Seit Jahrzehnten tummeln sich Rechtsradikale in Europas Fußballstadien. Auch in Deutschland reicht das Problem bis in unterste Spielklassen. Kein Wunder. Der Breitensport ist ein Spiegel der Gesellschaft, die hierzulande zu einem geringen Prozentsatz auch aus Neonazis besteht. Gerrit Hoekman möchte seine Leser mit der "Braunen Wand" die Welt der europäischen Arenen erklären, die der "Junge Welt"-Autor jedoch selbst nur sehr unzureichend zu kennen scheint.

Ob Polen oder Spanien, Italien oder Frankreich. Kein europäisches Land ist vor fußballerischen Ausflügen der extremen Rechten gefeit. In allen großen Spitzenligen finden sich Fanszenen, die Neonazis zumindest in Teilen offen gegenüber stehen. Ob Dortmund oder Aachen, Paris oder Rom. Rechtsextremisten finden gefallen am Massenevent Fußball.
Über das gesellschaftliche Klima, das vielerorts den Zulauf von Rechtsaußen begünstigt, verliert Hoekmann in seinem Buch jedoch kein Sterbenswort. Weiterführende Analysen bleiben damit komplett aus. Sein Streifzug durch den europäischen Fußball entpuppt sich in weiten Teilen als zusammengeschnittenes Potpourri aus Medienveröffentlichungen. Der Autor, der unter anderem für die “Junge Welt” tätig ist, kratzt damit an der Oberfläche eines komplexen Themenfeldes. Hoekman, der fairerweise seine Quellen benennt, ist sich nicht zu schade einzugestehen, bei der Recherche auf Medien wie der Web-Ezyklopädie “Wikipedia” und der linken Plattform “Indymedia” zurückgegriffen zu haben. Beide Portale eint, dass auf ihnen jeder schreiben kann, wie er lustig ist. Gewiss können Beiträge dieser Seiten Ausgangspunkt für eigene Recherchen sein.

Doch diese scheint wenig Raum eingenommen zu haben. Hoekmans eigene Rechercheleistung reduziert sich auf eine treffliche Beschreibung der Südkurve des Müngersdorfer Stadions. Die Fans von Lok Leipzig werden hingegen pauschalisiert als Nazis verunglimpft, deren Spezialität das Bilden menschlicher Hakenkreuze im Fanblock sei. Diese Aussage ist freilich nicht mehr die als linksradikale Propaganda eines Ahnungslosen, zu der sich bislang nicht einmal die Leipziger Antifa hinreißen ließ. Hätte Hoekman ein, vielleicht aber auch mehr Spiele der “Loksche” besucht, könnte er wissen, dass durchaus vorhandene Neonazis zu weit diffuseren Mitteln greifen, um von nicht-rechten Fans und Verein akzeptiert zu werden. So bleibt denn auch das Spannungsfeld zwischen Verein, Fans, Fanarbeit und Rechtsaußen letztlich unbeleuchtet.

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Die braune Wand
Gerrit Hoekman, Unrast-Verlag 2013, 7,80 Euro

Hoekman erwähnt weder “Blue Caps” noch “Scenario”. Dabei sind die letztgenannten Lok-Ultras das Musterbeispiel für eine rechte Fangruppe, die erfolgreich in der vielbeschworenen “Mitte” ihres Vereins angekommen ist.

Statt vor Ort zu recherchieren, mit Fans, Politikern, Fansozialarbeitern und anderen Experten zu reden, bedient sich der Autor kurzerhand der Arbeit Dritter, um ein undifferenziertes, polemisches Bild zu zeichnen, das seiner Weltanschauung das nächstliegende scheint. Hoekman versäumt obendrein, Betroffene mit den Ergebnissen seiner Recherchen zu konfrontieren, wie es etwa die journalistische Sorgfaltspflicht verlangt. Von seriösem Journalismus oder gar Wissenschaft ist “Die braune Wand” um Lichtjahre entfernt. Das rote Büchlein darf als Tiefpunkt der Unrast-Reihe “Transparent” betrachtet werden, die in der Vergangenheit durchaus für die eine oder andere messerscharfe Analyse zu haben war.

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