Am Dienstag, 4. September, stellte Petra Köpping, Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, in Dresden ihre „Streitschrift für den Osten“ vor. Seit 2016 beschäftigt sie sich mit der Frage: Warum gärt es im Osten? Warum sind so viele Leute so unzufrieden? Warum sind sie fast 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution bereit, alles wieder preiszugeben und rechtsradikalen Scharfmachern zu folgen? Was ist da falschgelaufen?

Die Frage muss man erst einmal stellen. Und dann und wann hat sie auch mal jemand gestellt – um dann schnell zu merken, dass wieder niemand wirklich zuhört und Politik und Medien „zur Tagesordnung“ übergehen. Als wären die Kümmernisse der Ostdeutschen nicht so wichtig. Wurden sie nicht lang genug gepampert und subventioniert? Sollten sie nicht zufrieden sein?

Und da ist man schon mittendrin in der recht umfangeichen Analyse, die Petra Köpping in ihrem Buch vornimmt, das die Grundthesen ihrer Rede von 2016 aufnimmt, die sie zum Politischen Reformationstag der SPD in Leipzig hielt. Denn diese generöse Haltung beherrscht den deutsch-deutschen Dialog bis heute. Den nicht-existierenden deutsch-deutschen Dialog.

Denn genau das schält sich heraus, wenn Petra Köpping analysiert, wie die (Nicht-)Integration der Ostdeutschen seit 1990 tatsächlich ablief, die 1989 nicht nur die Friedliche Revolution machten (nein, das war nicht Helmut Kohl) und 1990 die Schritte zur deutschen Wiedervereinigung vorbereiteten und spätestens 1991 etwas erlebten, was die Westdeutschen niemals erlebt haben: den radikalen Umbau und Abbau ihrer Wirtschaft. Etwas, was Petra Köpping mit gutem Recht als neoliberale Schocktherapie bezeichnet.

Es gibt kaum einen Ostdeutschen, den dieser Radikalumbau und radikale Ausverkauf nicht betroffen hätte. Praktisch über Nacht verloren Millionen ihren angestammten Arbeitsplatz, während die allmächtige Treuhand in einem Affenzahn alles privatisierte, was mal „sozialistische Planwirtschaft“ gewesen war. Weshalb Petra Köpping auch beharrlich eine Aufarbeitung der Treuhand-Geschichte fordert. Denn bislang dominieren nur die hausinternen Heldengeschichten, die allesamt in die Phrase münden, diese überstürzte Radikalprivatisierung sei „alternativlos“ gewesen.

Privatisierung und Abrissbirne

Und dagegen stehen die vielen Skandalgeschichten, die gerade in den letzten Jahren der Treuhand publik wurden und davon erzählten, wie sich Schlitzohren bereicherten, wettbewerbsfähige Betriebe für 1 symbolische Mark an die Konkurrenz im Westen verkauft wurden, wie sich halbseidene Geschäftsmänner bereicherten und Versprechen gebrochen wurden, sowie nur der Betrieb den Besitzer gewechselt hatte.

Das Ergebnis ist eine Wirtschaftslandschaft, wo es so gut wie keinen großen Unternehmenssitz gibt, wo Produktivität und Löhne noch immer meilenweit hinter dem Bundesdurchschnitt hinterherhinken. Ganz zu schweigen von der kompletten Generation, die sofort mit diesem Kahlschlag ihre Koffer packte und der Arbeit hinterher in den Westen zog: 1,4 Millionen Menschen allein in den ersten Nach-„Wende“-Jahren.

Petra Köppings Streitschrift: Integriert doch erst mal uns! Foto: Ralf Julke
Petra Köppings Streitschrift: Integriert doch erst mal uns! Foto: Ralf Julke

Was gleich mehrere Folgen hatte. Denn da das fast alles junge, gut ausgebildete Fachkräfte waren, darunter besonders viele junge Frauen, begannen sich schon früh ganze Landstriche zu entvölkern. Die Geburtenrate brach auf nie gesehene 0,77 Kinder je Frau ein, Dörfer und Städte begannen zu überaltern. Und auf dem Fuß folgte überall der zweite Teil neoliberaler Politik: der Rückbau staatlicher Einrichtungen von Schulen über Krankenhäuser bis zu Polizeistationen, Gemeindeämtern und Poststellen. Bahnhöfe wurden stillgelegt, Buslinien eingestellt, der Dorfkonsum verschwand genauso wie so manche Poliklinik.

