Die Semperoper ist in eine neue Ära gestartet. Mit der Premiere von Schönbergs „Moses und Aron“ begann Peter Theiler am 30. September seine mit Spannung erwartete Intendanz. Regie führte der bei Publikum und Kritikern umstrittene Katalane Calixto Bieito.

Der neue Intendant hatte bei der Vorstellung des Spielplans angekündigt, einerseits Bewährtes pflegen, andererseits das Repertoire erweitern zu wollen. Dass die Dresdner Saison nicht mit einer großen Wagner- oder Strauss-Oper eröffnet wird, sondern mit einem Werk Arnold Schönbergs, darf in Zeiten von Rechtsruck, AfD und Pegida durchaus als ein politisches Statement verstanden werden.

Schönberg, Sohn einer jüdischen Familie, geboren 1874 in Wien, floh 1933 über Paris vor den Nazis in die USA. Während Strauss unter den Nazis Karriere machte, vollendete der Begründer der Zwölftönigkeit in den Vereinigten Staaten einige seiner prominentesten Werke, darunter das vierte Streichquartett, ein Klavierkonzert und das Oratorium „Ein Überlebender aus Warschau“.

Die Oper „Moses und Aron“, mit der sich der Komponist über 20 Jahre beschäftigte, blieb unvollendet. Der dritte Aufzug existiert rein fragmentarisch. Das Werk erlebte seine szenische Uraufführung 1957 erst sechs Jahre nach dem Tod seines Komponisten. Die Erstaufführung in der DDR fand 1975 in Dresden statt.

Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen den Brüdern Moses (John Tomlinson) und Aron (Lance Ryan), die Schönberg nur lose an ihre biblischen Vorbilder angelehnt hat. Das Libretto aus der Feder des Komponisten kreist um die philosophische Frage, ob es der physischen Präsenz eines Gottes in Gestalt eines Abbilds bedarf, um dessen Existenz zu legitimieren.

Das entblößte Paar, das in Bieitos Inszenierung für das goldene Kalb steht, gefiel nicht allen Zuschauern. Foto: Ludwig Olah
Das entblößte Paar, das in Bieitos Inszenierung für das goldene Kalb steht, gefiel nicht allen Zuschauern. Foto: Ludwig Olah

Mit Calixto Bieito hat Theiler gleich zum Saisonstart einen der umstrittensten Opernmacher der letzten Dekade an die Elbe geholt. Der Katalane zählt zu den Vertretern eines postdramatischen Musiktheaters, das sich aus dem Schauspiel kommend spätestens seit Mitte der 2000er Jahre durch Regisseure wie Romeo Castellucci, Christoph Schlingensief, Michael Thalheimer, Andreas Kriegenburg, Tatjana Gürbaca, Barrie Kosky und Frank Castorf international durchgesetzt hat.

Der Katalane steckt „Moses und Aron“ in einen großen weißen Holzkasten, der die gesamte Bühne einnimmt. Der Chor singt im ersten Akt von den Seiten und aus dem 4. Rang. Auf der Bühne tragen Ryan und Tomlinson, beide darstellerisch und stimmlich dauerpräsent, den Zwist der ungleichen Brüder aus.

Die Inszenierung ist mit ihrem schwerlastigen Schönberg-Sound und dem monotonen Bühnenbild eine Herausforderung an den Zuschauer. Man kann sich entweder auf das sonore Dialog-Gewitter einlassen oder irgendwann das Weite suchen. Als nach eineinhalb Stunden auf der Bühne einige Akteure die Hüllen fallen lassen, während aus dem Graben der musikalische Siedepunkt, die Anbetung des Goldenen Kalbes, erklingt, suchen tatsächlich einige Zartbesaitete das Weite.

Alles in allem ist der Abend bis dahin ein langweiler. Ein szenisch belangloses Götzenfest, das nur aufgrund Alan Gilberts einfühlsamen Dirigat ein Ausflug in die Landeshauptstadt wert ist. Calixto Bieito hat dem Publikum schon besseres beschert. Zum Beispiel Wagners „Tannhäuser“, der im November wieder in Leipzig zu sehen sein wird.

 

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