de
Markierte Orte, an denen vermeidbare Tragödien stattfanden. Ein weiteres Ghostbike am Wilhelm-Leuschner-Platz. Foto: L-IZ.de

„Alle Daten zu Anzahl, Ort und Dauer von Unfallhäufungsstellen in Sachsen liegen elektronisch vor. Ich wollte diese Daten haben, weil die Behörden, insbesondere die Straßenverkehrsbehörden in Dresden und Leipzig, oft nichts gegen die Unfallgefahren tun“, erklärt Marco Böhme. „Der Verkehrsminister beantwortete aber auch meine konkreten Nachfragen zu Unfallhäufungen und Arbeit der Verkehrsunfallkommission in Dresden und in Leipzig nicht, da es angeblich zu großen Aufwand bedeute, die Daten zusammenzustellen. Und das bei sowieso elektronisch vorhandenen Informationen. Das SMWA zeigt einmal mehr, was es für eine Dinosaurierbehörde ist. Aber auch das Innenministerium scheint sich damit zufriedenzugeben, Unfälle aufzunehmen und zu dokumentieren.“

Nach seiner Ansicht ist es die eigentliche Aufgabe der Staatsregierung, die Unfallvermeidung und Gefahrenabwehr voranzutreiben.

„Dazu gehört auch, dass die sowieso vorhandenen Daten ausgewertet und entsprechende Schlüsse gezogen werden“, findet Böhme. „Zum Beispiel könnte der Innen- und Verkehrsminister die Straßenverkehrsbehörden in Dresden und Leipzig deutlich stärker in die Pflicht nehmen, endlich etwas gegen die hohen und besorgniserregenden Unfallzahlen zu tun. Gerade dort wollen sich viele Menschen zu Fuß (Schulwege!) und oder mit dem Fahrrad fortbewegen. Die Verkehrswende ist aber nur mit einer konsequenten Unfallverhütung zu schaffen.“

Wenn gerade Radfahrer in einem zunehmend turbulenten Verkehrsgeschehen übersehen werden

Wenn gerade Radfahrer in einem zunehmend turbulenten Verkehrsgeschehen übersehen werden

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