Die AfD ist eine Partei, die am liebsten gar keine Flüchtlinge aufnehmen würde. Seit Monaten ergreift auch die Leipziger AfD jede Gelegenheit, um gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte Stimmung zu machen. Das war so in Stötteritz, das war so in Lindenthal. Und auch als das Leipziger Sozialdezernat ankündigte, dass in Wiederitzsch an der Martinshöhe eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden soll, standen drei AfD-Stadträte dabei, als der online organisierte Bürgerprotest sich entlud.

Und die Stadtratssitzung am 20. April nutzten dann die diversen Stadträte der AfD-Fraktion weidlich, um ihre verquere Sicht auf die deutsche Flüchtlingspolitik und die Ursachen für die zunehmenden Flüchtlingsbewegungen in der Welt auszubreiten.

Besonders vehement, als sie von Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt auch noch deutliche Gegenrede bekamen, in der er auch erwähnte, dass diverse AfD-Strukturen mittlerweile von Bundesverfassungsschutz als Verdachtsfall wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen benannt wurden.

Da hilft es gar nichts, wenn AfD-Stadtrat Tobias Keller versucht, diesen Verdacht ausgerechnet damit wegzuerklären, dass Bürger, die noch nicht verurteilt sind, auch noch keine Verbrecher sind.

Was aber dann? Eben nur ein Verdachtsfall. Und dass die AfD gezielt die Stimmung schürt, wenn die Stadt auch nur ankündigt, neue Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen, ist nun einmal unübersehbar.

Eine Pflichtaufgabe der Stadt

Und die Fluchtbewegungen weltweit nehmen zu. Der Krieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine ist nur einer der Auslöser für solche Fluchtbewegungen. Bürgerkriege im Nahen Osten treiben die Menschen genauso in die Flucht wie zunehmende klimatische Verwüstungen in Afrika und anderswo. Natürlich ist es da ein Gebot der Menschlichkeit, den geflüchteten Menschen ein Obdach zu geben und sie – wenn eine Rückkehr in die Heimat nicht möglich ist – so gut wie möglich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren.

Denn bei all dem Gerede über „illegale Flüchtlinge“ und „kriminelle Fluchthelfer“ wird jedes Mal ausgeblendet, dass Menschen in der Regel ungern aus ihrer Heimat fliehen. Das tun sie in der Regel wirklich erst, wenn Leib und Leben gefährdet sind. Aber in der Sichtweise der AfD werden alle Flüchtlinge mehr oder weniger zu Stereotypen, zu einem immer wieder neu gepinselten Feindbild, bei dessen Umgang Deutschland dann aus ihre Sicht „immerfort versagt“.

Bei all dem Gerede ahnt man nur, wie rabiat und rücksichtslos die AfD mit Flüchtlingen umgehen würde, wenn sie das Sagen hätte. Menschliche Hilfe, wie sie das Grundgesetz zur Pflicht macht, scheint dieser Partei durchaus fremd zu sein.

Immer mehr Flüchtlinge auch in Sachsen

Und so war auch das Abstimmungsergebnis an diesem 20. April eindeutig: Die demokratische Stadtratsmehrheit stimmte einmütig für den Vorschlag der Verwaltung, in Wiederitzsch eine Flüchtlingsunterkunft für 108 Menschen zu planen.

Denn erst einmal geht es um das Planen und die Bereitstellung von 1,2 Millionen Euro in den Jahren 2023/2024 zur Planung dieser Unterkunft an der Martinshöhe.

Und die Vorlage benennt auch den Druck, unter dem Leipzig steht. Denn die Unterbringung von Geflüchteten ist keine freiwillige Aufgabe, wie die AfD so gern suggeriert, bei der jede Kommune machen kann, was sie will, sondern eine Pflicht. Oder mit den Worten aus der Vorlage: „Die Unterbringung von Geflüchteten und die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist eine weisungsgebundene Pflichtaufgabe.“

Die von der AfD angezettelte Diskussion war also auch noch völlig sinnfrei. Leipzig ist verpflichtet, solche Kapazitäten zu schaffen.

Baubeginn 2028

„Seit November 2021 ist die Zahl der unterzubringenden Personen wieder deutlich angestiegen. Insbesondere die Folgen des Krieges in der Ukraine führten zu erhöhten Unterbringungsbedarfen im Jahr 2022. Seit September 2022 haben sich die Zugänge von Asylbewerbern im Freistaat Sachsen verdreifacht. Die Landesdirektion hat darüber informiert, dass von einem länger andauernden Zugang auf mindestens gleichbleibendem Niveau auszugehen ist“, kann man da lesen.

Denn je unsicherer die Zustände in einer Welt werden, in welcher der Klimawandel die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört, umso mehr Menschen werden verzweifelt versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen und vielleicht in Deutschland ein neues Zuhause zu finden.

„In der Folge mussten alle verfügbaren Kapazitäten in Betrieb genommen werden. Diese sind jedoch nicht ausreichend, um alle geflüchteten Personen unterzubringen. Reserveplätze stehen ebenfalls nicht mehr zur Verfügung“, heißt es in der Vorlage.

„Um dem steigenden Kapazitätsbedarf gerecht zu werden, sind Kapazitätserweiterungen erforderlich. Hierfür verfolgt das Sozialamt zwei Strategien. Einerseits werden die Anstrengungen verstärkt, berechtigten Personen einen Auszug aus einer Gemeinschaftsunterkunft zu ermöglichen. Andererseits müssen neue Objekte als Gemeinschaftsunterkünfte gebunden werden.“

Und das geht nun einmal dauerhaft nicht mit Zeltstädten. Erst recht nicht, wenn sich die Lage in den Herkunftsländern der geflüchteten Menschen nicht entspannt.

Der Baubeschluss soll 2025 gefasst werden, sodass dann auch erstmals die erwartbaren Baukosten beziffert werden können. Gebaut werden soll dann 2028. Es ist also ein vorsorgendes Projekt, das jetzt einfach schon einmal darauf reagiert, dass auch die sächsische Landesregierung für die nächsten Jahre nicht mit einem Rückgang der Flüchtlingsbewegung rechnet.

Aber 39 Stimmen für die Vorlage der Stadt und nur die neun Nein-Stimmen der AfD zeigten dann deutlich, dass die Stadtratsmehrheit das menschenverachtende Spiel der AfD nicht mitzuspielen bereit ist.

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