Und nur ein einziger sächsischer Ministerpräsident nahm davon überhaupt Notiz und versuchte mit „Demografiekonferenzen“ das Thema wenigstens zu besetzen, auch wenn Georg Milbradt dennoch keinen Ansatz fand, gegenzusteuern. Obwohl auch er schon wahrnehmen musste, dass diese entleerten und zurückgelassenen Regionen zunehmend von Rechtsradikalen besetzt wurden.

Man darf, wenn Petra Köpping all diese Dinge schildert, durchaus an andere Regionen Europas denken, denen es so ähnlich ging – von den alten englischen Industrierevieren über die einstigen französischen Bergbaureviere bis zum Ruhrpott, wo demnächst der Kohlebergbau zu Ende geht. Nur dass dem Ruhrpott, wie Köpping betont, niemals so ein radikaler Schnitt zugemutet wurde. Der Ausstieg aus der Kohle wurde dort solidarisch abgefedert.

Während der Osten ab 1990 regelrecht zum Experimentierfeld neoliberaler Arbeitsmarktrezepte wurde. Hunderttausende mussten – wenn sie denn Arbeit fanden – unter ihrer eigentlichen Qualifikation ganz neu anfangen, viele Berufsabschlüsse waren geradezu entwertet. Und je detaillierter Petra Köpping aufzählt, umso frischer sind die alten Wunden. Denn Helmut Kohl machte seine Politik vor allem für den Westen, tat alles dafür, dass sich der Westen nicht ändern musste – etwas, was besonders die Bürgerrechtler im Osten frustrierte. Ihnen wurde gar noch vorgeworfen, sie hätten ja eigentlich nur für eine andere DDR gekämpft, einen besseren Sozialismus.

Was ja stimmt: Die Friedliche Revolution war eine Revolution in der DDR

Kein einziger Westdeutscher darf sich dafür den Lorbeerkranz aufsetzen. Aber schon kurz nach der „Wende“ (zur Kohlschen D-Mark-Politik) galt auf einmal eine andere Lesart, wurde die Revolution quasi einverleibt und staatstragende Parteien, die im Herbst 1989 überhaupt keine Rolle gespielt hatten, erklärten sich vollbrüstig zu den eigentlichen Machern der Revolution.

Und die Ostdeutschen selbst? Die hatten gar keine Zeit, über das Dilemma auch nur nachzudenken. Wer sich völlig neu orientieren muss, der hat keinen Nerv für Politik. Der schult um, bewirbt sich tausendmal, nimmt jeden Strohhalm oder gründet – ohne dickes Geld auf dem Konto – auf volles Risiko ein eigenes Unternehmen.

Petra Köpping benutzt ein Wort, das viel zu selten benutzt wird: Aufbaugeneration. Die Ostdeutschen mussten ihre Wirtschaft nach 1990 genauso komplett wieder aufbauen, wie sie das schon einmal nach 1945 hatten tun müssen. Diesmal mit westdeutscher Schützenhilfe. Keine Frage. Aber diese Hilfe kommt ihnen bis heute teuer zu stehen – in einer allgegenwärtigen Verachtung, in Vorurteilen und permanenten Schuldgefühlen. Das große Geld landet dennoch bis heute vorrangig in den Firmenzentralen in westdeutschen Kommunen, in Ost war man froh, wenn wenigstens eine Produktionsstätte eröffnet wurde. Und genau so erlebt es Petra Köpping, wenn sie im Land herumeist. Die Ostdeutschen sind nicht stolz auf das Erreichte und auf ihre eigene Leistung dabei. Sie sind enttäuscht, fühlen sich minderwertig, zu einem großen Teil als Bürger 2. Klasse. Was auch der SachsenMonitor 2017 bestätigte.

Und oft werden sie auf den Ämtern auch so behandelt.

