Im September jährt sich der 50. Todestag von Albert Schweitzer. So lange muss man ja nicht warten, fand der St. Benno Verlag und legte schon jetzt einen kleinen Geschenkband für Freunde des berühmten Arztes von Lambarene vor. Oder doch eher für Freunde seines Orgelspiels? Denn das gibt es auf der beigelegten CD zu hören.

Denn Schweitzer war nicht nur Arzt und Theologe – er war auch ein begnadeter Orgelspieler, zeigte seine musikalische Begabung schon als Kind und spielte mit 15 Jahren im Gottesdienst die Orgel. Und nach seinem Theologiestudium 1893 bis 1898 setzte er erst einmal seine Orgelausbildung fort bei Charles-Marie Vidor. Deswegen taucht im Buch auf den Seiten 22 und 23 auch Notre Dame von Paris in herbstlicher Farbenpracht auf. Es ist eine der Wirkungsstätten, die Albert Schweitzer als Organist erlebt haben. Und das konnte man während Schweitzers Wirkungszeit im Urwaldhospital Lambarene immer wieder, denn er finanzierte die Arbeit des Hospitals neben Vortragsreisen und Publikationen auch mit Orgelkonzerten in ganz Europa.

Und von etlichen davon haben sich natürlich Aufnahmen erhalten. So etwa drei Orgel-Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy, die 1935 in der All Hallows Church in London und 1951/1952 in der Pfarrkirche in Gunsbach im Elsaß, der Heimat von Albert Schweitzer, aufgenommen wurden.

In Gunsbach wurden auch die drei Stücke von Johann Sebastian Bach aufgenommen, die als Track 4 auf der CD zu hören sind, ebenso die Kompositionen von César Franck (Track 5 und 6). Alles zusammen über 70 Minuten Orgelspiel, bei dem einem beim Zuhören keineswegs andächtig zumute wird, eher aufgewühlt, ruhelos. Ein ruhiger Mann kann Albert Schweitzer nicht gewesen sein. Ein menschenliebender wohl. Neben Theologie hat er auch Philosophie studiert. Das hätte durchaus auch die Weichenstellung für ein geruhsames Leben in Europa sein können. Etwa als Universitätsdozent in Straßburg, wie er es ab 1902 schon war. Doch Schweitzer wollte unbedingt auf Mission gehen. Und er wollte unbedingt Gutes tun als Missionsarzt. Und so schloss der  30-Jährige noch ein Medizinstudium ab und ging 1913 nach Lambarene, um dort das berühmte Tropenhospital aufzubauen, in dem er bis zu seinem Tod 1965 tätig war.

Der Bildband zeigt die Wirkungsstätten aus Schweitzers Leben – vom Straßburger Müntzer über die kleine Kirche in Gunsbach bis zur Pariser Notre-Dame und der Kirche St. Nikolai in Straßburg, wo Schweitzer als Vikar tätig war.

Dabei haben die (anonymen) Herausgeber des Bandes keine Mühe gescheut, die schönsten Inszenierungen der ausgewählten Bauwerke und die prächtigsten Detailaufnahmen zu suchen und zu finden. Die Fotos sind über die ganze Doppelseite gelegt, darunter wurden dann kurze Meditationen von Albert Schweitzer angeordnet – über den Glauben, sein christliches Engagement, aber auch über die wichtige Rolle der Musik in seinem Leben. Allen voran die Musik Johann Sebastian Bachs, den Schweitzer für den Endpunkt ganzer Musikepochen hielt. “Dieses Genie war kein Einzelgeist, sondern ein Gesamtgeist”, schrieb Schweitzer.

Und nicht nur das: “Was mir Bach ist? Ein Tröster. Er gibt mir den Glauben, dass in der Kunst wie im Leben das wahrhaft Wahre nicht ignoriert und nicht unterdrückt werden kann, auch keiner Menschenhilfe bedarf, sondern sich durch seine eigene Kraft durchsetzt, wenn seine Zeit gekommen.”

Das nennt man dann wohl Urvertrauen. Aber Schweitzer sprich da auch von Intensität und Leidenschaft. Und darin begegnet er wohl dem Leipziger Thomaskantor. Zumindest klingt sein Orgelspiel so. Wie das Spiel eines Mannes, der nicht innehalten mag, weil ihn etwas  Wichtigeres antreibt. Auch wenn er die Bachschen Werke etwas anders interpretiert: “Sie predigen uns: stille sein, gesammelt sein.”

Aber vielleicht klingt das auch nur so, weil Schweitzer ein großes Gotteshaus mit Klängen erfüllen wollte und ein kleines Arbeitszimmer einfach zu klein ist für dieses Ansinnen. Vielleicht sollte man sich mitten in einen Urwald setzen und die Musik anhören. Sich ergreifen lassen, wie Schweitzer es formuliert hat, der sein Leben nun einmal ganz und gar in Hingabe definiert hat. Hingabe an ein menschliches Werk, das ihn voll und ganz ausfüllte.

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