Verpackungen sind in unserem Leben allgegenwärtig. Fast kein Produkt, so scheint es, kommt ohne sie aus. Doch für viele Menschen sind Verpackungen einfach nur Abfall, der erst Ressourcen verbraucht und danach die Umwelt belastet. Am 1. Januar 2019 tritt in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz in Kraft. Es löst die derzeit geltende Verpackungsverordnung ab. Was ändert sich – und für wen? Dazu äußert sich Prof. Dr.-Ing. Eugen Herzau, Experte für Verpackungstechnologie an der HTWK Leipzig, im Interview.

Was ändert sich mit dem neuen Gesetz ab 1. Januar?

Hersteller werden mehr als bisher in die Produktverantwortung genommen – und zwar nicht nur für ihre Ware, sondern auch für die Verpackung. Die Recyclingquoten werden erhöht und recyclinggerechte Verpackungen „belohnt“. Das heißt, es soll zukünftig weniger thermisch verwertet, also verbrannt werden und dafür mehr recycelt.

Das Ziel des neuen Verpackungsgesetzes ist es, die Umwelt mehr als bisher zu schonen. Deutschland nimmt mit dem neuen Gesetz europa- und weltweit eine Vorreiterrolle ein, denn Verpackung ist eben nicht gleich Müll und damit lästig. Abfälle sind Wertstoffe. Das ist ein alter Gedanke, der nun konsequent weitergedacht und gesetzlich noch besser verankert wird.

Was heißt das konkret?

Die Hersteller sind nach dem Verursacherprinzip gefordert. Als Hersteller gelten alle „Inverkehrbringer“ – und damit übrigens auch Online-Händler – verpackter Waren. Sie müssen sich zunächst bei einer neu geschaffenen Stelle registrieren lassen, der „Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister“ mit Sitz in Osnabrück. Diese wird fachlich durch das Umweltbundesamt beaufsichtigt. Ohne eine Registrierung dürfen Hersteller ab Januar 2019 keine Produkte mehr in Umlauf bringen. Die registrierten Hersteller werden online veröffentlicht, damit ist Transparenz für alle gegeben.

Außerdem müssen sie sogenannte Beteiligungs- bzw. „Lizenzentgelte“ bezahlen, damit sie sich überhaupt an dem Entsorgungs- bzw. Rückholsystem beteiligen dürfen. Und wie bisher auch schon müssen sich Hersteller an einem oder mehreren Rückholsystemen beteiligen – neu wird aber sein, dass diese Lizenzentgelte auch nach ökologischen Kriterien vergeben werden:

Hersteller sollen noch mehr Anreize haben, Verpackungsmaterialien zu nutzen, die zu einem hohen Prozentsatz recycelt werden können bzw. weniger Rohstoffe verbrauchen. Das heißt, wer beispielsweise weniger Kunststoffe für seine Verpackungen verwendet, muss auch weniger zahlen. Kurz gesagt: Wer Ware verpackt in Umlauf bringt, muss die Verpackung auch wieder entsorgen. Das funktioniert nur über finanzielle Anreize.

Warum ist solch ein „strengeres“ Gesetz überhaupt nötig?

In Deutschland herrscht – vor allem im Lebensmittel-Handel, wo mit am meisten verpackt wird – ein extremer Wettbewerb. Und der wird über den Preis und über die Verpackung geführt. An der Preisschraube kann man nicht unendlich drehen, aber über die Verpackung erreichen Hersteller die Aufmerksamkeit des Kunden und potentiellen Käufers zuerst. Und zumindest in Westeuropa hat der Kunde ein Qualitätsbewusstsein, das sich nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf die Verpackung erstreckt: für ihn steht die Verpackung für den Inhalt.

Sprich: ist die Ware hochwertig verpackt, muss der Inhalt ja auch hochwertig sein. Also übertreffen sich die Hersteller gegenseitig. Die derzeit noch geltende Verpackungsverordnung gibt es übrigens (erst) seit 1991 – vorher war nichts geregelt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Aber eine Verordnung ist letztlich auch erstmal nur eine Empfehlung – es braucht aber Nachdruck. Das neue Gesetz wird noch mehr regulieren und Unternehmen stärker als bisher in die Pflicht nehmen. Man kann ja nicht die ganze Verantwortung beim Endverbraucher abladen, auch wenn der letztlich die Verpackung mitbezahlt.

Der Papiercontainer fasst es nicht.Foto: Ralf Julke
Der Papiercontainer fasst es nicht.Foto: Ralf Julke

Die sozialen Medien sind voll vom Thema Verpackung, es gibt Facebookgruppen wie „Plastikfrei leben“ und ähnliche – Verpackung und Müll sind Trendthemen. Wie erklären Sie sich das?

