Ein Beschluss an der Kante. Oder um es mit Finanzdezernent Torsten Bonew zu sagen, an den Grenzen des rechtlich Machbaren und des finanziell möglichen. Insgesamt erteilte der Leipziger Stadtrat am Mittwoch, den 8. Juli, Oberbürgermeister Burkhard Jung die Ermächtigung, bis zu maximal 3 Millionen Euro für kommende Ertüchtigungen der beiden Notunterbringungen für 350 Flüchtlinge auszugeben. Und mit der Summe eventuell weitere nötige Maßnahmen in den kommenden Monaten bei einem Anstieg der Flüchtlingszahlen einzuleiten.

Es ist viel Geld und es muss schnell fließen. Einfach haben es sich die Stadträte trotz der Eile nicht gemacht. Doch ein Konsens trug am Ende die Entscheidung ohne den abwesenden NPD-Stadtrat Enrico Böhm und ohne die abschlägig votierenden AfD-Stadträte. Keiner der Stadträte hatte vor, sich der Verantwortung für eine möglichst rasche und unbürokratische Hilfe bei der Unterbringung der aktuell 350 Flüchtlinge in den jeweils alten Gebäuden der 3. Grundschule in der Scharnhorststraße und in der Pablo-Neruda-Schule in der Tarostraße 6 zu entziehen.

Die Worte für das Kommende fand Oberbürgermeister Burkhard Jung, welcher um die Freigabe der Gelder für einen reibungslosen Ablauf und schnelle Umsetzungen warb. „Ich bitte Sie einfach um Vertrauen. Die Zahlen, die wir jetzt gemeldet bekommen, werden sich im nächsten Monat bereits überlebt haben. Wir müssen schnell reagieren können. Und ich habe bereits einen Krisenstab eingerichtet. Wir wollen hier nicht in die Situation kommen, dass wir Zelte aufstellen müssen.“

Prüfen, prüfen, prüfen – trotz der Eile

Norman Volger (Grüne) verlangte dennoch, dass die Mittel, welche über die 2 Millionen Hauptsumme hinausgehen erneut belegt werden müssen. Auch, weil sich hier die Möglichkeiten ergeben, mehr integrative Maßnahmen zu realisieren. OB Jung drückte seine Hoffnung aus, dass er dieses Geld hoffentlich nicht brauche und sagte den Bericht zu. Eine Mittelverwendung ohne Kontrolle wird es auch trotz des scheinbaren 3 Millionen-Blanko-Schecks nicht geben. Nicht zuletzt auch, weil fremdenfeindliche Strömungen gern argumentieren, es sei generell zuviel Geld, welches in die Flüchtlingsunterbringungen fließe. Eigentlich nie nennen sie den Gesamtrahmen knapper Haushaltspolitik, wo ein Jahreshaushalt Leipzigs aus gesamt 1,4 Milliarden Euro besteht. Der größte Teil seit Jahren für Sozial-, Schul- und Förderleistungen weitab der Flüchtlingsproblematik.

Dass noch weit mehr in die Planungs- und Finanzierzungsebene hineinspielt als mal eben Geld zu bewilligen, wurde im Rahmen der 20-minütigen Debatte sehr deutlich.

Am Ende blieb es bei Burkhard Jung, sich für das Vertrauen des Rates zu bedanken.

In der Abstimmung wurden alle Punkte einzeln abgestimmt. AfD stimmte gegen die Gelder, der Rest des Hauses stimmte allen Punkten geschlossen zu. Bei der Zusatzmillion unter einigen Enthaltungen bei der Linken, welche gern mehr Finanzkontrolle gesehen hätten. Der von den Grünen dazu eingebrachte Prüfauftrag, welcher den OBM verpflichtet, über die 3. Millionen im Falle einer Nutzung zu berichten, fand auch breite Zustimmung.

Das Audio aus dem Stadtrat zum Nachhören

Der vollständige Beschluss (in der Hauptsache) laut Verwaltungsvorlage

1. Die Bereitstellung von überplanmäßigen Aufwendungen im zentralen Budget „Amt 50 Bauliche und technische Unterhaltung“ (50_UH), für die die Deckung aus dem Budget „Hilfen für Asylbewerber“ (50_313_ZW) erfolgt, gilt als unerheblich im Sinne des § 79 (1) SächsGemO. Über diese entscheidet der Oberbürgermeister.

2. Die Ratsversammlung beschließt zur Erhöhung der Flexibilität der Verwaltung die pauschale Bereitstellung von über-/außerplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen gemäß § 79 (1) SächsGemO in Höhe von 2,0 Mio. € für das Jahr 2015. Je nach Erfordernis werden die zusätzlichen Mittel als Aufwendungen im Ergebnishaushalt oder als Auszahlungen im Finanzhaushalt/Investitionsplan zur Verfügung gestellt.

