Das Problem am Internet ist nicht, dass es sich so schnell verändert, sondern dass die Politik auf die Veränderungen und deren kriminellen Missbrauch viel zu langsam reagiert. Seit 2009 (mindestens) beschäftigen WAP-Abofallen die Gerichte, die Medien, die Verbraucherschützer - und nichts ist passiert, die Kunden vor betrügerischen Abofallen zu schützen. Jetzt wagt zumindest Sachsens Justizminister einen Vorstoß.

Am heutigen Donnerstag, 12. November, will sich Justizminister Sebastian Gemkow auf der Justizministerkonferenz der Länder in Berlin für die Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Zahlungsvorgängen nach Nutzung von Smartphones einsetzen.

Nicht nur Kinder und Jugendliche sind schon über diese WAP-Abofallen gestolpert und bekamen dann über die Telefonrechnungen Kosten für Dinge aufgedrückt, die sie nie bestellt hatten. WAP steht für Wireless Application Protocol (WAP), ein Protokoll, das Internetinhalte auch auf Mobilgeräten empfangbar macht. Eigentlich eine echte Lebenserleichterung, wenn man wirklich Service und Produkte gleich mal übers Handy ordern will – ein Klick genügt, und der Vertrag ist geschlossen, die Kosten landen auf der Telefonrechnung, der Vertragsanbieter für den Mobilfunkvertrag bucht einfach ab.

Und genau weil das so leicht geht, ist an dieser Stelle dem Betrug Tür und Tor geöffnet.

Denn auf diese Weise werden ja über die Telefonrechnung Entgelte von Drittanbietern in Rechnung gestellt. Nur dass das in den letzten Jahren auch immer wieder Anbieter waren, die ihre kostenpflichtigen Angebote für den Smartphone-Nutzer so versteckt und getarnt haben, dass sie als solche nicht erkannt werden und auch nicht immer eine nachvollziehbare Leistung beinhalteten. Der Nutzer drückt einen unauffälligen Link, der sein Interesse erweckt hat, oder berührt ihn auch nur, ohne es zu bemerken, und löst damit gleich einen ganzen automatischen Vertragsvorgang aus, von dem er dann meist erst erfährt, wenn die Kosten in der Telefonrechnung auftauchen.

Vor dem Gesetz sind diese Ansprüche zwar zweifelhaft. Aber bislang scheitern Verbraucher immer wieder am Nachweis, dass sie das untergeschobene Produkt niemals bewusst bestellt haben.

Dieser sogenannte WAP-Billing-Prozess birgt ein hohes Missbrauchspotential zu Lasten der Verbraucher, warnt Gemkow. Und benennt die Gesetzeslücke, die Verbraucher an dieser Stelle regelrecht schutzlos macht: Es müssten geeignete zivilrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, um den Anschlussinhaber vor ungerechtfertigten Forderungen innerhalb eines solchen Zahlungsprozesses zu schützen.

Sebastian Gemkow: “Immer häufiger beklagen Verbraucher, dass sie in ihren Mobilfunkrechnungen unter ‚Entgelte für Leistungen Dritter‘ ein sogenanntes ‚Abo‘ eines Drittanbieters vorfinden, dessen Zustandekommen sie sich nicht erklären können. Vor der Inanspruchnahme wegen einer solchen unbegründeten Forderung sind sie derzeit aber nicht effektiv geschützt. Die geltenden gesetzlichen Regelungen müssen daher dringend angepasst werden.”

Die in Rechnung gestellten Beträge betragen auffallend häufig 4,99 Euro pro Woche oder auch schon 2,99 Euro pro Tag. Die Betroffenen versichern regelmäßig, bewusst keinen Vertrag über eine solche Dienstleistung abgeschlossen und auch keine Preisangaben, Allgemeine Geschäftsbedingungen oder gar Widerrufsbelehrungen gesehen zu haben.

Vielmehr haben der jeweilige Anschlussinhaber oder beispielsweise dessen minderjährige Kinder bewusst oder unbewusst nur auf einen – etwa in einer SMS, einem Werbebanner oder einer App enthaltenen – Link geklickt.

Auch dann, wenn die Betroffenen der Rechnungsposition widersprechen und die Rechnung anteilig kürzen, versuchen die Telekommunikationsanbieter nach Erfahrungen der Verbraucherzentralen den Anspruch durchzusetzen. Oftmals sperren Sie den Mobilfunkanschluss oder drohen eine solche Sperrung zumindest an, was bei den meisten Anschlussinhabern ausreicht, um sie zur Zahlung zu bewegen.

Und wenn der Nutzer Pech hat, häuft er mit solchen untergeschobenen Abos einen Schuldenberg bei seinem Mobilfunkanbieter auf, den er aus eigener Kraft nicht abtragen kann.

Jetzt kann man gespannt sein, was sich die Justizminister dazu einfallen lassen. Von Seiten der Verbraucherzentralen liegt die Forderung auf dem Tisch, dass prinzipiell die Button-Lösung umgesetzt sein muss, um einen solchen Online-Vertrag zustande kommen zu lassen. Bevor der Nutzer sein Ok gibt, müssen ihm unübersehbar die Vertragsbedingungen sichtbar gemacht werden.  Und der Button muss für jeden Nutzer deutlich sichtbar machen, dass es sich um ein kostenpflichtiges Produkt handelt.

Aber gerade auf diesem Feld der Drittanbieter tummeln sich allerlei dubiose Firmen, die oft genug ihre Firmenadresse in durchaus exotischen Ländern haben, mit denen die Bundesrepublik kein Rechtschutzabkommen unterhält.

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