Das ist ein sehr emotionales Thema. Vielleicht, weil wir täglich damit konfrontiert sind – beim Einkaufen, aber auch an der Mülltonne. Oder wenn Fotos von Meerestieren inmitten von Plastikpartikeln verbreitet werden – markantes Beispiel: Die Schildkröte mit dem Plastikstrohhalm in der Nase. Das sind starke Bilder, die hängenbleiben. Aber nicht nur deswegen ist das Ganze so emotional. Wir müssen uns vielleicht auch fragen, womit die „Verpackungsflut“ eigentlich begonnen hat.

Ich sage: Die meisten Lebensmittel, also die klassischen „Waren des täglichen Bedarfs“, werden heute verpackt, ohne dass der Verbraucher dabei ist. Er sieht es nicht mehr oder nur noch selten, so wie früher vielleicht im Tante Emma-Laden. Verpackungen sind einfach „da“. Außerdem möchte der Kunde alles frisch und hygienisch verpackt haben, und unterschiedliche Waren stellen überdies unterschiedliche Anforderungen an die Verpackungen. Senf gibt es z.B. in Gläsern, in Bechern, in Tuben und in Flaschen. Die Verpackungsvielfalt nimmt ständig zu.

Muss das sein? Wer braucht 30 Sorten Senf?

Es verkauft sich. Das reguliert der Markt. Ursache sind wir, die Kunden, letztlich selbst – wir leben im Überfluss, kaufen die Waren und sind bequem. Wir möchten zum Beispiel eine wiederverschließbare Verpackung, einen Sprühknopf auf dem Putzmittel, aber wir möchten nicht so gern den Müll aufwendig trennen. Wer nimmt es schon auf sich, mit wiederbefüllbaren Gläsern und Flaschen in „Unverpackt“-Läden zu gehen? Eine Minderheit, auch wenn sie zurzeit vielleicht wächst, denn es kostet Mühe und Zeit. Vieles Verpackte ist auch deswegen preiswert, weil es automatisiert hergestellt wurde. Da kann kein Tante Emma-Laden mithalten. Automatisch verpackt und transportiert ist oft billiger als von Hand vor Ort produziert. Das wird genau kalkuliert. Nicht zuletzt lässt sich Verpacktes oft auch besser stapeln und damit transportieren. Lebensmittel bleiben so länger haltbar – und damit vermeidet man ja auch die Verschwendung von Ressourcen.

Diese Entwicklung führt aber mehr und mehr dazu, dass Verpackung mit Müll gleichgesetzt wird. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt das vor allem für Kunststoffe.

Man muss sicherlich differenzieren zwischen sinnvollen, notwendigen Verpackungen und den „Auswüchsen“ wie z. B. dem geschnittenen Obst in Plastikfolie oder der Zahnpastatube mit bedruckter Umverpackung. Letztere dient allein Werbezwecken, der Präsentation – man kann sie einfach besser bedrucken als eine Tube. Aber auch hier gilt: Irgendjemand kauft auch das geschnittene Obst in der Plastikhülle. Sonst würde es nicht mehr angeboten, weil es sich schlicht nicht rechnen würde.

Klar, auch die Kunden tragen Verantwortung für ihr Verhalten…

Jeder von uns kann sein Konsumverhalten hinterfragen und sich dazu entschließen, bewusster einzukaufen. Der Kunde hat Macht und kann sie wahrnehmen! Ich selbst kaufe zum Beispiel ausschließlich Wasser in Mehrweg-Glasflaschen, Nägel und Schrauben bei meinem Eisenwarenhändler im Papierbeutel, und ich nutze Kunststoff nur, wo es mir sinnvoll erscheint. Strohhalme verwende ich generell nicht. Damit produziere ich diese Art Abfall auch nicht. Was jeder selbst wirklich ganz leicht tun kann: Verpackungsmüll immer tatsächlich auch trennen, und zwar alle Teile und alle Stoffe. So sind sie viel besser sortierbar.

Wie werden die Studieninhalte rund um das Thema Verpackung an die neuen Inhalte und Anforderungen – die sicher auch durch die Studierenden an Sie herangetragen werden – angepasst, d.h., wie wird das Thema an der Hochschule zukunftsfähig gemacht?

Wir tragen der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung, indem wir mehr als bisher die Nachhaltigkeit zum Studieninhalt machen und die Studierenden damit besser auf das Berufsleben vorbereiten. Ja, sie fordern dieses Thema ein. Deswegen werden wir ab dem Wintersemester 2019/20 in den Studiengang „Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit“ (bisher: Verpackungstechnik) immatrikulieren.

In diesem Bachelorstudiengang werden neben den Kenntnissen zu den Werk- bzw. Packstoffen und den Verfahren zur Herstellung von Packmitteln auch Kenntnisse zu nachhaltigen Verpackungskonzepten, zu Ökobilanzen und zum Umweltmanagement und Recycling vermittelt. Den Erfordernissen aus den Unternehmen wird auch durch die Vermittlung des Wissens zu Industrieverpackung, Verpackungsprüfung und Wechselwirkung Verpackung-Gut Rechnung getragen.

Mit Eugen Herzau sprach Franka Platz (Pressemitarbeiterin der HTWK)

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