Es geht nicht immer um Geld, schreibt die Ministerin, die das Thema nicht mehr ruhen lässt, weil das Zuhören und Nachfragen immer wieder ein ähnliches Ergebnis bringt: Viele Menschen in Sachsen fühlen sich für ihre Lebensleistung nicht gewürdigt. Regelrecht darum gebracht. Auch und gerade jene, die in den zurückliegenden 28 Jahren die Zähne zusammengebissen haben, auf Einkommen verzichtet haben, die prekärsten Arbeitsplätze in Kauf genommen haben, nur um – die Formel fällt leider nicht – „niemandem auf der Tasche zu liegen“.

Erstaunlich, dass gerade diese Formel fehlt, obwohl sie das ganze Dilemma benennt wie keine andere. Denn diese Arbeiter, Bauern und Ingenieure im Osten waren immer Arbeitstiere. Es war Teil ihrer Erziehung gewesen, dass man dem Staat, „der einem das alles ermöglicht“, nicht auf der Tasche liegt, sondern mit seiner Hände Arbeit den eigenen Lebensunterhalt erwirbt und der Gemeinschaft alles zurückgibt.

Das ist ein ganz elementares Arbeitsethos.

Und eben diese Arbeitsamen erlebten dann ab 1991 so ziemlich alle, was es bedeutet, wenn die eigene Arbeitskraft auf einmal nicht mehr gefragt ist, wenn man gar noch darum betteln muss, dass man arbeiten darf.

Sorry, sehr geehrte Frau Köpping, jetzt schieße ich über Ihr Buch hinaus!

Aber genau zu der Frage kommt man, wenn man die aufmerksamen Schilderungen der Autorin liest. Wenn man wieder von der Wut der Menschen erfährt, die mit dem Abwracken ihrer Betriebe auch ihre ganze Lebensleistung verschwinden sahen. Und ihre sozialen Zusammenhänge. Denn Betriebe in der DDR waren soziale Welten – mit eigenen Kliniken, Kindergärten, Kulturhäusern, Sportvereinen. Was auch mit dem enormen Arbeitskräftebedarf des Landes zu tun hatte.

Und wenn man Frauen in Arbeit und Verantwortung bringen wollte, dann musste man ihnen eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Deswegen waren all diese „DDR-Erfindungen“ – von der (Betriebs-)Kita über Gesamtschulen (POS) bis zur Poliklinik (heute “Ärztehäuser”), keine sozialistischen Propagandastücke, sondern moderne Dienstleistungen. Die dann aber von den lernunwilligen Politikern West gleich wieder abgeschafft werden sollten.

Petra Köpping attestiert der westdeutschen Gesellschaft auch heute noch eine Rückständigkeit, die sich kaum ein anderes europäisches Land noch leistet. Die Überheblichkeit der ersten Jahre ist eigentlich zerplatzt – das, was in der DDR modern und sinnvoll war, kommt nach und nach doch wieder zu seinem Recht. Aber das werden die tollen Erfinder aus dem Westen nie zugeben. Und die ostdeutschen Konservativen ebenfalls nicht. Auf die Petra Köpping gar nicht gut zu sprechen ist. Schon gar nicht auf die sächsischen, die die vielen, überall sichtbaren Probleme immer zugekleistert haben mit schöner Tünche. Sachsen sei ja so ein tolles Ausnahmeland.

Welchen Wert hat der Osten politisch?

Die Dauerregierenden haben ihre Chancen, die ihre vielen Wahlsiege ihnen verschafften, nie genutzt und dafür gesorgt, dass die ostdeutschen Bundesländer in der Bundespolitik eine hörbare Stimme und ein merklich höheres Gewicht bekommen. Sie sitzen bis heute am Katzentisch, auch in den Parteien. Auch in der AfD, wie Petra Köpping zu Recht feststellt – denn wieder ist es ein paar westdeutschen Karrieristen gelungen, auch dort die Führungsspitze zu besetzen.

