Im September beantragte die SPD-Fraktion eine deutliche Beschleunigung bei Einbürgerungen in Leipzig. Denn in den letzten Jahren hat Leipzigs Ausländerbehörde einen gewaltigen Stau bei der Antragsbearbeitung aufgebaut. Was auch an der Personalsituation liegt. Aber auch daran, dass Leipzig immer stärker mit Zuwanderung zu tun hat. Davor kann man die Augen nicht mehr verschließen.

Auch wenn das einige Leute nach wie vor propagieren, weil sie meinen, die hiesige Geburtenrate würde völlig ausreichen und Deutschland müsse sich nicht um die Konflikte in der Welt kümmern. Aber spätestens mit dem Bürgerkrieg in Syrien, in den sich Putins Armee massiv eingemischt hat, stiegen 2015 die Zuwanderungszahlen in Deutschland deutlich an.

Es war das Jahr, das die Medien so flapsig mit „Flüchtlingskrise“ umschrieben, obwohl es eigentlich das Jahr war, als Europa begreifen musste, dass Klimawandel und soziale Unruhen Hand in Hand gehen und ab jetzt immer mehr Menschen versuchen würden, in Europa eine Zukunft zu finden.

Nur geharnischte Grenzabschottungen und ein fauler Kompromiss mit der Türkei sorgten dafür, dass die Zuwanderung deutlich gebremst wurde. Bis 2022, als wieder ein von Putin geführter Krieg neue Flüchtlinge nach Deutschland und Leipzig brachten.

Und zu all diesen Konflikten gehört nun einmal auch, dass sie nicht einfach enden, sondern sich über Jahre hinziehen und den Geflüchteten über Jahrzehnte eine Rückkehr in ihre Heimatländer unmöglich machen.

Das trifft auch auf die Menschen zu, die nun aus Afghanistan flüchten, seit das Land vor zwei Jahren den Taliban überlassen wurde. Der Druck auf die Flüchtlingsunterbringung in Sachsen ist massiv gewachsen.

Eine Behörde kommt nicht mehr hinterher

Und auch der Aktenstapel in der Leipziger Einwanderungsbehörde wuchs, wo sich 112 Angestellte um alle Fälle von Asyl und Aufenthaltsrecht kümmern, aber eben auch um die Einbürgerung, auf die Menschen, die sich seit Jahren in Deutschland aufhalten und sich hier ihren Lebensunterhalt mit eigener Hände Arbeit verdienen, einen Anspruch haben.

Fast 10.000 Menschen, die im auch von FDP-Stadtrat Sven Morlok besonders angefragten Jahr 2015 nach Leipzig kamen, haben nach acht Jahren – also im Jahr 2023 – ein Recht, einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Eine mögliche Antragsmenge, die noch einmal deutlich über den noch offenen Antragsberg hinausgeht, den die Leipziger Ausländerbehörde jetzt schon vor sich herschiebt.

Die Leipziger Einbürgerungen der letzten Jahre. Grafik: Stadt Leipzig
Die Leipziger Einbürgerungen der letzten Jahre. Grafik: Stadt Leipzig

500 bis 600 Anträge zur Einbürgerung schafft die Ausländerbehörde pro Jahr, wenn sie die ganzen komplexen bürokratischen Abläufe berücksichtigt.

Von 757 Anträgen hat sie aber 2021 nur 439 positiv beschieden und zwei abgelehnt. Womit der Berg unvollendeter Verfahren um weitere 326 Fälle wuchs und mittlerweile die Zahl von über 3.000 Anträgen in der Warteschlange umfasst, wie die SPD-Fraktion herausbekommen hat.

Seit 2019 gibt es diese Lücke, die letztlich nur durch zwei Dinge geschlossen werden kann: Eine deutliche Straffung der Bearbeitungsprozesse nach dem Vorbild anderer Ausländerbehörden. Das gestand das Ordnungsdezernat in seiner Antwort auf die entsprechende Anfrage der Linksfraktion auch zu.

Und des braucht mehr Personal. Doch wie viel mehr konnte Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal in der Ratsversammlung am 13. Oktober nicht beantworten. Die entsprechenden Zahlen sollen im Stellenplan für die Haushaltsverhandlungen 2023/2024 stehen.

Doch ausweichen kann die Stadt nicht. Denn wenn Menschen sich seit acht Jahren ganz in die hiesige Gesellschaft integriert haben, hier ihren Lebensunterhalt verdienen, ihre Krankenkassenbeiträge und ihre Steuern zahlen, haben sie ein Recht auf Einbürgerung.

„Wir werden uns dem Thema stellen müssen, keine Frage“, sagte OBM Burkhard Jung am 13. Oktober.

Ob auch alle Anspruchsberechtigten einen Antrag auf Einbürgerung stellen, weiß natürlich niemand. Die Zahlen in der Antwort des Ordnungsdezernats zeigen nur rechnerisch die Anspruchsberechtigten.

Es wird auch viele dabei geben, die noch immer davon träumen, irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu können. Aber das dürfte bei Menschen, die etwa nach Syrien oder Afghanistan zurückkehren würden, so bald nicht möglich sein.

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