Wenn Umfragen in Deutschland etwas belegen, dann die Tatsache, wie sehr die Deutschen von den Medien, die sie nutzen, verdummt werden. Und wie erfolgreich populistische Medien aller Art dabei sind, den Deutschen ein völlig falsches Bild von ihrem eigenen Land zu vermitteln. Und von den Menschen, die auf der Flucht nach Deutschland kommen. Heute ist Weltflüchtlingstag.

Am Montag, 19. Juni, veröffentlichte das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos die Ergebnisse einer neuen Umfrage, nach der die Unterstützungsbereitschaft für Geflüchtete in Deutschland deutlich abnimmt.

Zumindest eine Dreiviertelmehrheit (73 %) in Deutschland findet noch, dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, die Möglichkeit haben sollten, in anderen Ländern Zuflucht zu suchen. Im Vorjahr lag die Zustimmung allerdings noch bei 78 Prozent.

Forderung nach Aufnahmestopp immer lauter

Inzwischen ist freilich knapp die Hälfte der Bevölkerung (48 %) der Meinung, dass Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könne und seine Grenzen für Geflüchtete vollständig schließen solle.

45 Prozent der Deutschen sprechen sich gegen eine Grenzschließung aus, sieben Prozent sind unentschieden, so Ipsos. In der Umfrage zwölf Monate zuvor stimmten nur 32 Prozent der Befragten für Aufnahmestopp und Grenzschließung – ein Anstieg von 16 Prozentpunkten.

Dr. Robert Grimm, Leiter der Politik- und Sozialforschung bei Ipsos, sagt dazu: „Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland wird immer größer. Es stellt sich die Frage, wie viele Flüchtlinge Deutschland noch aufnehmen kann. Länder und Kommunen streiten seit langem mit dem Bund über eine bessere Finanzierung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, die Integration in den Arbeitsmarkt, das Personal für Kitas und Schulen sowie die Sprachförderung. Dieser Streit geht an den Bürgerinnen und Bürgern nicht spurlos vorbei.“

Wachsende Zweifel an Fluchtmotiven

Eine steigende Anzahl der Deutschen zweifelt außerdem an den Fluchtmotiven. 62 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die meisten Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, gar keine echten Flüchtlinge seien, sondern nur aus wirtschaftlichen Gründen, wie etwa der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, einwandern möchten.

Die Zustimmung zu dieser Aussage war im Jahr 2022 ebenfalls deutlich geringer (51 %). Gleichzeitig finden nur noch 40 Prozent der Bundesbürger, dass Flüchtlinge einen positiven Beitrag für Deutschland leisten – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.

Dr. Robert Grimm meint dazu: „Die hohe Inflation wirkt sich auch bei diesem Thema auf die Einstellungen der Deutschen aus. Seit drei Jahren hinkt die Entwicklung der Reallöhne der Nettolohnentwicklung hinterher. Vor allem die unteren Einkommensgruppen spüren diesen Wohlstandsverlust. Auch deshalb sinkt die Bereitschaft der Deutschen, Hilfsbedürftige aufzunehmen. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD schüren die Verteilungsängste der Bürgerinnen und Bürger zusätzlich. Offenbar nicht ohne Erfolg, denn in unserer aktuellen Sonntagsfrage erreicht die AfD mit 19 Prozent den höchsten Wert, den wir bisher gemessen haben.“

Ausländer in Erwerbstätigkeit in Deutschland. Grafik: Bundesagentur für Arbeit
Ausländer in Erwerbstätigkeit in Deutschland. Grafik: Bundesagentur für Arbeit

Populistische Frames machen blind

Dass selbst das Framing der Populisten greift, das Flüchtlinge in „richtige“ und „falsche“ teilt, macht selbst die Ipsos-Frage deutlich: „Die meisten Ausländer, die als Flüchtlinge in mein Land kommen wollen, sind keine echten Flüchtlinge. Sie wollen einfach nur aus wirtschaftlichen Gründen hierherkommen oder unsere Sozialleistungen in Anspruch nehmen.“

Erstaunlich, dass solche Aussagen, zu der dann Zustimmung oder Ablehnung formuliert werden soll, in so einen Fragebogen geraten. Was erfragt man da eigentlich? Wie sehr populistische Meinungsmache wirkt, auch wenn sie nichts mit der Realität zu tun hat?

Eigentlich wäre das die Antwort, erst recht, wenn 62 Prozent der Befragten dem auch noch zustimmen. Während nur 41 Prozent der Aussage „Die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, werden sich erfolgreich in die neue Gesellschaft integrieren.“ zustimmten und nur 40 Prozent der Aussage „Flüchtlinge leisten einen positiven Beitrag für Deutschland.“

Dabei braucht jeder nur seine Augen aufmachen und sieht einst nach Deutschland geflüchtete Menschen überall den Laden am Laufen halten – als Busfahrer, Postbote, Pflegekraft, Arzt, Lehrer, Kraftfahrer, in der Hotellerie, an der Supermarktkasse, der Gastronomie usw.

