Die Bilder gehen um die Welt, zuletzt: Fadi und Mohammad, Brüder aus Syrien, umarmen sich weinend durch einen Zaun hinweg. Fadi überlebte das Schiffsunglück am 14. Juni vor der griechischen Stadt Pylos, bei dem rund 600 Geflüchtete starben. Laut zahlreichen Berichten verhinderten Frontex und die griechische Küstenwache diese Katastrophe nicht, obwohl die Organisation Alarmphone bereits Stunden vor dem Unglück Hilfe angefordert hatte.

Deutschlandweit kritisierten Verbände zum Weltflüchtlingstag, dass dieses Töten an den EU-Außengrenzen System habe. Auch in Leipzig fanden Aktionen statt. In einer künstlerischen Aktion auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz machte die Amnesty Asylgruppe in Leipzig Geschichten von Fluchtwegen sichtbar und versuchte, mit Passant*innen ins Gespräch zu kommen.

Am Abend fand, organisiert von Linxxnet und Sozialistischem Deutschen Studentenverband (SDS) Leipzig, eine Demonstration mit rund 300 Menschen vom Floßplatz bis zum Rabet statt.

Schon seit einigen Wochen kritisieren unterschiedliche Verbände die GEAS-Reform. Foto: Tom Richter
Schon seit einigen Wochen kritisieren unterschiedliche Verbände die GEAS-Reform. Foto: Tom Richter

„Ich spreche heute nicht nur hier, weil ich Aktivistin des SDS bin, sondern auch, weil ich die Tochter eines Mannes bin, dessen Familie über mehrere Generationen auf der Flucht ist“, so Jamila, Aktivistin beim SDS Leipzig in einer Rede. „Nach der Vertreibung meiner Großeltern aus Palästina und schließlich auf der Flucht vor Hungersnot im Jemen, wurde mein Vater in den 50er Jahren in einem Geflüchtetenlager in Somalia geboren.

Nachdem er unter diesen widrigen Bedingungen sein Abitur geschafft hatte, kam er in die DDR zum Studium, wo sich meine Eltern kennenlernten. Nach zehn Jahren, kurz vor meiner Geburt, wurde er aus der DDR in den Jemen abgeschoben. Auch gegenwärtig befindet sich meine Familie auf der Flucht vor dem Krieg. Einem Krieg, der mich meinen Bruder gekostet hat, einem Krieg, geführt mit deutschen Waffen.“

Kritik an geplanter GEAS-Reform

In ihrer Rede kritisierte Jamila auch die geplanten Reformen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese sehen unter anderem Grenzverfahren vor, in denen Menschen in haftähnlichen Lagern festgehalten werden und erleichterte Abschiebungen in sogenannte sichere Drittstaaten möglich werden.

Auch Familien mit Kindern sind von diesen Verfahren nicht ausgenommen. Ein funktionierender Solidaritätsmechanismus zwischen den EU-Staaten fehlt. Die Zustimmung von Nancy Faeser, Annalena Baerbock und Marco Buschmann zu den Reformen wurde deutschlandweit bereits im Vorfeld scharf kritisiert.

„Die Reformen sind nicht geeignet, um die Krise der Migrationspolitik in Europa zu beenden“, so Jamila. „Viel mehr befeuern die neuen Vorschläge die Forderungen rechtspopulistischer und rechtsextremer Fraktionen nach einer Abschaffung des Flüchtlingsschutzes. Sie verfestigen die gegenwärtige migrationspolitische Krise und die langanhaltende Blockade im Europäischen Asylsystem. Grüne und SPD leisten der europäischen Rechten einen glorreichen Vorschub, anstatt aus den Fehlern von 2015 (…) zu lernen. Wir haben keine Geflüchtetenkrise, wir haben ein Rechtsextremismusproblem.

Beteiligung von SPD und Grünen

Auch Juliane Nagel von der Linken kritisierte die Rolle von SPD und Grünen: „Unfassbar ist, dass dieser Patt mit Bewilligung der mitte-links gelesenen Regierungen der Parteien SPD und Grüne beschlossen wird. Was konservative Regierungen vorher nicht schafften, erledigen jetzt also die vermeintlichen Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte. Das ist ein Hohn!“

Auf die Reform des GEAS einigten sich am 08. Juni 2023 die europäischen Innenminister*innen. Die geplanten Entwürfe gehen nun in die Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, Europäischer Kommission und dem Europäischen Rat. Danach muss der Gesetzesvorschlag von Rat und Parlament verabschiedet werden.

Seit 2001 findet der Weltflüchtlingstag, initiiert von den Vereinten Nationen (UN), am 20. Juni statt. In diesem Jahr wies auch die UNO darauf hin, dass in diesem Jahr die größte Zahl von Vertriebenen jemals registriert wurde. Rund 110 Millionen Menschen sind momentan auf der Flucht. Das Recht auf Schutz, so betonten sowohl UNO als auch UNHCR, habe jeder Mensch, egal woher er komme, wer man sei und wann man zur Flucht gezwungen wurde.

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