Ein großer Nierentisch mit geometrischen Mustern drauf, vier Notebooks und schon kann man eintauchen in Leipzigs neues digitales Stadtmodell. Zumindest, wenn man die richtige App auf dem Smartphone oder dem Notebook und den richtigen Tisch hat. So einen, wie er der Presse am Dienstag, 17. April, im Ratsplenarsaal gezeigt wurde. Samt einem euphorischen OBM.

Was ja nur zu verständlich ist. Denn mit diesem frisch programmierten Stadtmodell hatte Leipzig geradezu riesigen Erfolg auf der MIPIM, der „weltweit führenden Messe für Immobilien und Investitionen“ in Cannes, wie Burkhard Jung erzählt. Eigentlich ist es ein Schaulaufen der großen Städte, ein Höhepunkt des Wettbewerbs der Metropolen gegeneinander um die Aufmerksamkeit der Investoren. Denn Städte haben heute nur Erfolg, wenn sie zum attraktiven Standort für neue Unternehmen werden. Wer mithalten will, präsentiert sich in Cannes und versucht, sich besonders modern und innovativ zu präsentieren. Was Leipzig gelungen zu sein scheint.

Oder besser: Der Invest Region Leipzig, jener gemeinsamen Wirtschaftsagentur der Großstadt Leipzig, der beiden Landkreise Nordsachsen und Leipzig und der IHK. „Unsere Aufgabe ist es, Investitionen nach Leipzig zu holen“, sagt Michael Körner, der Geschäftsführer der Invest Region Leipzig, die am Markt Nr. 9 ihren Sitz hat.

Und dafür organisiert er Messeteilnahmen, bucht auch in Cannes 50 Quadratmeter für die Region Leipzig. Das ist nicht viel. Istanbul hatte die fünffache Fläche belegt. „Und die halbe Stadt als Modell aufgebaut“, erzählt Burkhard Jung. So ein bisschen mit Augenzwinkern. Denn die Istanbuler haben sich zwar richtig viel Mühe gemacht. Aber die Begeisterung bekam wohl eher Leipzig mit diesem komischen, gemusterten Nierentisch. Das erzählt zumindest Michael Körner. Und es wird wohl auch stimmen, weil Leipzig die Chance ergriff, die Stadt so modern zu zeigen, wie das heute digital möglich ist.

Vor einem Jahr, so erzählt Körner, habe man sich auf die Suche gemacht. Wer kann ein virtuelles Stadtmodell bauen in Leipzig? Keine abwegige Frage. Denn wenn eine Branche in Leipzig gewachsen ist in den letzten Jahren, dann ist es die IT-Branche. Die macht nicht so viel Remmidemmi wie etwa die Autobauer. Denn dazu braucht man ja nur ein paar ordentliche Büros und ordentliche Breitbandanschlüsse. Und natürlich gut ausgebildete Programmierer. Das alles findet man in Leipzig. „Guckt doch mal in die Media City“, lautete der Tipp.

In der Media City sind nicht nur Medienunternehmen ansässig, die unter anderem dem MDR zuarbeiten. Hier haben auch etliche IT-Firmen ihren Sitz gefunden. Und als Michael Körner bei Jörg Zeißig vorsprach, kam die Sache schnell ins Laufen.

Burkhard Jung demonstriert die Funktionsweise des virtuellen Stadtmodells. Foto: Ralf Julke
Burkhard Jung demonstriert die Funktionsweise des virtuellen Stadtmodells. Foto: Ralf Julke

Jörg Zeißig ist Geschäftsführer der MCA Media City Atelier GmbH. Die ist wieder eine Tochter der DREFA Media Holding GmbH. Und sie betreibt das LEAVR Lab, ein Laboratorium für Virtuel Reality. Dort kann man auf 500 Quadratmetern erleben, wie virtuelle Welten funktionieren. Und das ist ja das, was sich Michael Körner und Burkhard Jung eigentlich wünschten: Statt eines klassischen Stadtmodells aus Bauklötzen ein virtuelles, das man überall mit hinnehmen kann. Und in das man eintauchen kann. Einfach so: Notebook an, Tisch ins Visier nehmen und es erscheint –  zuallererst einmal die Erde. Damit jeder sieht, wo Europa liegt, Sachsen und Leipzig.

„Da wo Google Earth aufhört, da fängt unser Modell an“, sagt Körner.

