Seit Jahren laufen die Diskussionen um die Umweltschäden in der und durch die intensive Landwirtschaft, zuckt der Landwirtschaftsminister die Schultern, wenn es um Nitrat im Grundwasser, belastete Flüsse, schwindende Artenvielfalt und Bodenverluste geht. Und tut nichts. Leipzig als Besitzer von immerhin noch 1.800 Hektar landwirtschaftlicher Fläche könnte etwas tun. Mit acht Stadtratsanträgen wollen die Grünen die Leipziger Verwaltung dazu bewegen, es auch wirklich zu tun.

Die acht Anträge in der Übersicht:

Antrag 1: Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen im Eigentum der Stadt Leipzig und ihrer Beteiligungen. Darin geht es darum, dass Leipzig wieder landwirtschaftliche Flächen kauft. Seit 2010, als Leipzig rund 2.000 Hektar besaß, sind 200 Hektar verloren gegangen – vor allem durch Bebauung etwa bei den Gewerbeansiedlungen im Leipziger Norden. „Die Flächen für die Gewinnung und Sicherung von Trinkwasser sind nicht in die Berechnung einzubeziehen“, heißt es im Antrag.

Dafür gibt es einen eigenen Antrag. Nur wenn Leipzig auch wieder einen ausreichenden Bodenvorrat hat, kann es dessen Nutzung künftig auch in Eigenregie steuern. Selbst wenn der Grund nicht bebaut wird, kann Leipzig hier Vorgaben zur ökologischen Nutzung machen.

Antrag 2: Wildlumen- und Heckensteifen an landwirtschaftlichen Flächen. „In allen neuen Pachtverträgen ist privatrechtlich als Bedingung zu verankern, dass durch den Pächter 5 % der Fläche als Wildblumen- bzw. Feldheckenstreifen anzulegen sind. Diese sollen nicht unter 6 m Breite sein.“ Dass diese naturnahen Randstreifen unersetzlich sind zum Erhalt der Biodiversität, ist mittlerweile gut belegt. Es gibt auch ein sächsisches Förderprogramm, aber das ist so bürokratisch, dass die Bauern lieber darauf verzichten, denn wenn sie nur eine Vorgabe nicht einhalten, droht die Rückzahlung der Fördergelder.

Im Gespräch mit den Bauern haben Leipzigs Grüne ein Modell entwickelt, bei dem die Bauern nicht draufzahlen, sondern mit Pachtzinssenkung belohnt werden für die Anlage solcher Blühstreifen: „Der Pachtzins wird dann auf die noch verbleibende Fläche berechnet. Für die Errichtung wird im Gegenzug der Gesamtpachtzins für die Fläche dauerhaft um 20 % für angelegte und zu pflegende Wildblumenstreifen und 40 % für Feldheckenstreifen abgesenkt.“

Antrag 3: Landverpachtungen nur noch ohne „Pflanzenschutzmittel“. Das soll dann in den Pachtverträgen festgeschrieben werden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit in Zeiten, da die Insekten unter der enormen Giftbelastung verschwinden und selbst Flüsse und Grundwasserkörper belastet sind. Weder Gülle noch Klärschlamm haben etwas auf den Ackerflächen der Stadt zu suchen, betonen die Grünen. Dafür gibt es längst bekannte geeignete Mittel, dergleichen zu verhindern. Auch in der konventionellen Landwirtschaft.

Und bei Gülle kommt hinzu: Niemand weiß, wie hoch der Nitratgehalt der Plörre ist und wie viele Medikamente darin sind, denn in der modernen Massentierhaltung werden auch die Tiere massiv mit Medikamenten behandelt. Das habe einfach nichts auf dem Feld zu suchen, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Norman Volger.

Antrag 4: Förderung der Bio-Landwirtschaft. Das ist eigentlich die Wiederauflage eines gültigen Stadtratsbeschlusses, nach dem Landwirtschaftsflächen der Stadt, die wieder verpachtet werden, zwingend auszuschreiben sind. Denn dann wirkt die ebenfalls beschlossene Priorität für Bewerber, die Biolandwirtschaft betreiben wollen.

Die Grünen vermuten, dass das zuständige Liegenschaftsamt seit mindestens neun Jahren nicht ausgeschrieben und die Pachtverträge einfach immer stillschweigend verlängert hat. So haben Biolandwirte praktisch keine Chance, auch nur kleinere Flächen in Pacht zu bekommen.

