Es ist angerichtet: Auf dem Augustusplatz veranstalten Leipzigs Gastronomen heute ein „Geister-Festmahl“. Um auf die prekäre Situation für Restaurant- und Barbesitzer, Veranstalter und Hoteliers im Zuge der Coronakrise aufmerksam zu machen, stellten etliche Betroffene aus der Branche Tische und Stühle vor der Oper auf. Überall in deutschen Städten soll die Initiative und Kunstaktion „Leere Stühle“ die Forderungen der Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter unterstützen.

Begonnen wurde mit dem geisterhaften Schmaus am 17. April in Dresden. Über 1.000 leere Stühle machten auf die Not der Gastronomen, Hoteliers und Event-Veranstalter aufmerksam. Zwar hat die Bundesregierung kürzlich die ersten Hilfsmaßnahmen für die Branche beschlossen, dennoch bleiben viele Probleme bestehen.

So fordern die Gastronomen die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent ab Beginn der Zahlungen. Denn: Gastro-Mitarbeiter leben meist nicht nur vom Lohn, auch das Trinkgeld sowie Nacht- und Feiertagszuschläge bilden eine wichtige Einnahmequelle. Einen Ersatz dafür bietet bisher keine Hilfsmaßnahme. Bisherige Maßnahmen regeln allein die Staffelung des Kurzarbeitergeldes mit 70 Prozent (bzw. 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) ab dem vierten Monat und 80 Prozent (respektive 87 Prozent) ab dem 7. Monat. Dies gilt längstens bis zum Ende des Jahres.

Weiterhin sollte laut der Branche die Mehrwertsteuer nicht nur, wie vom Bund beschlossen, von Juli 2020 bis Juni 2021 auf 7 Prozent gesenkt werden. Dies biete die Möglichkeit, zukünftig Teile der Ausfallkosten wieder zurückzuverdienen. „Die Begrenzung bis Juni 2021 ist dafür […] deutlich zu kurz – bei weiterer Schließung fehlen die starken Feiertags- und Sommermonate, der Effekt würde dann in den tendenziell schwächeren Wintermonaten wirken und wäre vor dem Sommer 2021 schon wieder vorbei. Vorsichtige Berechnungen gehen davon aus, dass eine Refinanzierung über 6-7 Jahre erfolgen könnte“, heißt es auf der Seite der „Leere Stühle“-Initiative.

Die Gastronomen wünschen sich außerdem einheitliche Beschlussregelungen. Durch fehlende Richtlinien zur Größe von Veranstaltungen fehle Gastronomen, Veranstaltern und Künstlern die Planungssicherheit für die Zukunft. Ebenso nicht bundesweit einheitlich geregelt sind die Zuschüsse für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern sowie die Richtlinien für Gutscheine. Viele Restaurants, Cafés, Bars und auch Clubs und Veranstaltungshäuser geben derzeit Gutscheine aus, die, so Corona will, bald eingelöst werden können.

Dadurch kommt neben Spendenaktionen und staatlichen Zuschüssen Geld in die Kassen, das momentan dringend benötigt wird, um laufende Kosten decken zu können. Ganz klar geregelt scheint aber nicht, wie gekaufte Tickets, beispielsweise für Konzerte, die nun auf unbestimmte Zeit nicht stattfinden können, in Gutscheine umgewandelt werden können.

Etliche Veranstaltungsunternehmen riefen dazu auf, bereits erworbene Eintrittskarten und Tickets nicht zu stornieren, sondern entweder als Gutschein zu behalten oder unterstützend als Soli-Ticket zu spenden.

Viele Kneipen und Restaurants, nicht nur in Leipzig, setzen derweil auf den „To go“-Verkauf von Speisen und Getränken sowie ein Liefer-Angebot. Die Szene hat sich zusammengetan: Schon kurz nach Beginn der Krise bildete sich der „Gastrostammtisch Leipzig“, der am 26. März in einem Offenen Brief seine Forderungen an Oberbürgermeister Burkhard Jung überreichte.

„So alternativlos die Schließung von Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Clubs und Bars für die Verhinderung der Ausbreitung des Virus’ gewesen sein mag – ohne tägliche Einnahmen wird die Leipziger Gastroszene in ihrer bisherigen Form sterben“, befürchten Leipzigs Gastronomen und appellieren an die Stadtverwaltung.

Die Kommune reagierte bisher mit der Verschiebung des Zahltermins der Gewerbesteuer, ursprünglich am 15.05., auf den 15.08. Zudem wurde auch die Erhebung der Gästetaxe bis zum 31.05. ausgesetzt. Alle bisher vereinnahmten Gelder aus der Gästetaxe werden gesperrt und, so die Verwaltung, „zumindest teilweise in einen Hilfsfonds für die betroffenen Branchen fließen“. Betriebe haben außerdem die Möglichkeit, den Termin per Antragstellung auf den 31.12. zu verschieben.

Dennoch: Auch an den kommenden Freitagen werden leere Stühle auf dem Augustusplatz und in Städten in ganz Deutschland stehen. Die Initiative „Leere Stühle“ macht auf ihrer Seite klar: „Unsere Aktion findet nicht einmalig statt. Liebe Politik, wir stellen JEDEN FREITAG unsere Stühle raus. Bis wir wissen, dass wir diese KRISE überleben!“

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Ich verstehe was nicht: Bei kleinen Gaststätten, die vor Corona gerade so überlebt haben, kann ich mir vorstellen, dass sie keine großen Rücklagen bilden konnten! Aber bei den Eigentümern von mehreren Gaststätten, die auch schon viele Jahre in Leipzig etabliert sind und die immer volle Lokale hatten, die haben keine Rücklagen, um mal 2 bis 3 Monate über die Runden zu kommen? Das ist Jammern auf hohem Niveau! Bekommen schon das Kurzarbeitergeld vom Staat bezahlt, kriegen den Hals nicht voll!

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