Im Schwimmbad war die Böckchen-Bande schon. Jetzt bekamen die drei kleinen Ziegenböcke die Aufforderung, in die Schule zu kommen. Vom Rektor persönlich. „Für alle Unerschrockenen ab 4 Jahre“, wirbt der Verlag für dieses Bilderbuch aus Norwegen. Im Katalog gibt’s dann noch eins drauf: „Hey, teacher, leave the kids alone!“

Dabei haben die drei Böckchen noch Glück, denn sie kommen nicht zur strengen Frau Schnellschuh in die Klasse, sondern zur netten Frau Hasianne. Es ist so ein Buch, wie es auch die Kinder selbst schreiben könnten. Denn es lebt von diesem herrlichen Kinderdenken über ihre Lehrer, von dem manche Lehrer gern nichts wissen wollen. Andere wissen schon, was da abgeht. Denn Kinder sind strenge Richter, wenn es um ihre erwachsenen Bezugspersonen geht. Sie merken schnell, ob die Personen da vorn Kinder mögen – oder nicht. Manche Lehrer – wie Frau Schnellschuh – versuchen sich ihre Autorität dann mit Strenge zu bewahren. Aber wie das so ist im Leben: Das funktioniert nicht wirklich, wenn sie damit nicht wirklich die Achtung der Kinder erwerben.

Strenge aus zweiter Hand entlarvt sich irgendwann. So wie an diesem ersten Tag in der Schule, an dem die drei Böckchen erst einmal ein bisschen Bockmist bauen, weil das kleinste Böckchen Angst hat, auf der Toilette der strengen Frau Schnellschuh zu begegnen. Angstmachen hat – wie man sieht – ziemlich schnell Folgen. In diesem Fall für die Pelargonien, die dran glauben müssen, weil die drei Böckchen dann doch lieber nach draußen gehen wie sie es gewohnt sind.

Natürlich überschlagen sich die Ereignisse, weil die gestrenge Frau Schnellschuh gar nicht vorhat, sich nur um sich selbst zu kümmern, sondern lieber erziehen will und augenscheinlich glücklich ist, die drei Böckchen gleich am ersten Tag auf frischer Tat erwischt zu haben …

Solche LehrerInnen gibt es augenscheinlich immer noch.

Auch in Norwegen. Sonst wären ja Erzähler Bjørn F. Rørvik und Illustratorin Gry Moursund nicht auf die Idee gekommen, die drei kleinen Ziegenböcke ausgerechnet so etwas erleben zu lassen am ersten Tag. So etwas, bei dem andere Kinder sich vor Scham in die Hosen gepinkelt hätten. Gry Moursund zeichnet ihre Bilder – wie es aussieht – mit Faserstift, richtig schöne bunte Wimmelbilder sind das, auf denen viel mehr zu sehen ist, als was nur mit den drei kleinen Ziegenböcken passiert, die schon in der großen Hofpause erfahren haben, dass es noch eine viel strengere Person an der Schule gibt als Frau Schnellschuh: Den Rektor.

Und ausgerechnet zu dem werden die drei von Frau Schnellschuh geschickt. „Rein mit euch! Jetzt geht’s zum Rektor.“

So machen sich Lehrerinnen ganz bestimmt nicht beliebt. Und ob das in sächsischen Schulen noch so funktioniert? Ist der Schulleiter hier auch so eine Einschüchterungsperson, zu der man die Kinder schickt, wenn man glaubt, ein bisschen Autorität zeigen zu müssen?

Wenn das so sein sollte, dann würde es einiges erklären. Denn auch in Norwegen gibt es augenscheinlich riesige Probleme, die Schulleiterstellen mit kompetenten Personen zu besetzen. Wer will denn auch gern Rektor werden, wenn das eine Position ist, mit der man Kinder ängstigt und einschüchtert? Wer wirklich Lehrer werden will, vermeidet so einen Job. Und wie in der Bildergalerie im Buch zu sehen ist, gab es im Rektorat schon ein reges Wechsel-Dich. Bis man dann von einer anderen Schule einen neuen Bewerber bekam, von dem sich die Siebtklässler auf dem Schulhof Schlimmes zu erzählen haben …

Und das Überraschende in dieser Böckchen-Geschichte: Das Schlimme tritt auch genau so ein. Es ist wirklich kein Buch für kleine Angsthasen. Es sei denn, die großen Geschwister sitzen dabei. Denn die drei Böckchen sind ja unzertrennlich. Sie gehen kein Risiko allein ein. Nicht die Suche nach einer schönen Blumenrabatte und auch nicht den Weg zum schrecklichen Herrn Rektor.

Wer sich in den Märchen der Welt auskennt, weiß, wie solche Geschichten mit drei oder sieben Böckchen oder Geißlein ausgehen.

Aber die Song-Zeile von Pink Floyd passt natürlich auch. Auch wenn dieses Bilderbuch eher fröhlich und frech das Thema Autorität angeht – und das, was eigentlich keine Autorität ist, sondern reine Angstmache. Was eine Menge ausgewachsener Menschen bis heute nicht verstehen. Deswegen ist die Welt ja voller irrationaler Gewalt. Immer wieder trifft man auf Leute, die sich Respekt nicht durch Können erwerben wollen, sondern durch Schikane, Drohung und Gewalt. So lernt natürlich keiner was – außer Sichducken, Klappehalten, Opportunismus.

Wogegen natürlich nur eines hilft: Dickköpfigkeit, Sich-nichts-gefallen-lassen. Denn Erwachsene stehen in der Pflicht, auch wenn es so viele nicht wahrhaben wollen und lieber einen auf grimmige Einschüchterung machen: Wirklich Respekt erwirbt man sich nur mit Können, Einfühlungsvermögen und einem Gespür für die Sorgen der Kleinen. Eigentlich gehört ins Rektor-Zimmer jemand, der besonders gut mit Kindern umgehen kann.

Und kein Menschenfresser.

Man kommt ja so auf Gedanken, wenn man diesen Rektor hier wüten sieht, der einem so seltsam vertraut vorkommt.

Und man merkt, dass es eigentlich gar nicht so dumm ist, wenn Kinder auch mal tapfer sind wie die Böckchen-Bande. Einer muss die Sache ja anpacken und mutig sein. Sonst haben ja immer nur alle Angst vor dem Wütenden da im Rektoren-Zimmer. Und Angst hat eigentlich in der Schule nichts zu suchen.

Bjørn F. Rørvik, Gry Moursund Die Böckchen-Bande in der Schule, Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2018, 15 Euro.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar