Bei so einem Titel in der Anfrage wird man stutzig, denn das ist doch eigentlich eher der Klamaukstil der AfD: „Transparenz statt Lügen – Informationen zur geplanten Unterkunft von Geflüchteten in der Martinshöhe“. Und so ganz falsch liegt man damit ja nicht, denn in dem Stil hat die Leipziger AfD auch wieder rund um die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Martinshöhe agiert. Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt hat das aufgegriffen. Er hat die Nase sichtlich voll von den Märchen, welche die AfD rund um Unterkünfte verbreitet.

Und natürlich hat er in den letzten Monaten gelernt, dass die Leipziger AfD jedes Mal ihre Stimmungsmache beginnt, wenn sie hört, dass die Stadt eine neue Asylunterkunft plant oder schon bauen will. Und die leichtgläubigen Leute glauben das und folgen den Empörungsaufrufen, auch wenn nichts daran wirklich stimmt.

An so einer Stelle ist Leipzigs Verwaltung eigentlich in der Pflicht, so früh wie möglich zu informieren und auch genug öffentliche Informationen bereitzustellen, welche die falschen Behauptungen aus den AfD-Kanälen widerlegen und richtigstellen.

Und genau so hat sich Oliver Gebhardt seine Anfrage an die Stadtverwaltung auch gedacht.

Falschinformationen nach eine Ortschaftsratssitzung

„Im Rahmen der Sitzung des Ortschaftsrates vom 11. April 2023 konnten mehr als hundert Anwohnerinnen und Anwohner ihre Fragen zur geplanten Flüchtlingsunterkunft an die Stadtverwaltung stellen. Leider mussten wir feststellen, dass seitdem zahlreiche Halbwahrheiten existieren und insbesondere durch die AfD Leipzig eine Desinformationskampagne betrieben wird“, stellte der Stadtrat der Linken in seiner Anfrage fest.

„Daher möchte ich dabei helfen, dass wichtige Informationen zur geplanten Flüchtlingsunterkunft wertfrei, fundiert und gesammelt zur Verfügung gestellt werden. Dies ist insbesondere wichtig, weil es sich bei der Unterbringung von Geflüchteten um eine sogenannte ‚Pflichtaufgabe nach Weisung‘ handelt. Die Stadt Leipzig muss dieser Aufgabe nachkommen und hat hierbei leider kaum eigene Spielräume.

Der von zumeist rechten Populisten und Rechtsextremen geforderte Aufnahmestopp für Leipzig ist – und das wissen die Fordernden genau – nicht durch den Oberbürgermeister, den Stadtrat oder den Ortschaftsrat umsetzbar.“

Gegen die rechtsradikale Stimmungsmache helfe nun einmal nur Transparenz. Und das Sozialamt, das die Antworten formuliert hat, ist auch sehr ausführlich darauf eingegangen.

„Wo genau soll die Unterkunft errichtet werden?“, hatte Gebhardt gefragt.

„Die Unterkunft soll auf dem unbebauten Grundstück Flurstück 65/111, Gemarkung Großwiederitzsch errichtet werden. Das Grundstück grenzt an die Straßen Martinshöhe und Südtangente im Ortsteil Wiederitzsch“, antwortete das Sozialamt.

Das ist genau jene noch mit Wiese und Bäumen bestandene Fläche am westliche Ende von Martinshöhe und Am Gartenverein, die auch im Foto zu sehen ist.

Platz für 108 Menschen

„Wann wird die Unterkunft bezogen werden?“, wollte Gebhardt wissen.

Die Antwort: „Der Neubau soll voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2028 in Betrieb genommen werden.“

Und auch auf die Frage „Wie viele Menschen sollen darin untergebracht werden?“ wird das Sozialamt konkret: „Aufgrund einer Flächenstudie wird eingeschätzt, dass auf dem Grundstück eine Unterkunft mit etwa 108 Plätzen geschaffen werden kann. Die konkrete Platzzahl wird im Rahmen der weiteren Planungen ermittelt.“

Und dann kam so eine Frage, die natürlich aufgeregte Bürger beschäftigt, wenn in den sozialen Netzwerken schon irgendjemand behauptet, er wisse genau, woher die dort Untergebrachten kommen: „Woher werden die darin einziehenden Menschen stammen? Wie setzen sich die zu uns kommenden Menschen erfahrungsgemäß zusammen (Familien, Frauen, Männer, Kinder, Menschen mit Behinderungen, etc.)?“