Was auch mit Sozialisation zu tun hat. Augenscheinlich haben es mittlerweile auch die Ostdeutschen der ersten und zweiten Nach-„Wende“-Generation verinnerlicht, dass man schön die Klappe hält und dem selbstbewussten Zampano aus Hannover oder Baden die Sprecherrolle überlässt. Der kann das ja besser. Augenscheinlich sitzt auch diese Selbstabwertung tief. Wer ein schlechtes Selbstbild hat, der duckt sich lieber. Der hat ein schlechtes Gewissen. Fast 30 Jahre geballte Vorwürfe aus dem „reichen“ Westen an den immer noch „unselbstständigen“ Osten zeigen Wirkung.

Und dabei kommen alle diese Vorwürfe in der Regel aus völligem Unwissen. Auch die großen Medien im Westen haben sich vor 2015 und PEGIDA nicht die Bohne für den Osten interessiert. Und auch heute noch veröffentlichen sie Beiträge zum Osten meist nur in Sonderbeilagen, die nur im Osten verteilt werden.

Der deutsch-deutsche Dialog über die „Nachwendezeit“ ist noch nicht einmal in Gang gekommen. Auch nicht im Osten. Auch wenn Petra Köpping dafür plädiert, dass es zwingend ein deutsch-deutscher Dialog sein muss – auf Augenhöhe. Aber zur Geschichte gehört eben auch, dass auch die Ostdeutschen ihre Verletzungen nicht aufgearbeitet haben. Nicht aufarbeiten durften. Sonst müsste ja Petra Köpping nicht durchs Land fahren und die Frustrierten und Deprimierten abholen aus ihrem Schweigen.

Denn wenn niemand zuhören will und die Regierung alles für prächtig erklärt, dann ist für die Aufarbeitung der Fehler und Verletzungen kein Platz. Dann steht jeder allein da mit seiner Geschichte und wird sie nicht los. Auch nicht an die Kinder. Denn zur ostdeutschen Frustration gehört nun einmal auch dieser radikale Bruch der Generationen – mit Kindern, die vor allem im Westen gelernt und Karriere gemacht haben und bei der Heimkehr mit ihren Eltern keine gemeinsame Gesprächsebene mehr gefunden haben.

Relativ früh in ihrer Streitschrift schreibt Petra Köpping einen Satz, der zu denken geben sollte: „Wenn man Ostdeutschland vergleicht, dann gleicht es eher der neoliberalen Schocktherapie in Großbritannien unter Margaret Thatcher. Am Ende dieser Entwicklung steht der Brexit.“

Darüber darf nachgedacht werden. Weil der deutsche Osten gerade dabei ist, seinen inneren Exit zu beschreiten. Und weil das auch diversen Vorgängen in Osteuropa gleicht, wo genauso rabiat mit der Schocktherapie gearbeitet wurde. Und augenscheinlich ist Nationalismus überall das Wundermittel, bei dem die Enttäuschten und Gedemütigten ihre Hoffnung suchen. Nicht wahrhaben wollend, dass die Medizin noch schlimmer ist als die Krankheit.

Logisch, dass Petra Köpping endlich eine ehrliche Diskussion über den Osten einfordert. Man beseitigt das weitverbreitete Gefühl der Demütigung und Nicht-Anerkennung nicht dadurch, dass man immer wieder dieselben (und wahrscheinlich falschen) Vorwürfe äußert und sich diese lästigen Ostdeutschen auch 28 Jahre nach der (Nicht-)Wiedervereinigung wie lästige Fliegen vom Leib halten will.

Wenn man das so formuliert, merkt man: Es geht um ganz Deutschland, um ein ganzes Land in der Krise, weil die Politik nicht mehr zu den Bedürfnissen der Menschen passt – und die Folgen neoliberaler Politik immer wieder schönredet, ohne die psychologischen Folgen sehen zu wollen.

„Der Osten muss sich seinen Platz in der gesamtdeutschen Geschichte erkämpfen“, schreibt Köpping. „Daher darf es keine Fortschreibung allein der westdeutschen Perspektive geben.“

Höchste Zeit wird’s.

