Noch äußern sich die Medien aufgrund der schwebenden Vorgänge ziemlich zurückhaltend zu den Veränderungen beim letzten deutschen Kaufhauskonzern „Galeria Karstadt Kaufhof“ (GKK) und der Ankündigung, 52 von 129 Filialen, darunter auch die in Leipzig bis Ende Juni 2023, zu schließen. Dies war am Montag, 13. März 2023, auch den Beschäftigten vor Ort in einer kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung mitgeteilt worden. Doch das „Spielfeld“ ist deutlich größer.

Dass die neuerliche Krise bei dem aus drei ehemaligen Konkurrenten zusammengebastelten „Galeria Karstadt Kaufhof“ (GKK) tiefer reicht, zeigen unter anderem genauere Berichte zum Beispiel der Tagesschau vom 13. März 2023, welche sich auf den Österreicher und Haupteigner von Galeria, René Benko und seine von weiteren namhaften Investoren gestützte „Signa-Gruppe“, einschießen.

Längst wird also auch beim Spiegel vermutet, warum laut Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, im Handelsblatt (Paid) die aktuellen „Listen, welche Häuser geschlossen werden und welche nicht, überhaupt nicht konsistent und nicht nachvollziehbar“ sind.

So deutet vieles unter anderem auch darauf hin, dass bei den Schließungsplänen nicht die Rentabilität einzelner Häuser im Zentrum der Entscheidungen stehen könnten, sondern die (steigenden) Werte der meist in den Stadtzentren gelegenen Immobilien oder der Grundstücke darunter.

Ende Januar 2023 bereits beschrieb die Tagesschau Teile der Geschäftsstrategie von Benkos Unternehmen „Signa“, wonach nur ausgewählte Standort drastisch aufgewertet und umgebaut werden sollen. Und was mit den anderen Standorten geschehen könnte.

So führe „die Reise für die meisten Warenhäuser von Karstadt und Kaufhof … zur Abrissbirne“. Dies wäre dann die andere Seite der jetzt geplanten Umbauten des „Kaufhaus des Westens“ (KaDeWe) zu einem 120er Jahre Einkaufstempel durch Benkos „Signa-Gruppe“ oder Investitionen in München.

Gemeint ist damit wohl auch das Leipziger „Galeria“ in der Innenstadt, egal, ob Abrissbirne, Verkauf oder radikale Abwendung vom Einzelhandel. Zwar geht der örtliche Betriebsrat davon aus, dass das Haus am Neumarkt 1 „schwarze Zahlen“ schreibe, also rentabel sei. Doch dies könnte beim großen Plan des Kaufhauskonzerns eine deutlich untergeordnete Rolle spielen – es sei denn, es gibt dafür erneut Geld vonseiten der Politik.

Wie die Sanierer des Unternehmens „Galeria Karstadt Kaufhof“ die Politik 2020 schon einmal und nun erneut versuchen in die Verantwortung zu nehmen, kann man in einem Kommentar des Handelsblattes ohne Paywall hier nachlesen.

Demnach könnte auch das im neuen Poker um die Standorte eine Rolle spielen: Jeder gerettete Standort würde als Erfolg gefeiert, während die Rettung mit weiteren finanziellen Zugeständnissen seitens Politik oder der Angestellten einhergeht. Verkürzt gesagt: Arbeitsplatzerhalt durch Steuergelder, zuletzt war von einem möglichen 460 Millionen-Darlehen seitens des Bundes an den Konzern die Rede.

Ist die Rettung überhaupt noch gewollt?

Ob das eine wirksame Strategie beim langsamen Niedergang des stationären Handels gegenüber dem Jahr um Jahr wachsenden Onlinehandel sein kann, ist mindestens fragwürdig. Auf diesen wiederum, so die Kritik, sei GKK bei der ersten Sanierungsrunde ab 2020 noch immer nicht genügend vorbereitet und auch nicht konsequent genug umgebaut worden.

Investitionskapital, was die Signa-Gruppe vielleicht auch einfach für andere Zwecke einsetzen will. Denn, so die Tagesschau bereits am 27. Januar 2023: „Erweisen sich die traditionellen Kaufhäuser als nicht überlebensfähig, lässt sich der Standort mit anderen Konzepten entwickeln, darunter Büros, Hotels und Wohnungen“.

Ob es also zukünftig in Leipzigs „Galeria“ am Neumarkt „Bekleidung, Schönheitspflege und Wohn-Accessoires“ zu kaufen gibt, Touristen hier ein Hotelzimmer finden oder neue Wohnungen entstehen, hängt nun unter anderem von der Gläubigerversammlung am 27. März 2023 ab. Dann wird über den aktuellen Plan der Eigentümer entschieden, bei dem beispielsweise der Standort Chemnitz erhalten werden soll. Wird er abgelehnt, droht dem „Galeria Karstadt Kaufhof“-Konzern die sofortige Insolvenz.

Gleichzeitig gibt es für mehrere Standorte ein noch weiter entferntes Entscheidungsgremium namens „RFR-Holding“ mit einem weltweiten Immobilienvermögen von 16 Milliarden US-Dollar (Eigendarstellung der deutschen Dependance in Frankfurt/Main). Darunter, so die LVZ (Paid), auch Leipzig. Damit befinde sich die Immobilie am Neumarkt 1 gar nicht im Besitz der „Signa-Gruppe“, sondern des deutsch-amerikanischen Immobilienunternehmens mit Hauptsitz in New York.

Damit könnten sich alle Appelle von örtlichen Politikern wie Sören Pellmann (MdB, Die Linke) oder der Gewerkschaft ver.di an den Kaufhauskonzern als gegenstandslos erweisen, da die Musik längst schon wieder an einem anderen Ort spielt. Und da haben die beiden deutschstämmigen Investoren Aby Rosen und Michael Fuchs womöglich gemeinsam mit René Benko eventuell längst andere Ziele für das Gebäude im Leipziger Zentrum.

Der Umbau zu einem zukunftsfähigen Kaufhaus in Zeiten von Primark und Online-Händlern wie Amazon oder Zalando samt ihrer Logistikzentren scheint jedenfalls nicht darunter zu sein.

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