Nicht nur die Ratsfraktionen beschäftigen sich intensiv mit dem neuen Leipziger Nahverkehrsplan und all den Löchern, die er noch enthält. Auch das Jugendparlament hat sich des Themas jetzt angenommen. Während andere bereits in Jahresendstimmung kommen, arbeitet das Jugendparlament der Stadt Leipzig auch im Dezember noch intensiv. In der Sitzung am Donnerstag, 5. Dezember, wurden allein vier Beschlüsse zum Thema Nahverkehr gefasst.

Das Jugendparlament positionierte sich mit seinen Anträgen, über die dann der gewählte Stadtrat entscheiden muss, erneut positiv zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und begrüßte daher die am 15. Dezember anstehende Erweiterung des Tarifgebietes des Mitteldeutschen Verkehrsbundes (MDV), verbunden mit dem Wunsch, „dass der bloßen Eingliederung in das Tarifgebiet die Erweiterung des Netzangebotes folgen muss“.

Was passiert zur Verbunderweiterung?

Im Februar 2019 beschloss der MDV-Aufsichtsrat einstimmig die dritte Verbunderweiterung seit dem Verbundstart im August 2001. Mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2019 wird der Schienenpersonennahverkehr in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie in der Stadt Dessau-Roßlau in den MDV-Tarif integriert. Durch die Verbunderweiterung wächst das südliche Sachsen-Anhalt verkehrlich näher an den Großraum Leipzig/Halle heran. Von den Vorteilen des Verbundgebietes profitieren künftig noch mehr Menschen im südlichen Sachsen-Anhalt.

Wie bekommt man mehr Bürgerbeteiligung?

Unabhängig davon forderte das Jugendparlament den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung auf, „für eine strukturelle Beteiligung an allen Prozessen des MDV durch die Bürger/-innen oder deren demokratischen Repräsentationen einzustehen“.

Maximilian Protzner, Koordinator der Arbeitsgruppe Kultur, Freizeit und Stadtentwicklung und Antragstellender, sagt dazu: „Dass eine so mächtige und alltagsrelevante Institution wie der MDV ohne jegliche demokratische Kontrolle und Einflussnahme fungiert, ist eigentlich ein Skandal. Wir haben in unserem Antrag ausführlich dargelegt, warum dies notwendig ist und konkrete Lösungsansätze geliefert. Jetzt bleibt zu warten, was die Stadtverwaltung und der MDV sagen, aber beide sollten sich bewusst sein, dass es um ein zutiefst demokratisches Anliegen geht und nicht um einen Fanatismus.“

Dabei verweist das Jugendparlament auf die Erfahrungen der Fahrgastbeiräte, insbesondere den bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB).

„Schon die Stadt Leipzig stellt mit dem Fahrgastbeirat der LVB kein Paradebeispiel für öffentliche Beteiligung dar“, heißt es in der Begründung des Antrags „Demokratisierung MDV“. „Meret Sophie Noll erklärt in einer Anhörung im Landtag zu einem ähnlich gesinnten Gesetzesentwurf: ,Rechte haben wir de facto keine. Wir haben eine Aufgabe, eine Funktion bekommen, aber keine Rechte, auf die wir uns berufen können. Angesprochene Probleme und Lösungsvorschläge werden in den Sitzungen von anwesenden Mitarbeitern kaum aufgenommen. Stellungnahmen können lediglich über die LVB und nicht selbstständig an die Öffentlichkeit getragen werden.‘“

Was das Jugendparlament zu dem Fazit bringt: „Der Umstand jedoch, dass im MDV demokratische Mitbestimmung gar nicht erst simuliert wird, sondern direkt ausgeschlossen, ist mehr ein Armutszeugnis für die gesamte Region als ein Zeichen für unbürokratisch-funktionalen Nahverkehr. Während im ,Bericht zur Entwicklung des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV)‘ von 2015/2016 zumindest noch die Beteiligung der Politik in den MDV eine Rolle spielt, findet sich das Wort ,Beteiligung‘ (u. ä.) in den gleichnamigen Berichten von 2013/2014 und 2017 bereits nur noch als unternehmerische Beteiligung wieder.“

„Auch auf den Seiten des MDV selbst, der LVB oder des ZVNL finden sich keine Anhaltspunkte für eine demokratische Beteiligung an der Gestaltung des MDV wieder. Die Webseite des MDV kennt nicht einmal die demokratische Beteiligung als Begrifflichkeit. Diese Analyse des Ist-Standes, zusammen mit der Feststellung, dass der ÖPNV als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ,unter Beteiligung aller für die Ermittlung des ,öffentlichen Interesses‘ wichtigen Akteure festgelegt werden‘ (VCD) muss, kann nur einen Handlungsbedarf ergeben. Dass diese Beteiligungsstruktur, wenn sie denn existiert, sehr gut angenommen wird und zu realen Ergebnissen, die im Sinne der Fahrgäste und der Verkehrsunternehmen sind, zeigen Beispiele aus dem Verkehrsverbund Oberelbe (VVO), wo weit über 60 Akteure in die Gestaltung des neuen Nahverkehrsplans einbezogen wurden …“

Wie passt Beteiligung in die Verbandsstruktur?

Der Antrag berücksichtige dabei auch die derzeit vorherrschende wirtschaftliche Ausrichtung des Nahverkehrs in Mitteldeutschland, betont das Jugendparlament. In der Verbandsversammlung sitzen die Aufgabenträger (die Städte und Kreise im Verbundgebiet) und die von ihnen beauftragten Verkehrsunternehmen, die aushandeln, was an Verbundpolitik tatsächlich möglich ist. Die Struktur sieht bislang tatsächlich keine öffentliche Beteiligung irgendeiner Art vor.

Nach den Ausführungen des Antrages stehen sich aber diese Zielsetzung und die Forderung nach öffentlicher Teilhabe nicht im Weg – im Gegenteil, betont Quentin Kügler, Sprecher des Jugendparlamentes: „Die Mitwirkung der Bevölkerung, insbesondere auch von Jugendlichen, älteren Menschen und körperlich sowie geistig eingeschränkten Menschen, kann für den MDV eigentlich nur von Vorteil sein. Durch das Aufzeigen von konkreten Bedarfen und Wünschen in der direkten Teilhabe wird der Nahverkehr attraktiver für alle. Das kann und muss im Interesse aller Beteiligten liegen.“

Neben den Anträgen zum MDV wurde auch beschlossen, dass die Stadt Leipzig sich für eine bessere S-Bahn-Anbindung im Leipziger Norden sowie eine dauerhafte Lösung für die Verbindung zum Cospudener See einsetzen soll. Das Jugendparlament erhofft sich durch diese Anträge ein attraktiveres Angebot im ÖPNV zu schaffen und somit mehr Menschen zum Umstieg, weg vom Auto – hin zum Nahverkehr zu bewegen.

Antrag 19/123 „Positionierung MDV

Antrag 19/125 „Demokratisierung MDV

Das bessere Busangebot im Leipziger Südraum kann erst Ende 2019 starten

Das bessere Busangebot im Leipziger Südraum kann erst Ende 2019 starten

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