Am Karfreitag 1724 wurde Bachs erste Leipziger Passionsmusik erstmals in der Nikolaikirche aufgeführt. Das rund zweistündige Werk übertraf alles in der Messestadt bisher Dagewesene. Das Bachfest präsentierte seinen Besuchern die Johannes-Passion 2015 am Ort der Uraufführung. Am Donnerstag wagte sich Philippe Herreweghe, Pionier der historischen Aufführungspraxis, mit dem Collegium Vocale Gent in der Nikolaikirche an eine Aufführung des opulenten Sakralwerks.

Das Collegium Vocale Gent wurde 1970 von Herreweghe ins Leben gerufen. Der Chor hat sich als einer der Ersten auf die Interpretation von Alter Musik nach der historischen Aufführungspraxis spezialisiert. Für die instrumentale Umrahmung der Auftritte sorgt seit 1989 regelmäßig das Orchester des Collegium Vocale, das auch bei der Aufführung am Donnerstag mitwirkte.

Der zwölfköpfige Chor konnte die Chöre und Choräle freilich nicht mit der durchschlagenden Wucht vortragen, wie man es als Leipziger von den Aufführungen der Thomaner gewohnt ist. Jedoch kommt die schmale Besetzung der historischen Aufführungssituation nahe. Denn Bachs Thomanerchor war bei weitem nicht so üppig disponiert wie heutzutage üblich. Die Chorprofis aus dem belgischen Gent erwiesen sich als notenfest und äußerst wandlungsfähig. Die schwierigen Passagen meisterten die Sängerinnen und Sänger ohne erkennbare Schwierigkeiten.

Philippe Herreweghe. Foto: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes
Philippe Herreweghe. Foto: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

Solistisch war der Abend gleichfalls hochkarätig besetzt. Das Bachfest ist mithin bekannt dafür, die ganz großen Namen in die Messestadt zu locken. Konzertstar Thomas Hobbs sang den Evangelisten in einem ergreifenden, missionarischen Duktus. Florian Boeschs väterlich anmutender und in seiner Wirkung mächtiger Jesus-Bass setzte hierzu den vokalen Kontrapunkt.

Sopranistin Dorothee Mields bebende Sopran-Stimme fügte sich nahtlos in die sakrale Mystik ein, die Herreweghes Dirigat ummantelte. Altus Damien Guillon betörte die Zuhörer mit seinem zarten, jugendlichen Timbre. Tenor Sebastian Kohlhepp und Bass Peter Kooji erledigten solide Jobs, ohne dabei extrem hervorzustechen.

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