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Marcus Böicks dickes Buch über die Treuhand und die Menschen, die die komplette DDR-Wirtschaft privatisierten

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Ein Interview mit Petra Köpping, Staatsministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen (Teil 1)

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Es gibt 8 Kommentare

Die Umgestaltung der DDR-Wirtschaft hätte gestaltet werden müssen.
Das war politisch nicht gewollt und die Treuhandanstalt auch nicht dazu gedacht und in der Lage.
Durch die Einführung der D-Mark und das abrupte Ende der Planwirtschaft brachen für DDR-Betriebe mit einem Schlag die Absatzmärkte weg.
Auch Betriebe deren Belegschaft, auch mit eigenen finanziellen Mitteln, für den Erhalt kämpften, hatten gegen die westliche etablierte Konkurrenz keine Chance sich neue Absatzmärkte von einem Tag auf den anderen zu erschließen.
Der Handel mit den anderen RGW-Staaten war nicht mehr möglich, da diese nicht mit Devisen (D-Mark, Dollar) bezahlen konnten.
Und Planwirtschaft im Inland bedeutete, dass es für jeden Bezirk eine zentrale Bestellung und Zuteilung an den Handel gab.
Diese erfolgte wochentäglich in bezirkszentralen Datenverarbeitungszentren, also der Bedarf wurde staatlich bestimmt und dem entprechend mehr oder weniger schlecht von den Betrieben, im ständigen Kampf mit staatlichen Institutionen um mangelnde Investitionen in Maschinen, Rohstoffe, Zulieferteile etc., versucht zu erfüllen.
Also, irgendwelche Marketing- und Absatzabteilungen gab es in den Betrieben schlicht nicht.

Zum Thema DDR-Planwirtschaft (und dem von vornherein aussichtslosen wirtschaftlichen Überlebenskampf eines zu kleinen Landes u.a.) gibt es eine interessante MDR-Doku in zwei Teilen:

Die Außenhändler die DDR im Angebot
https://www.youtube.com/watch?v=REIE_i5KgZ0

Die Außenhändler die DDR im Ausverkauf
https://www.youtube.com/watch?v=tSM4C3wfibc

@Alexander
Das ist nur bedingt korrekt. Nicht immer war das nur eine Mark! Die “Startbedingungen” waren nicht gleich. Kein Ostdeutscher hat nach der Vereinigung einen adäquaten Kredit bekommen, oder konnte beim Firmen- und Grundstückshandel, wo clevererweise nur Bares erlaubt war, punkten. (Dagegen haben “Westkanzleien” im 8stelligen Bereich abgesahnt bei Grundbuchübertragungen, da zählten bspw. auch kommunale Grünflächen).

Die Einheit hätte tatsächlich mehr moderiert und gesteuert werden müssen. Neue Bundesländer – siehe oben – wären eine gute Idee gewesen, aber evtl. auch mit einem Identitätsverlust einher gegangen.
So hat der Markt alles geregelt, mit aller Härte und den Chancen, die sich dem etablierten Kapitalismus mit dem Zuschlag der neuen Bundesländer ergaben.
Die Erweiterung der EU und das nun zusätzliche Gefälle Richtung Ost und Süd war diesbezüglich politisch schön, aber für die Bewohner der östlichen Bundesländer wirtschaftlich von Nachteil.

Das Ost-Geningel ,wie z.B. von Herrn Steimle, nervt mich auch sehr; eine faire Betrachtung für die im Osten auch jetzt noch wirtschaftlich Benachteiligten halte ich jedoch für legitim.

@Axel
Das ist von mir bewusst stark vereinfacht dargestellt. Es geht darum, dass wir selbst auch einen Anteil daran tragen und es wenig hilfreich ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Firmen hätten übrigens auch wir kaufen können, für die gleiche symbolische Westmark. Teils ist das passiert, nur eben sehr selten, weil wir uns das nicht zugetraut haben, weil wir Duckmäuser*innen sind/waren, weil wir Angst hatten, weil wir nicht mutig waren oder weil es uns einfach nicht interessierte.

@Alexander
Das ist mir zu simpel gedacht. Ja, es ist EIN Grund mit, aber auch nicht der Entscheidenste, eher 1 von x. Gravierendere Folgen hatten hier u.a. der Wechselkurs (Warum wurde der wohl u.a. aus “wirtschaftlichen” Gründen SO festgelegt?), die Anerkennung z.B. von Betriebsrenten, die Handlungsweise der Treuhand + deren Folgen und das fehlende Selbstvertrauen uns gg. die massenhaften Importe “kompetenter” Politiker, Geschäftsführer, Investoren etc. stärker zu wehren. Letzteres ist jetzt natürlich im Nachhinein leichter gesagt, als damals getan und es gibt durchaus auch noch weitere Gründe.