Antrag 5: Ausweisung und längere Vergabe langfristig verfügbarer Ackerfläche. Auch hier geht es um Biolandbau. Der hat nämlich ein Problem: Kurze Pachtzeiträume nutzen ihm nichts. Denn allein die ersten zwei Jahre darf der Pächter seine Produkte nicht als Bioprodukte verkaufen. Diese Jahre sind so eine Art Entgiftungs-Jahre, damit die künftigen Bioprodukte tatsächlich nicht mit alten Pflanzen- und Insektengiften in Berührung kommen. Wenn aber –wie augenscheinlich in Leipzig üblich – Pachtverträge nur für drei bis fünf Jahre abgeschlossen werden, können Biobauern nur abwinken.

Das rechnet sich nicht hinten und nicht vorne. Deswegen fordern die Grünen extra Flächenausweisungen für Biolandbau, für die 25-Jahres-Pachtverträge geschlossen werden, wenn klar ist, hier werde auch in den nächsten 25 Jahren nicht gebaut. Dann lohnt sich die zweijährige Umstellung des Betriebes.

Antrag 6: Neuverpachtung an Biobauern: Pachtbefreiung während der Umstellungsphase. Die meisten sächsischen Bauern fürchten sich vor der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft, weil sie in den ersten beiden Jahren der Umstellung fast nichts verdienen. Sie müssen zwar schon biologisch wirtschaften, dürfen ihre Produkte aber noch nicht als hochwertige Bioprodukte verkaufen. Die Grünen schlagen vor, ihnen in den ersten beiden Jahren die Pacht zu erlassen. „Die Pachteinnahmen spielen im Stadthaushalt sowieso keine große Rolle“, sagt Norman Volger.

Den Bauern aber hilft die Erlassung über die beiden härtesten Jahre. „Und natürlich muss darauf geachtet werden, dass hinterher wirklich Biolandbau betrieben wird, sonst muss die Pacht rückwirkend gezahlt werden“, so Volger.

Antrag 7: Gezielte Sicherung und Erweiterung der Wassereinzugsgebiete Leipzig durch Ankauf und ökologische Bewirtschaftung. Hier geht es ganz direkt um das Leipziger Trinkwassereinzugsgebiet um Thallwitz und Canitz, wo die Wasserwerke das Trinkwasser aus Brunnen fördern und oben auf dem Acker die Wassergut Canitz GmbH als Tochter der Wasserwerke ökologisch Landwirtschaft betreibt. Aber das Grundwasser fließt ja auch von außen in das Trinkwasserfördergebiet. Es gibt zwar Verträge mit den dort ansässigen Bauern, auf übermäßige Düngung zu verzichten, die wohl auch eingehalten werden.

Aber wird das immer gelten, fragen die Grünen, und beantragen, dass Leipzig auch landwirtschaftliche Fläche im Vorfeld seiner Trinkwasservorkommen aufkauft, um hier dauerhaft ebenfalls ökologische Landwirtschaft zu sichern und damit das Leipziger Trinkwasser sauber zu halten.

Antrag 8: Siegel für regionale Bioprodukte entwickeln. Ein solches Siegel für regional produzierte landwirtschaftliche Produkte gibt es in Brandenburg schon. Leipzig kann sich also von anderen was abgucken. Es würde auch in das gerade gestartete Projekt „WERTvoll“ passen und den regionalen Biobauern helfen, ihre hier vor den Toren der Stadt produzierten Waren unter einem attraktiven Label zu vermarkten.

Die Käufer wissen sofort, dass der Bioapfel dann eben tatsächlich aus Borsdorf oder Rötha kommt. „Ein Bioapfel aus Neuseeland ist nämlich nicht wirklich umweltfreundlich“, sagt Norman Volger. Die Nachfrage nach Bioprodukten aus der Region steigt seit Jahren. Sogar Bio-Kooperativen fragen vermehrt nach Pachtflächen der Stadt und werden immer wieder abgewimmelt.

Das alles fügt sich also zu einem richtigen Bio-Landwirtschaft-Entwicklungspaket für Leipzig.

Bleibt nur die bekannte alte Frage: Welches Dezernat und welches Amt kümmert sich wirklich darum? Denn wenn der OBM das auch diesmal wieder nicht gebacken kriegt, wird es wieder so sein wie in den vergangenen neun Jahren – und nichts passiert.

Die drei Anfragen und acht Anträge der Grünen zur Leipziger Landwirtschaft.

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