Eigentlich ist alles ausdiskutiert zum Thema "autoarme Innenstadt". Das alte Verkehrsleitkonzept wurde selbst von der Leipziger Stadtverwaltung vor zwei Jahren für gescheitert erklärt. Beschilderungen wurden nicht respektiert, Poller mutwillig umgefahren. Auf einigen Straßen herrschte das Gesetz der großen PS. Das musste sich ändern. Das ändert sich gerade.

Im Juli kündigte das Baudezernat an, was alles getan wird, um das motorisierte Chaos in der Innenstadt zu mindern. Die “Bild”-Zeitung berichtete zwar erst vor Tagen vor allem darüber, wie Dutzende Stellplätze jetzt in Fahrradabstellanlagen verwandelt werden. Dass längst über 8.000 öffentliche Stellplätze in Tiefgaragen und Parkhäusern existieren, die selten voll belegt sind – kein Wort davon. Die 600 noch vorhandenen oberirdischen Stellplätze in der Innenstadt animieren bis heute viele Autobesitzer, eben doch “auf gut Glück” reinzufahren in die Innenstadt und zu suchen. Manche umrunden dabei mehrmals das Neue Rathaus, kurven um den Burgplatz und gucken ergrimmt, wenn Fußgänger ihren Weg kreuzen.

Nichts ist so unattraktiv wie eine Innenstadt, in der Autofahrer doch immer wieder ihre Vorrechte suchen.

Und so recht verstehen auch die Grünen nicht, warum die CDU in den letzten Tagen wieder gegen ein Programm opponiert, das vom Stadtrat so beschlossen wurde. Auch weil Leipzigs Innenstadt mit ihren allgegenwärtigen Parkplatzsuchern ins Hintertreffen zu geraten droht gegenüber anderen Großstädten, die sehr wohl begriffen haben, dass Autos in Fußgängerzonen und touristisch attraktiven Innenstadtlagen nichts zu suchen haben.

Und so kommentiert denn auch Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die wilde Wortfechterei der letzten Tag mit Verwunderung: “Das Mehr an Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ist durch Geld nicht aufzuwiegen. Die Attraktivität der Innenstadt ist durch die Umsetzung des Konzeptes der autoarmen Innenstadt deutlich gestiegen. Denn die vielen Menschen kommen sicher nicht in die Innenstadt, um den Parksuchverkehr zu bestaunen, sondern aufgrund der hohen Aufenthaltsqualität der autoarmen Innenstadt.“

Dies werde nicht zuletzt daran deutlich, dass die LVB ab November den Takt auf allen Straßenbahnlinien verdichten wollen, ausdrücklich mit der Begründung der gestiegenen Fahrgastzahlen in Richtung Innenstadt.

“Während die LVB aufgrund der vielen Fahrgäste in Richtung Innenstadt ihren Takt verdichten, sind die Tiefgaragen weiterhin nicht bzw. nur sehr selten ausgelastet”, benennt von der Heide ein typisch Leipziger Phänomen. Denn die oberirdischen Stellplätze am Neumarkt, in der Katharinenstraße und anderswo in der City sorgen genau für das zu beobachtende Vermeidungsverhalten: 20 Jahre lang hat Leipzig den Bau der Parkhäuser forciert mit der Begründung, das Parken in den Straßen der Innenstadt überflüssig zu machen. Doch warum ins Parkhaus fahren, wenn man drinnen in den Straßen doch irgendwo ein Plätzchen findet und 100 Meter Fußweg einsparen kann?

Ein eindeutig selbst produziertes Problem, das aber eben zulasten einer attraktiven Innenstadt geht.

“Die Reduzierung der oberirdischen Parkplätze hat kaum Nachteile, weil weiterhin genügend Parkraumangebot besteht, aber Vorteile für alle Besucherinnen und Besucher der Innenstadt, egal ob aus Leipzig oder Touristen von auswärts. Auch die Händlerinnen und Händler werden von den Änderungen profitieren und damit indirekt auch die Stadt und ihr Haushalt”, meint Daniel von der Heide.

Dennoch findet von der Heide auch eine gemeinsame Position mit der CDU. Man staune. Aber zum Ausweichverhalten gehörten eben bis jetzt immer auch allerlei Stellflächen, auf denen – mitten im teuersten Stück der Stadt – kostenlos geparkt werden konnte.

“Es ist doch schön zu wissen, dass wir uns auch mal mit der CDU gemeinsam darüber freuen können, dass im Zuge der Änderungen in der Innenstadt auch die letzten kostenlosen Parkplätze innerhalb des Ringes nun endlich bewirtschaftet werden und die Stadt nicht weiter auf die Einnahmen aus der Nutzung des öffentlichen Raumes als Parkfläche verzichtet”, freut sich der Grünen-Abgeordnete.

Und man vergisst bei der Diskussion um Stellplätze beinah, dass die Stadt sich auch die Neubeschilderung eine Stange Geld hat kosten lassen. Jetzt wird wirklich jedes Stück Straße eindeutig beschildert, wo man vorher noch fünf Jahre lang glaubte, es würde eine allgemeine Beschilderung an den Zufahrten der Innenstadt reichen. Reihenweise konnten Falschparker dann die Zahlung von Ordnungsgeldern abwehren, weil sie sich darauf beriefen, der konkrete Stellplatz sei nicht als gebührenpflichtig ausgewiesen worden.

Trickserei hat die ganze Zeit über auch so zu Gebührenausfällen für die Stadtkasse gesorgt, langwierige Rechtsstreitigkeiten nach sich gezogen – am wilden Parken aber eben nichts geändert.

Und manch älterer Stadtrat erinnert sich mit Trauer an die frühen 1990 Jahre, als es der Stadtrat tatsächlich in der Hand hatte, die Innenstadt autofrei zu machen und das Parken endgültig in Tief- und Hochgaragen am City-Rand zu verlagern. Dass man sich zu einer so eindeutigen Regelung nicht durchringen konnte, hat vor allem das Ordnungsamt seit Jahren nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Und auch die Wortmeldungen zur jetzt neu entfachten Debatte haben ja ausgerechnet die Politessen immer wieder angegriffen und ihnen ein wildes Knöllchenverteilen unterstellt, wo sie tatsächlich nicht mehr hinterher kamen, die auf Gehwegen, Feuerwehrstellflächen, Kreuzungen und Ladezonen abgestellten Nobelkarossen zu registrieren. Apropos Ladezonen: Mit der jetzt erfolgten Neuorganisation soll es auch endlich feste Ladezonen für die Geschäfte in den Fußgängerzonen geben, weil die Lieferfahrzeuge bis jetzt selbst nach 11 Uhr immer noch die Fußgängerbereiche verstellen.

Das, was da in der City gerade umorganisiert wird, ist viel komplexer, als es die Autofreunde gerade diskutieren. Und es ist seit Jahren überfällig.

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“Auf einigen Straßen herrschte das Gesetz der großen PS.” Leider steckt diese Mentalität noch in den Köpfen.
Zu beobachten war dies gestern am frühen Abend am Augustusplatz.
Ein Durchfahrt gesperrt Schild mit einer Querbarke neben der Parkhausausfahrt Richtung Grassimuseum wurde oft und teils rabiat umfahren. Es war den Mecklenburgischen Polizisten nicht bekannt, wer dies aufgestellt hatte und zu diesem Zeitpunkt auch nicht nötig. Das Ordungsamt soll außerdem weiterhin Autofahrer die Goethestraße hinauf geschickt haben, wo es dann nicht weiterging.

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