@Kathrin
Zitat: “war seine Arbeit doch bisher immer wichtig und wertgeschätzt. So mancher war im Kampf um Exportplanerfüllung gar Aktivist geworden. Die hergestellten Produkte waren begehrt im Westen.”
Der Absatzmarkt West war allerdings nicht das Problem. Der Hauptgrund für die meisten Pleiten waren wir, die Ossis, selbst, weil wir unserem hemmungslosen Konsumrausch nach Westprodukten gefolgt sind und die Ostprodukte erst ab Ende der 1990er wieder für uns entdeckten. Wir selbst haben unsere Leistungen verachtet und deshalb war es auch folgerichtig, dass wir arbeitslos wurden und eine kleine Rente bekommen (werden). Da hilft es auch nichts, wenn man sich jetzt hinstellt und mit dem Finger auf andere zeigt. Wir selbst haben das verbockt.

Ja, es ist die gleiche Leier. Weil es nach wie vor für Millionen Ostdeutsche zum Alltag gehört, dass das Leben vor 1990 mies und madig gemacht wird, die Arbeit nicht anerkannt wird, auch heute noch nicht anerkannt wird, wie man an Löhnen und Renten täglich sehen kann. Renten … da war doch mal was? Ach ja, richtig: die millionenfache Arbeitslosigkeit nach der Wende. Ein Schock, eine bisher ungeahnte Möglichkeit. Nie im Leben hat da einer dran gedacht, dass es ihn mal erwischen könnte, war seine Arbeit doch bisher immer wichtig und wertgeschätzt. So mancher war im Kampf um Exportplanerfüllung gar Aktivist geworden. Die hergestellten Produkte waren begehrt im Westen. Und nun nix mehr wert, Abfall, Geschichte. So etwas sitzt tief. Wer erlebt hat, wie Betriebe mühsam aufgebaut wurden, Volkes Eigentum, und dann mit einem Federstrich der Treuhandschergen für 1 DM verramscht wurden, wie die Immobilienfiletstücken für unglaubliche Summen verhökert wurden, während die ehemaligen Arbeiter in der Endlosschleife Arbeitslos-Umschulung-Arbeitslos-ABM-Arbeitslos-Umschulung usw steckten, ohne wirkliche Aussicht auf Besserung, der glaubt nicht mehr viel von den schönen Pressemeldungen über den Aufschhwung. Der hat zu tun, seine Brüche in der Biografie einem potenziellen Arbeitgeber zu erklären, der muss mit Renteneinbußen leben, der hat verloren. Verlierer will aber keiner sein.

Immer die gleiche Leier: Wende, Arbeitsplatzverlust, Privatisierung, Neoliberalismus, “Nichtanerkennung von Lebensleistungen” usw. usw. usw.

Die Wende ist jetzt fast 30 Jahre her und den Menschen in Cottbus, Dresden oder Chemnitz geht es heutzutage doch wohl eher darum, dass sie sich ohne Angst auf den Bahnhof, in die Innenstadt oder Parkanlagen trauen können.
Kann Frau Köpping aber nicht wissen, da sie die letzten drei Jahre ja scheinbar mit dem Schreiben eines “nicht hilfreichen” Buches verplempert hat.

Mit beigetragen zur fortdauernden Spaltung Deutschlands hat sicher auch die Beibehaltung des föderalen Systems, namentlich der alten Bundesländer unter Hinzufügung “neuer” Länder, die die Grenzen der beiden ehemaligen deutschen Staaten auch heute noch nicht nur auf jeder Landkarte sichtbar werden lassen. Indem man so bequem zwischen “alten” und “neuen” Ländern, zwischen Ost und West schön sauber trennen konnte und kann, hat man jedenfalls nichts dazu beigetragen, die Teilung zu überwinden. Vllt. wäre es besser (gewesen), die Länder abzuschaffen und nur ein (einiges) Deutschland zu betrachten…

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