Am 2. Dezember 2015 ist es wieder soweit: Die Universität Leipzig begeht aus Anlass ihres 606. Geburtstages den "Dies academicus". 1409 wurde sie im Refektorium des Thomasklosters gegründet - ungefähr dort, wo sich heute die Linkskurve in der Tiefgarageneinfahrt zur Marktgalerie auf der Nordseite der Thomaskirche befindet. Am 02.12.2015 kommt es zu einem herausragenden Ereignis: Zum ersten Mal wird die Universitätsvesper, sonst mittwochs um 18:00 Uhr in der Thomaskirche gehalten, in der neuen Universitätskirche St. Pauli gefeiert.

Diese ist zwar immer noch nicht ganz fertiggestellt, aber so weit nutzbar, dass dieses überaus erfreuliche Ereignis stattfinden kann. Man sollte meinen, die Universität wird diese Vesper als einen Höhepunkt des “Dies academicus” begehen. Doch weit gefehlt. Im Programm für diesen Tag fehlt jeder Hinweis auf die Universitätsvesper. Nur der Insider kann ahnen, dass am kommenden Mittwoch der Vespergottesdienst nicht in der Thomaskirche sondern in der neuen Universitätskirche gehalten wird. Offizielle Lesart (aber auch nur intern kommuniziert): Es stünden nur 120 Plätze zur Verfügung; da müssten Eintrittskarten ausgegeben werden. Diese sind inzwischen intern irgendwie verteilt worden. Offensichtlich haben sich auf dieses sattsam bekannte, unwürdige Spielchen sowohl die Theologische Fakultät, der Universitätsprediger wie auch der Paulinerverein eingelassen, anstatt eine öffentliche Kommunikation zu befördern. Das erinnert fatal an das vergangene Jahr, als die Grundsteinlegung für den Paulineralter zum Skandal geriet: Hunderte Menschen wurden nicht in die Universitätskirche gelassen, obwohl ausreichend Platz war.

Nun droht die Wiederholung dieses peinlichen Vorgangs. Doch die Universitätsleitung könnte dies noch verhindern. Sie muss nur den Gesamtraum zugänglich machen. Dazu bedarf es nur eines Knopfdrucks – und die Glaswand verliert ihre trennende Wirkung zwischen Altarraum und Langhaus der neuen Universitätskirche. Diese Glaswand muss sowieso in den nächsten Wochen geöffnet bleiben, da die neue Jehmlich-Orgel intoniert wird. Dieses ist nur bei geöffneter Glaswand möglich. Außerdem wird sich die Universitätsleitung überlegen müssen, wie ihr Verhalten, wenn es bei der Winkelmesse-Aktion bleibt, mit der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit in Einklang zu bringen ist. Denn die Vesper ist ein öffentlicher Gottesdienst – und muss jedermann und jederfrau zugänglich sein. Eine Abschottung wäre eine schwere Verletzung dieses Grundrechtes.

Da könnten sich dann die Juristen am “Dies academicus” sofort mit einer Frage beschäftigen, die in Leipzig auch an anderer Stelle höchste Aktualität erlangt hat. Doch noch sollte niemand die Hoffnung aufgeben, dass die Universitätsleitung zu einer Haltung findet, die der Würde der neuen Universitätskirche St. Pauli entspricht – zumal die Ansprache in der Vesper vom Prorektor der Universität, Prof. Dr. Matthias Schwarz, gehalten wird. Also kann man nur hoffen, dass sich nicht nur viele Bürgerinnen und Bürger Leipzigs, sondern vor allem viele Studierende der Universität aufgerufen sehen, an diesem Vespergottesdienst teilzunehmen. Im Ãœbrigen sollten allmählich alle einsehen: Es wird alles so kommen, wie es der Geschichte dieser Universität entspricht: die neue Universitätskirche St. Pauli wird nicht nur so heißen, sondern sie wird auch als Gesamtraum in ihrer Dreifachnutzung – gottesdienstlich, akademisch, musikalisch – zu einem herausragenden geistigen und geistlichen Zentrum dieser Stadt.

Mit diesem Pfund sollte die Universität Leipzig wuchern, was angesichts der Gesamtlage in unserer Gesellschaft dringend erforderlich ist. Denn wir brauchen die Orte, an denen an die Grundwerte eines demokratischen, multireligiösen, menschenwürdigen Zusammenlebens erinnert wird und diese aus der Tradition erneuert und gestärkt werden. Schließlich könnte die Universitätsleitung den kommenden Mittwoch dazu nutzen, den Druck auf den Freistaat Sachsen zu erhöhen, dass nun endlich die neue Universitätskirche fertiggestellt wird.

Nur Mut: am 02.12.2015 um 18:00 Uhr Universitätsvesper in der neuen Universitätskirche St. Pauli.

Zum Blog von Christian Wolff
www.wolff-christian.de

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Es gibt 3 Kommentare

War ja klar, dass sich wieder flugs jemand von der Sprengfraktion meldet, die am liebsten die Universitätskirche jeden Tag von neuem sprengen würde.

Das Gebäude heißt korrekt:
“Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli”

Der Raum zwischen Glaswand und Altar ist explizit als Andachtsraum benannt und wird auch so benutzt werden. Die Universitätsleitung hat hier also formal richtig gehandelt.

Mich wundert es nun, dass der Erste Universitätsprediger es fertig bringt, einen Gottesdienst als geschlossene Veranstaltung durchführen zu wollen. Das ist theologisch überhaupt nicht tragbar. Herr Wolff hat in dieser Sache völlig recht.

Das Paulinum halte ich übrigens für einen absolut genialen Veranstaltungsort. Schade, dass die Universitätsleitung die Fertigstellung Jahr für Jahr verschleppt. Und an der Plastikwand festhält.

Das “Glas” ist nämlich Polymethylmethacrylat, vulgo Acrylglas. Man kann ja schon ins Paulinum reingucken und bekommt sofort Schmerzen auf der Netzhaut, wenn man diese ganze Plaste sieht. Von der Flatterakustik noch gar nicht gesprochen. – Aber ich bin mir sicher, dass man diese Plastikwand bald wieder zersägen wird.

“Es stünden nur 120 Plätze zur Verfügung; da müssten Eintrittskarten ausgegeben werden. Diese sind inzwischen intern irgendwie verteilt worden.”

Fragen des Wochenendes:

Weshalb hat Herr Wolff keine Eintrittskarte erhalten?

Was hat Herr Wolff geplant, auch wenn der Plan wie bei Egon Olsen nicht aufgehen wird, dass er das Geschehen beim Vespergottesdienst miterleben darf?

Wie viele “Gesinnungsfreund/innen/e” kann er für sein neuerliches Protest-Vorhaben mobilisieren?

Welche Pressevertreter wurden auf dieses Spektakel hingewiesen, um pünktlich vor Ort zu sein?

Wie viel Pressevertreter werden kommen?

Nur Mut für die Antworten!

Das Paulinum ist keine Kirche. Braucht es auch nicht zu sein, denn Kirchen haben wir nun wahrlich genug in Leipzig. Und wenn jemand verbreitet, (nur) die Kirchen seien Orte, “an denen an die Grundwerte eines demokratischen, multireligiösen, menschenwürdigen Zusammenlebens erinnert wird” , dann muss ich mich zusammenreißen, um nicht ausfällig zu werden!

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