Der Rat ist eindeutig: Gehen Sie an all den Aloe-vera-Wunderprodukten im Supermarktregal vorbei. Sie sind nur eine Marketing-Masche. Um wirklich die Wirkungen der seit 5.000 Jahren beliebten „Wunderpflanze“ Aloe vera haben zu können, sind die Anteile aus der Aloe vera einfach viel zu gering. Aber der Name zieht und macht eine Milliarden-Industrie schweinereich.

Warum das so ist, erklärt Katharina Kleinschmidt in diesem Büchlein sehr anschaulich, lässt auch den Ausflug in die Geschichte nicht weg. Denn die Pflanze mit ihrer hochwirksamen Zutatenmischung gehörte schon bei den alten Sumerern und Ägyptern zur Heilmittelsammlung. Mit den Griechen und Römern wanderte sie nach Norden. Die meisten Wirkungen, die diese ans Wüstenleben angepasste Pflanze hat, waren auch damals schon bekannt. Bis in die Neuzeit gehörte die Pflanze auch zu den selbstverständlichen Zutaten der Heilapotheke. Feldherren führten Wagenladungen der Pflanze mit, weil sie gerade bei Wundbehandlungen unvergleichbare Wirkungen erzielte.

Erst mit der modernen Medizin und Pharmakologie geriet die Pflanze für Jahrzehnte aus dem Blickfeld, bis sie dann ab den 1950er wieder in Mode kam. Mit allen negativen Begleiterscheinungen und einer gewaltigen Industrie im Gefolge, die ihre Produkte mit dem Namen aufhübscht und damit Wunderwirkungen verheißt, die all diese chemischen Mischungen niemals haben können.

Aber warum schreibt man dann noch über diese begabte Wasserspeicherpflanze?

Weil sie die Wirkungen tatsächlich hat. Aber nicht in den handelsüblichen Chemieprodukten. Sondern in ihrer natürlichen Form. Und das kann man nur erleben, wenn man die Pflanze selbst zieht. Was mit der entsprechenden gärtnerischen Aufmerksamkeit auch in der Wohnung möglich ist.

Wissen muss man freilich, wie man die Pflanze behandelt und wo die hochwirksame Mischung der Inhaltsstoffe tatsächlich sitzt. Deswegen ist auch Achtsamkeit geboten. Der Saft der Pflanze ist eher nicht empfehlenswert. Das eigentliche „Kraftwerk der Wirkstoffe“ steckt im Gel. Wie man das aus dem Blatt der Pflanze herausbekommt, schildert die Autorin sehr genau. Spätestens da weiß man, dass diese sensible pflanzliche Mischung vor allem frisch sein muss und nur so ihre Wirkung entfaltet. Als „Hausapotheke für die Haut“ genauso wie als Reparatur-Gel für Haare und Nägel, aber auch als echte Unterstützung für eine bessere Verdauung. Deswegen gibt es ganz zum Schluss auch ein paar Smoothie-Rezepte.

Und was lernt man dabei? Dass der größte Teil der Versprechungen aus der Kosmetik-Branche reines Blendwerk ist und man auch bei dieser Pflanze gut daran tut, sie selbst erst einmal kennenzulernen. Eine Mühe, die sich lohnt und die daran erinnert, dass ein gut Teil unserer Gesundheit davon abhängt, wie sensibel wir mit der Natur umgehen und mit ihren so leicht vergänglichen Wirkstoffen. Das lässt sich durch Chemie nicht ersetzen. Und durch die aufgeblasenen Versprechen der Marketingkampagnen auch nicht. Es hilft alles nichts: Wer sich die gärtnerische Hege der Aloe vera auf dem Fensterbrett daheim nicht zutraut, der wird die Wirkungen des Aloe-vera-Gels nicht ausprobieren können. Für alle, die sich herantasten wollen an diese Pflanze und ihr wirkungsvolles Gel, für die ist das Buch natürlich das komprimierte Einstiegswissen zum Thema. Und gerade weil man erfährt, wie sensibel die Mischung ist, ist es auch ein schönes Aufklärungsbüchlein über die falschen Heilsversprechen einer Industrie, die etwas verspricht, was ihre aufgepeppten Mixturen nicht halten können.

Braucht man nur noch eine sonnige Fensterbank und ein Aloe-Vera-Pflänzchen aus vertrauenswürdiger Herkunft. Und natürlich wieder die Sorgfalt für das neue Stück Natur in seiner Welt. Aber es ist längst an der Zeit, diese Sorgfalt und Aufmerksamkeit wieder zu üben. Man lernt etwas Wichtiges dabei über unser Verhältnis zur lebendigen Natur.

Katharina Kleinschmidt Wunderpflanze Aloe vera, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2016, 5 Euro.

In eigener Sache: Für freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikäufer

https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Es gibt 2 Kommentare

Die Pflanzen sind wirklich sehr, sehr pflegeleicht. Eigentlich braucht man nur aufpassen, nicht zu viel zu gießen. Paar Monate ganz vergessen ist dagegen kein Problem. 😉

Danke, Herr Julke, für die Vorstellung des Buches. Hatte mich schon mit dem Gedanken befasst, mir eine Pflanze zu kaufen. Jetzt auch noch ein Buch darüber! Danke für den Tip!

Schreiben Sie einen Kommentar