Am Dienstag demonstrierten Jung, Körner und Zeißig, was nach der Vorsprache bei MCA eigentlich draus geworden ist. Burkhard Jung war ja von der virtuellen Schaffung einer Stadt regelrecht begeistert. Er nahm sogar seinen Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht mit: „Genau das brauchen wir!“

Letztlich dauerte es gerade einmal ein Vierteljahr von der Skizze bis zum fertigen Stadtmodell, das jetzt in Cannes erstmals zeigen konnte, wie Leipzig tickt.

Und Michael Körner ist stolz. Denn alles ist in Leipzig entstanden, Leipziger IT-Firmen zeigen mit diesem Modell, zu was die Stadt mittlerweile in der Lage ist. Da musste nichts zugekauft werden.

Grundlage des 3D-Modells ist eine digitale Stadtkarte, die das Amt für Geoinformation und Bodenordnung zur Verfügung stellte. Um darauf die Stadt entstehen zu lassen, lieferte das Amt auch noch alle Gebäudekubaturen und die zugehörigen Texturen. „Die Texturen haben wir erst einmal weggelassen“, sagt Körner. Das Modell soll schon wie ein Modell aussehen. Auf Grundlage der Karte baut sich das vor den Augen des Betrachters auf, wenn er sich hineinzoomt. Und er kann sich richtig hineinzoomen, in die Straßen sogar eintauchen wie in der Wirklichkeit. Was Burkhard Jung gleich noch auf den Gedanken brachte, man könnte ja das Modell auch gleich noch für virtuelle Stadtrundgänge nutzen.

Aber so weit ist es noch nicht.

Und wozu dient das abstrakte Muster auf dem Tisch? – Als Marker. Das Programm erkennt das Muster und richtet danach das Stadtmodell aus. Deswegen braucht man zwingend den Tisch. Ohne den Tisch mit seinem Muster bekommt man das 3D-Leipzig nicht auf den Schirm. Die Größe des Tisches bestimmt übrigens auch die Größe des Models. Deswegen ist Leipzig noch nicht komplett in virtuelle Realität verwandelt. „Neun Quadratkilometer haben wir erst einmal umgesetzt“, sagt Körner.

Er weiß aber auch, dass die Leipziger City, die jetzt vor allem ins Bild kommt, nicht reicht. Investoren, Planer und Architekten sind ja nicht nur hier zugange. Auch in Cannes war das Gebiet um den Flughafen Thema. Etliche Architekturbüros haben schon angefragt, ob sie ihre Modelle einbringen dürfen. Denn das Modell eignet sich ja auch ideal dazu, kommende Bauprojekte schon einmal einzupassen und sie quasi im realen Stadtraum wirken zu sehen.

Also wird das Model künftig erweitert werden.

Der Tisch soll nach einer Präsentationszeit in der Invest Region Leipzig künftig dauerhaft im LEAVR Lab stehen. Doch auch eine Weiterentwicklung der App für weitere Messen wie die „EXPO Real“ oder die „polis convention“ ist in Planung – auch ist eine Teilnahme an der MIPIM 2019 bereits im Gespräch. Ebenso ist OBM Jung an einer langfristigen Nutzung im Rathaus oder auch im Stadtbüro interessiert.

Denn natürlich kann das Modell auch wichtige städtische Planungen sichtbar machen. Die Leipziger Stadtwerke haben ihre Infrastrukturen ebenfalls schon einpassen lassen.

„Neben den regionalen und städtischen Akteuren sollten für künftige Messe-Beteiligungen vermehrt auch die privaten Akteure der Immobilienwirtschaft mobilisiert und eingebunden werden. Immobilienentwickler sowie -vermarkter, aber auch private Eigentümer und relevante Dienstleister der Immobilienbranche, wie z.B. Architekturbüros u. ä., können eine Beteiligung unter der Stadtmarke hervorragend für das eigene Business Development nutzen“, betont die Invest Region. „Ein solches ‚Partnering‘ würde neue Finanzierungsoptionen aber auch erhebliche Multiplikatoreneffekte bei der Vermarktung der Region Leipzig einbringen.“

Den Leipzigern wird der Tisch künftg also immer wieder begegnen, wenn er nicht gerade auf Messen unterwegs ist. Und bezahlbar war das Ganze auch noch. Rund 11.000 Euro hat es gekostet, sagt Michal Körner.

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