Aber die Antwort ist erwartbar so, wie sie das Sozialamt gibt: „Zum heutigen Zeitpunkt kann keine Aussage zur Herkunft, zum Alter oder zum Geschlecht der Menschen, die im Jahr 2028 durch die Stadt Leipzig untergebracht werden, getroffen werden. Im Zeitraum Januar bis März 2023 wurden der Stadt Leipzig Asylsuchende aus 20 verschiedenen Ländern zugewiesen. In absteigender Reihenfolge waren die Herkunftsländer Syrien, Venezuela, Georgien, Türkei, Afghanistan, Iran, Irak, Vietnam, Russische Föderation und Myanmar darunter.“

Niemand weiß, welche Menschen aus welchen Ländern 2028 auf der Flucht sein werden und in Deutschland Asyl beantragen. Schon die benannten Länder für 2023 erzählen von Krisen, Bürgerkriegen und Diktaturen, die Menschen regelrecht zur Flucht aus ihren Heimatländern zwingen.

Sicherheitsdienst, Sozialarbeiter/-innen, Integration

Und auch die nächste Frage bewegt ja die Menschen, auch wenn sie meist nicht wissen, wie lange Asylverfahren in Deutschland tatsächlich dauern: „Wie lange werden die Menschen dort untergebracht sein?“

„Geflüchtete wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft, bis sie eine eigene Wohnung in Leipzig gefunden haben oder die Stadt Leipzig verlassen“, fasst das Sozialamt kurz zusammen.

Und dann stellte Gebhardt noch sehr detaillierte Fragen zum Sicherheitsdienst in der künftigen Einrichtung, zu „fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Straftaten und Gewalt in und im Umfeld von Unterkünften für Geflüchtete“, zu Auswirkungen der „Errichtung der Unterkunft auf den Wert der Grundstücke im Umfeld“, zum Einsatz der Sozialarbeiter/-innen und zu Maßnahmen zur Integration der Bewohner/-innen der Unterkunft durch die Stadt Leipzig.

Diese Fragen hat das Sozialamt noch viel ausführlicher beantwortet, sodass sich die Leser auch ein sehr detailliertes Bild darüber machen können, welchen Aufwand die Stadt betreibt, um die geflüchteten Menschen auch gut betreuen zu können und Konflikte im Umfeld möglichst zu vermeiden.

Und diese Menschen natürlich möglichst bald in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Denn erst das minimiert wirklich mögliche Konflikte, wenn Menschen die Möglichkeit bekommen, eine eigene Wohnung zu beziehen, Integrationskurse zu besuchen, eine Arbeit aufzunehmen und eine Familie zu gründen oder die Familienmitglieder nachkommen zu lassen.

Weil das so umfangreich beantwortet wurde, gibt es hier die komplette Antwort zum Nachlesen.

Die Antworten des Sozialamts zur geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Martinshöhe.

Und was die Frage zur Wertentwicklung der benachbarten Grundstücke betrifft, steckt im Grunde alles in diesen beiden Sätzen: „Betrachtet man die Entwicklung des Immobilienmarktes in Leipzig, kann für die letzten 10 Jahre konstatiert werden, dass die Preise für die unbebauten und bebauten Grundstücke sowie die Eigentumswohnungen stetig gestiegen sind (siehe nachfolgenden Abbildungen).

Effekte, z. B. durch die „Flüchtlingskrise“ 2015/2016, sind nicht erkennbar. Vielmehr stiegen die Kauffallzahlen 2015/2016 (im Vergleich zu 2014) um rd. 15 %, die Umsätze sogar um fast 70 %.“

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Und niemand stört sich am Versiegeln oder beklagt den schwindenden Baumbestand? Kein Aufschrei für die Gelbbauchunke? Bin immerwieder überrascht, wie Sie Ihre Prioritäten setzen.
Die Abbildung zum Leipziger Immobilienmarkt fehlt leider. Ich wage deren Aussagegekraft zu bezweifeln. Wer sucht bitte eine Immobilie mit Blick auf eine Flüchtlingsunterkunft? Muss man auch mal zugestehen, wenn man den Wertverlust einzelner in Kauf nimmt, weil das gesellschatliche Intresse an einer ordentlichen Unterbiringung überwiegt. Bitte schlüßig argumentieren. Was soll die Augenwischerrei?

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