Die Deckung für Maßnahmen des Ergebnishaushaltes erfolgt aus der Kostenstelle „Unterjährige Finanzierung ohne Deckung Ergebnishaushalt“ (1098600000), wobei die Bereitstellung der Mittel erst dann erfolgt, wenn die planmäßig veranschlagten Mittel im Budget „Hilfen für Asylbewerber“ (50_313_ZW) ausgeschöpft sind.

Die Deckung für Maßnahmen des Finanzhaushaltes/Investitionsplan erfolgt aus der Kostenstelle „Unterjährige Finanzierung ohne Deckung Finanzhaushalt“ (1098700000).

3. Wenn die zusätzlich bereitgestellten Mittel in Höhe von 2,0 Mio. € aufgebraucht sind, wird der Oberbürgermeister abweichend von den Regelungen der Hauptsatzung bis zum 31.12.2015 ermächtigt, zur Gewährleistung der Schaffung der dringend notwendigen Platzkapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerber/-innen und Geduldeten über-/außerplanmäßige Aufwendungen im Ergebnishaushalt bzw. über-/außerplanmäßige Auszahlungen im Finanzhaushalt/Investitionsplan gemäß § 79 (1) SächsGemO bis zu einer Höhe von 1,0 Mio. € je Budget zu genehmigen.

Zum Hintergrund

Aufgrund der Notwendigkeit, die dringend benötigten Platzkapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerber/-innen und Geduldeten schnellstmöglich zu schaffen, ist es zur flexiblen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel zwingend erforderlich, die Festlegungen in der Hauptsatzung bzgl. der Beschlussfassung von über- bzw. außerplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen zunächst bis zum 31.12.2015 an die aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen.

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Eine Mittelverwendung ohne Kontrolle wird es auch trotz des scheinbaren 3 Millionen-Blanko-Schecks nicht geben.

Wie schön dieser Satz klingt. Wunderbar!
Doch was versteht man eigentlich im Stadtrat unter Kontrolle? Wie weit soll den diese Kontrolle gehen? Wer soll den wie und was kontrollieren?

Nach mein er Ansicht war der bisherige Aufklärungswillen des Stadtparlaments zu derartigen Ausgaben / Verträgen sehr bescheiden. Das betrifft beispielsweise das Zustandekommen des Vertrages für das Objekt Zschortauer Straße. Auch was das Objekt Friederikenstraße betrifft, scheinen einige Fragen unbeantwortet geblieben zu sein.

Mir geht es nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen. Was jedoch den Aufklärungswillen von Politikern/Parteien betrifft bzw. wenn diese von Kontrolle reden, dann bin ich skeptisch. Sehr skeptisch. Oftmals verbirgt sich dahinter nichts, absolut nichts.

Ich verfüge über ausreichende Kenntnisse, in ganz Deutschland, die es mir leicht machen, so zu schreiben und zu reden. Fast jede Wochen kommen durch meine Aktivitäten zur Reform der Finanzkontrolle neue skandalöse Sachverhalte hinzu.

Noch ein kleiner, aber feiner Hinweis. Ich habe mich beispielsweise bemüht, dass der OBM der Stadt Leipzig in seiner Funktion als Mitglied im Deutschen Städtetag sowie im Sächsischen Städte- und Gemeindetag vom Stadtrat Leipzig beauftragt wird, sich für eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle in Sachsen bzw. letztlich in allen Bundesländern einzusetzen. Es ist nach meiner Kenntnis nichts geschehen.

Aber hier werden wieder große Töne bezüglich einer Kontrolle gespuckt. Für mich scheinheilig. Spiele für das Volk?

“Bei der Zusatzmillion unter einigen Enthaltungen bei der Linken, welche gern mehr Finanzkontrolle gesehen hätten.”

Die Linke, von der man eigentlich hätte erwarten müssen, dass sie sich für eine Reform der Finanzkontrolle in Sachsen einsetzt, hat diesbezüglich keinen Finger krumm gemacht. Ich ärgere mich sehr, dass ich mir vor und nach den Landtagswahlen reichlich Zeit dafür genommen hatte, “Die Linke” zu bemühen, sich im Interessen des Bürgerinnen und Bürger für eine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder einzusetzen. Ein solcher Satz aus den Müdern dieser Partei ist für mich deshalb (besonders in Sachsen) mehr als fragwürdig. Merkt denn in dieser Partei keiner etwas?

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