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit

Seit 2012 hat sich die Zahl der Beschäftigten aus den Asylherkunftsländern versiebenfacht, teilte am Montag, 19. Juni, die Bundesarbeitsagentur mit. Trockene Zahlen, die das populistische Gerede über Flüchtlinge, die nur der Sozialleistungen wegen nach Deutschland kommen, widerlegen.

Ausländer in Erwerbsarbeit in Sachsen. Grafik: Bundesagentur für Arbeit
Ausländer in Erwerbsarbeit in Sachsen. Grafik: Bundesagentur für Arbeit

Geflüchtete Menschen, die nach Abschluss ihres Asylverfahrens den Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen und arbeiten dürfen, beziehen Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Sie werden dann von den Jobcentern betreut. Ausnahme sind die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer, die durch die „Massenzustrom-Richtlinie“ sofort Zugang zum SGB II erhalten, erläutert die Arbeitsagentur.

Denn um überhaupt arbeiten zu dürfen, sind die Hürden in Deutschland hoch. Wer als Geflüchtete oder Geflüchteter neu in Deutschland ist, steht vor vielen Herausforderungen. Die Sprache muss erlernt und Schul- und Berufsabschlüsse anerkannt werden.

Womöglich sind eine Weiterbildung oder Qualifikation notwendig. Bei diesen Schritten unterstützen die Jobcenter. Von besonderer Bedeutung ist die Sprache. Deshalb nehmen die Menschen an Integrationskursen teil und bekommen bei Bedarf zusätzliche Berufsbezogene Sprachförderung. Aktuell nehmen 208.000 Menschen, die von den Jobcentern betreut werden, an Integrationskursen teil.

Von den Jobcentern wurden im Jahr 2022 durchschnittlich 571.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter, also Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) aus den nicht europäischen Asylherkunftsländern betreut. Dabei handelt es sich um die Länder, aus denen in den Jahren 2015 und 2016 die meisten Menschen nach Deutschland geflüchtet sind: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. 2012 waren es noch 105.000, so die Arbeitsagentur.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Beschäftigten aus den Asylherkunftsländern von 81.000 im Jahr 2012 auf 568.000 Menschen im Jahr 2022. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Auszubildenden. 2012 waren 2.500 junge Menschen aus diesen Ländern in Ausbildung, waren es 2022 bereits 44.000.

Und ebenso aussagekräftig ist die oben abgebildete Zahlenreihe zu Ausländern als Beschäftigte in Deutschland, die die Bundesagentur bereitstellt. Von 2012 bis 2022 ist deren Zahl von 2,8 auf 5,6 Millionen angestiegen.

Sie hat sich also binnen zehn Jahren verdoppelt. Ohne all diese Menschen würde die ach so gelobte deutsche Wirtschaft schon lange nicht mehr funktionieren. Und dasselbe gilt für die wachsende Zahl von Ausländern, die in Sachsen einer Erwerbsarbeit nachgehen.

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Es gibt 2 Kommentare

@Gohliser
Wie viele Menschen waren 2012 in Hartz-IV, wie viele sind es heute?
Als deutscher Staatsbürger dürfte es dir seit ein paar Jahren sehr schwer fallen überhaupt Hartz-IV zu erlangen bzw. in diese Statistik zu kommen.
Während es 2012 in Leipzig noch mehr als 22.000 Arbeitslose mit Hartz-IV gab, sind es 2022 nur noch 14.000 gewesen. 2012 standen 2.600 Ausländer*innen in der Arbeitslosenstatistik, nun sind es etwas mehr als 6.000. Ja, der relative Anteil ist nun höher. Es gibt mit über 70.000 aber auch erheblich mehr Ausländer*innen (2012 ca. 25.000) _und_ erheblich weniger arbeitslose Menschen. Die Arbeitslosenquote bei Ausländer*innen liegt unverändert bei ca. 10%.
https://statistik.leipzig.de/statcity/table.aspx?cat=7&rub=3&obj=0

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Anteil der Migranten an Hartz IV im Jahr 2012 in Leipzig bei ca. 10% lag. Inzwischen liegt er bei über 41%. Bei Minderjähirgen liegt der Anteil noch höher, deutschlandweit sind es ca. 48%. Auch in absoluten Zahlen hat sich hier die Masse der Bedürftigen fast verdreifacht. Diese Entwicklungen sollten bei aller Arbeitsmarkt- und Fachkräftenot kritisch mit reflektiert werden.

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