Ich geb’s ja zu: Das Büchlein hat mich nicht beruhigt. Zu viele leckere Pilze haben giftige Doppelgänger. Die man lieber im Wald lässt und schon gar nicht mal kostet. Edgar Fenzlein ist ehrenamtlicher Pilzsachverständiger. Er weiß, wovon er schreibt. Denn Pilzwissen ist Fachwissen, das einem gewöhnlichen Großstädter in der Regel fehlt. Da braucht man schon ein bisschen Grundlagenwissen.

Genau das bietet das Büchlein. Eigentlich will Fenzlein ja den Lesern Lust machen aufs Pilzesammeln, denn die Wald- und Wiesenbewohner sind ja lecker, wenn man die richtigen findet. Und das Suchen macht auch Spaß. Gerade wenn man die üblichen Reviere noch nicht so kennt wie Dauer-Waldbesucher Fenzlein. Hinten im Buch gibt es dann auch noch ein paar leckere Pilzgerichte. Wirklich lecker. Sie erinnern einen daran, dass wir früher mal, in unseren noch nicht vergroßstädterten Zeiten, die leckersten und gesündesten Sachen aus dem Wald geholt haben. Da waren wir der Natur noch nah. Da stimmte auch die Zusammensetzung unserer Nahrung noch und unser Körper bekam alle wichtigen Nährstoffe. Und Bewegung bekam er auch noch.

Das ist alles verloren gegangenes Wissen. Heute spazieren wir meist ahnungslos unter den Bäumen. Und mancher von uns schmeißt die Verpackungen seines Wohlstandsmenüs ins Unterholz – oft genug schwer verrottbares Zeug.

Das Büchlein lädt also mit der nötigen Vorsicht ein, sich ein vergessenes Stück Weltwissen wieder anzueignen. Dazu fasst Fenzlein kurz zusammen, wann, wo und wie man Pilze findet, wie viel man sammeln kann und was zur Ausrüstung gehört (neben dem verschließbaren Korb auch eine zeckensichere Kleidung – ja, es hat sich nicht alles zum Besseren entwickelt in unseren Wäldern). Dann gibt er ein paar wichtige Tipps zur Verarbeitung der Pilze in der Küche und natürlich auch, was man tun sollte, wenn es doch einmal zu Pilzvergiftungen kommt. Wobei der wichtigste Tipp immer ist: Vor der Zubereitung mit den Pilzen zum Pilzberater, nicht erst, wenn einer grün anläuft.

Und dann geht es in das kleine Pilz-ABC. Natürlich beschränkt sich Fenzlein auf die bekanntesten Hutträger, die er auch ein bisschen alphabetisch mixt – denn wenn die giftigen Kandidaten gleich neben den gesunden stehen, weiß man, worauf man achten muss, um zum Beispiel den Netzstieligen Hexenröhrling nicht mit dem Satansröhrling zu verwechseln oder das Stockschwämmchen nicht mit dem Gifthäubling. Wenn man sich denn auf diese kleinen Spezialitäten fokussiert und nicht lieber die guten alten Bekannten sucht: Den Butterpilz, den Hallimasch oder die heiß begehrte Krause Glucke.

Es ist nur eine kleine Auswahl, aber sie zeigt, welcher Reichtum sich da im Dickicht verbirgt, vom Steinpilz bis zur Speisemorchel. Der Kenner listet zu jedem Pilz die Merkmale auf, an denen er erkannt werden kann, den Hut extra und den Stiel extra. Das Vorkommen und den Zeitraum, wann man mit diesen Boden- und Stammbewohnern rechnen kann. Und wann man sie auch frisch und jung antrifft. Die alten und glitschigen sollte man wirklich stehen lassen. Die Masse macht’s wirklich nicht, sondern die Frische. Die Tipps zum Ernten fehlen nicht, die Geschmacksnoten auch nicht. Und auch nicht die Warnhinweise.

Am Ende ist man hin- und hergerissen: Das alles liest sich so lecker und würzig – aber wenn man dann diese grünen Giftpilze sieht, die sich manchmal wie Menschen verhalten und so tun, als wären sie ganz harmlos und würden niemandem etwas zuleide tun …

Aber die Vorsicht ist wichtig. Sie bringt einen ja dazu, lieber ein paar wichtige Regeln zu verinnerlichen und bei Unsicherheit doch lieber den Pilzsachverständigen aufzusuchen. Erst wenn das alles beherzigt ist, dann darf man sich freuen – zum Beispiel auf Gudruns Pilzsalat oder Henrys Herbsttrompeten-Risotto, das man auch aus Trockenpilzen zubereiten kann. Die Sache mit Trockenpilzen und Pilzpulver wird natürlich auch erklärt. Denn warum sollte man auf den würzigen Pilzgeschmack verzichten, bloß weil gerade keine Saison ist?

Das kleine Pilz-ABC im Buchverlag Für die Frau.

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