Man kann ja durcheinander kommen, wenn es um den Mittelstand geht. Gerade in Sachsen. Da geht es der Bundeagentur für Arbeit nicht anders als anderen Institutionen, die versuchen, die sächsische Wirtschaft irgendwie einzuordnen in Großbetriebe, mittelständische und kleine Unternehmen. Was nicht ganz unwichtig ist, wenn man wissen will, wer denn nun die sächsische Konjunktur trägt.

So versuchte die Bundesagentur für Arbeit mal wieder irgendwie zu rechnen und zuzuordnen, wer eigentlich im Freistaat Sachsen alles Arbeitsplätze schafft. Sind es nur die Großen, die zusätzliche Leute einstellen und ihre Produktion erweitern (wie Porsche und BMW in Leipzig), sind es die Mittleren oder doch eher die Kleinen?

Dass 2014 neue Arbeitsplätze in Sachsen entstanden, darüber streitet niemand mehr: Irgendetwas hat die Wirtschaft des Freistaats in den letzten Jahren deutlich stabilisiert und vor allem die drei Großstädte Leipzig, Dresden und Chemnitz zu Arbeitsmarktmotoren gemacht.

So waren im vergangenen Jahr in Sachsen 1.511.499 Frauen und Männer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind 175.600 Menschen mehr als im Jahr 2005 und es entspricht einem Beschäftigungswachstum von 13,1 Prozent, rechnet die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen, vor. Von diesem Wachstum haben kleine, mittlere und große Betriebe profitieren können. In Kleinstbetrieben hingegen ist die Zahl der Beschäftigten gesunken. Kleinstbetriebe sind die mit weniger als 5 Angestellten.

„Die sächsische Wirtschaft ist durch kleine und mittelständische Betriebe geprägt“, kommentiert das Dr. Klaus Schuberth, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Deren Anteil an allen 114.458 Betrieben liegt bei 99,4 Prozent. Fast drei Viertel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in diesen Betrieben (74,4 Prozent oder 1.124.789).

Zwischenbemerkung: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind immer nur ein Teil der Gesamtbeschäftigtenzahl. Die lag 2014 immerhin bei 2,024 Millionen. Jeder vierte Beschäftigte in Sachsen ist also als nicht sozialversicherungspflichtig registriert.

Aber zurück zum Mittelstand und allem Drumherum.

Zahl der Kleinstbetriebe in Sachsen schrumpft

Bundesweit arbeiten 67,5 Prozent der Beschäftigten in kleinen und mittleren Betrieben. Also deutlich weniger als im sächsischen Durchschnitt. Was natürlich darauf hindeutet, dass es hier nach wie vor deutlich weniger Großbetriebe gibt als im Westen der Republik.

Aktuell gibt es in Sachsen 639 Großbetriebe, bei denen ein Viertel aller Beschäftigten arbeiten (25,6 Prozent oder 386.710). Damit liegt Sachsen unter dem bundesweiten Durchschnitt von 32,5 Prozent und beweist, dass die sächsische Wirtschaft vom Mittelstand getragen wird, betont die Bundesagentur.

Aber unverkennbar ist auch in Sachsen ein Trend zu beobachten, der das Gewicht langsam von den Kleinen hin zu den Größeren verschiebt.

Insgesamt ist die Zahl der Betriebe in Sachsen von 2005 bis 2014 um 247 gesunken, stellt die Bundesagentur fest. Dieser Rückgang ist ausschließlich auf Kleinstbetriebe (eins bis fünf Beschäftigte) zurückzuführen. In allen anderen Betriebsgrößen sind in den vergangenen neun Jahren mehr Betriebe entstanden.

So ist die Zahl der Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten um 2.610 auf 76.196 gesunken.

In allen anderen Betriebsgrößenklassen der kleinen und mittleren Unternehmen (6 bis 249 Beschäftigte) sind 2.245 zusätzliche Betriebe entstanden.

Gleichzeitig ist auch die Zahl der Großbetriebe in den vergangenen neun Jahren um 118 auf 639 gestiegen.

Wobei selbst die letzten Jahre seit 2012 diesen Trend zur Vergrößerung abbilden: Allein in diesem Zeitraum ist die Zahl der Großbetriebe von 504 auf 639 gestiegen.

Es sind die größeren Unternehmen, die neue Leute einstellen

Außer bei den Betrieben bis fünf Beschäftigte, dort ist die Zahl der Arbeitnehmer um 5.663 gesunken, ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in allen Betriebsgrößen gestiegen. Bei den übrigen kleinen und mittleren Unternehmen (6 bis 249 Beschäftigte) um 96.636 und bei den Großbetrieben um 84.931.

Was die Bundesagentur zu dem erwartbaren Fazit bringt: “Beschäftigungswachstum ist in Sachsen ohne die kleinen und mittleren Unternehmen kaum noch denkbar. Über die Hälfte des Beschäftigungsaufbaus in den vergangenen Jahren geht auf das Konto dieser Betriebe. Sie stellen 99,4 Prozent aller sächsischen Betriebe und sind ‘als Fundament der sächsischen Wirtschaft die Treiber für Innovationen, Wettbewerb und Arbeitsplätze’“, so Schuberth.

An dieser Stelle muss man aber auch das wachsende Fachkräfteproblem ansprechen und die Schwierigkeit der Unternehmen, sich um neue Personalstrukturen zu kümmern.

Was die Arbeitsagentur dann gleich mal nutzt, ihre eigene Kompetenz anzubieten.

Der eigentliche Kampf um Fachkräfte beginnt gerade erst

Das Angebot der BA wird nicht viel helfen, wenn der junge Fachkräftenachwuchs fehlt und sich alle, wirklich alle drum prügeln. Und der hungrigste Arbeitgeber der nächsten Jahre wird – auch wenn es die letzte Regierung so vehement ignoriert hat – der Staat sein.

Ablesbar auch an der Struktur dessen, was die Statistik so alles an Großbetrieben ausweist.

Es ist nicht der Automobilbau, der dieses Feld dominiert, sondern der Bereich Erziehung und Unterricht (4,5 Prozent aller Betriebe dieser Branche), dem folgt die öffentlichen Verwaltung (3,2 Prozent aller Betriebe dieser Branche), es folgen Heime und das Sozialwesen (2,5 Prozent aller Betriebe dieser Branche) und erst dann das Verarbeitende Gewerbe (1,6 Prozent aller Betriebe dieser Branche).

Der Bereich  “Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit” bietet mit über 622.000 Arbeitsplätzen auch mehr als der gesamte produzierende Sektor: Da stecken Schulen mit drin, Kindertagesstätten, Hochschulen, Krankenhäuser. Und man kann gespannt sein, mit welchen Mitteln der Freistaat Sachsen gezwungen sein wird zu arbeiten, wenn die zuständige Ministerriege begreift, dass man den Beschäftigungsaufbau viel zu spät und zur falschen Zeit begonnen haben wird. Begonnen hat er ja noch gar nicht. Das Unwetter kommt erst.

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