Natürlich erfreut das eine ganze Branche, wenn die Corona-Regeln weitgehend wieder gelockert wurden und Reisen relativ unbeschwert wieder möglich ist. Das hat vor allem dem Städtetourismus gutgetan. Und entsprechend freut sich auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) der Region Leipzig-Halle-Dessau über die neuesten Tourismus-Zahlen aus Sachsen und die Übernachtungszahlen aus Leipzig.

Leipzig verzeichnete im ersten Halbjahr des Jahres rund 1,4 Millionen Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland – dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres (plus 197 Prozent). Im vergangenen Jahr galt teils noch ein Beherbergungsverbot bei Privatreisen, das als „Tourismus-Bremse“ gewirkt hat. Darauf macht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten aufmerksam. Die NGG beruft sich dabei auf aktuelle Angaben des Statistischen Landesamtes.

Viel Arbeit und wenig Personal

Das hatte am 19. August sogar 1,9 Millionen Übernachtungen von insgesamt 750.000 Gästen in sächsischen Beherbergungsbetrieben allein im Juni gemeldet. Und zu Leipzig ganz speziell: „Die Stadt Leipzig begrüßte im Juni nahezu 175 200 Gäste, die nicht ganz 353 300 Übernachtungen buchten. Damit wurden die Zahlen vom Juni 2019 nur knapp verfehlt. Die Landeshauptstadt Dresden lag dagegen mit 176 200 Ankünften (-17,2 Prozent) und 374 900 Übernachtungen (-14,6 Prozent) deutlich unter den Ergebnissen von vor der Pandemie.“

„Dass wieder viel mehr Urlauber und Geschäftsreisende in die Messestadt kommen, ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe eine gute Nachricht – vor allem auch für die Beschäftigten. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie kehrt die Branche Stück für Stück auf das alte Niveau zurück“, freut sich Jörg Most, Geschäftsführer der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau.

Von der „Normalität“ seien viele Hotels, Pensionen und Wirtshäuser aber noch weit entfernt. Der Grund: Den Unternehmen gelingt es nach Beobachtung der Gewerkschaft kaum, genug Personal für die wachsende Arbeit zu finden.

Arbeit auf Abruf: Wenn der Broterwerb den Lebensrhythmus bestimmt

Zwar hätten derzeit viele Branchen mit dem Mangel an Fachleuten zu kämpfen, doch im Gastgewerbe falle die Suche nach qualifizierten Kräften besonders schwer. Das liege vor allem an den Arbeitsbedingungen, urteilt Most. So klagten im letzten DGB-Ausbildungsreport 59 Prozent der angehenden Hotelfachleute und 54 Prozent der Azubis in der Küche, regelmäßig Überstunden machen zu müssen – ein Spitzenwert.

„Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist nicht nur spätabends oder am Wochenende im Einsatz. Die Beschäftigten erfahren oft auch erst am Vortag vom Chef, dass sie einspringen sollen. Zum Beispiel, weil sich die Wettervorhersage geändert hat und einen Run auf den Biergarten erwarten lässt. So kann aber niemand seinen Alltag planen – schon gar nicht, wer Kinder hat“, so Most.

Nach Einschätzung des Gewerkschafters ist ein erheblicher Teil der rund 13.000 Menschen, die das Leipziger Gastgewerbe laut Arbeitsagentur beschäftigt, von dieser „Arbeit auf Abruf“ betroffen.

Personalgewinnung: Ein paar neue Anreize sind da

Wer sich für die Branche entscheide, wisse, dass die Arbeitszeiten anders seien als in einem Büro-Job.
„Wichtig ist zugleich eine Personaldecke, die dick genug ist, um auch kurzfristig Events wie Geburtstage oder Hochzeiten ausrichten zu können“, betont Most.

Um Arbeitszeit und Dienstplanung fair zu regeln, sollten sich die Betriebe zu tariflichen Standards bekennen. Dort, wo es einen Betriebsrat gebe – etwa in Hotelketten oder in der Systemgastronomie – könnten sozialverträgliche Lösungen mit der Arbeitnehmervertretung gefunden werden.

In einem entscheidenden Punkt seien Hotels und Gaststätten als Arbeitgeber bereits attraktiver geworden: Die Löhne in der Branche steigen nach dem aktuellen Tarifvertrag für Sachsen deutlich. So liegt der Einstiegsverdienst ab Oktober bei 12,24 Euro pro Stunde. Fachkräfte kommen auf einen Stundenlohn von mindestens 12,88 Euro.
„Das ist ein enormer Schub fürs Portemonnaie der Beschäftigten. Jetzt kommt es darauf an, dass die Firmen den Tariflohn auch zahlen – und bei den Arbeitsbedingungen nachlegen“, so die NGG.

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