Mit diesem Buch beschenkt sich ein unermüdlicher Verein selbst. Denn eigentlich bemüht sich der Verein der Freunde und Förderer der Bergkirche Schönbach ja seit 1990 darum, die eindrucksvolle Kirche im seit 2010 nach Colditz eingemeindeten Schönbach Stück für Stück zu sanieren. Aber wann findet man da mal eine Pause, um über das Erreichte in einem eigenen Büchlein zu berichten? Die fünf Autoren in diesem Buch haben sich die Zeit jetzt genommen.

Auch weil sie auf gute Vorarbeiten zurückgreifen konnten. Denn bevor man eine Kirche, die seit Jahrzehnten immer nur rudimentär repariert werden konnte, wirklich umfassend saniert, muss man natürlich die alten Unterlagen studieren, muss sich mit historischen Quellen beschäftigen. Und bei einer so eindrucksvollen Kirche kommt ja noch hinzu: Hier bündelt sich Dorf- und Regionalgeschichte. Kirchen sind die Symbole der Gemeinschaft. Hier haben alle mal mit angepackt, ihr Scherflein beigetragen, Predigten gehört, geheiratet oder Kinder taufen lassen.

Sie steht mitten im Dorf, in gewisser Ansicht auch auf einer kleinen Anhöhe. Scheinbar unerschütterlich. Als Vorbeifahrender merkt man nicht, wie viel Mühe und Engagement in so einer Kirche steckt. Diese hier, stellt die Wikipedia-Seite fest, sei 1812 erbaut worden. Und natürlich weiß man – auch nach dem Lesen vieler ambitionierter Titel zur Regionalgeschichte aus dem Sax-Verlag – dass so eine Angabe selten stimmt. Kirchen sind Generationenwerke.

Oft stecken in ihren Grundmauern noch die Überreste früherer Kirchen, oft sogar der allerersten Steinkirche, die im einst zum kaiserlichen Pleißenland gehörenden Schönbach möglicherweise aus dem frühen 14. Jahrhundert stammen. 1306 wurde erstmals ein Herr aus Schönbach in einer Urkunde erwähnt. Kein Herr auf Schönbach – ein eigener Herrschaftssitz war hier nie. Aber die Herrschaften, die hier das Sagen hatten, haben sich über die Jahrhunderte immer wieder auch als Patronatsherren und -damen um die Wiederherrichtung, Verschönerung oder den Neubau der Kirche bemüht. So wie Margaretha von Österreich und später die Wettiner.

Dass 1812 als Baujahr angegeben wird, hat mit dem Fast-komplett-Neubau von 1811 bis 1814 zu tun. Die Schönbacher hätten die alte Kirche, die im Wesentlichen aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammte und deutlich kleiner war und vielen Dorfkirchen aus der Zeit im westsächsischen Raum ähnelte, bestimmt gern erhalten. Aber die Bausubstanz war so marode, dass man sich doch lieber für einen Neubau entschloss – dabei aber den alten Kirchturm beibehielt, dessen Unterbau eindeutig zu den ältesten Teilen der Kirche gehört.

Das ist immer der Punkt, an dem Historiker wie der langjährige Denkmalpfleger Gerhart Pasch mit aufmerksamen Blicken durchs Gemäuer steigen und versuchen herauszufinden, wie das Bauwerk vor dem Abriss und Neubau 1811 ausgesehen haben könnte. Eine Besonderheit ist ja auch: Das Kirchenschiff wurde damals von der West- auf die Ostseite des Turmes verlegt. Die Rekonstruktionsversuche findet man natürlich auch im Buch. Denn dummerweise erhalten sich wichtige Bauakten selten über die Jahrhunderte. Und verwertbare Firmenarchive haben die damaligen Zimmerer-, Mauer- und Dachdeckermeister auch nicht hinterlassen.

Trotzdem ist es eine sehr intensive Annährung an die Vorgeschichte des Kirchenbaus, die den Leser mit hinein nimmt in eine auch in Spuren sichtbar werdende Dorf- und Gemeindegeschichte, die ihren Höhepunkt 1522 schon mit dem reformierten Pfarrer Stumpf erlebte. Damals gehörte der Kirchsprengel noch zum Bistum Merseburg und der lutherische Pfarrer musste sich natürlich vor dem – wütenden – Bischof verantworten. Das Kirchenhaus selbst erlebte sein Drama 1547, als es im Schmalkaldischen Krieg geplündert wurde und in den Folgejahren zusehends verfiel.

Deswegen steht auch das Jahr 1589 als wichtiges Jahr der Kirchenerneuerung in den Dokumenten, die sich im Lauf mehrerer Erneuerungen und Umbauten im Turmknauf ansammelten. Diese Dokumente bieten heute den Grundstock dessen, was man über die ganze Vorgeschichte weiß. Erst ab 1603 sind auch die Kirchenbücher erhalten, was insbesondere für die engagierte Familie Commichau wichtig war, die sich mit Schönbach verbunden fühlt und schon Anfang des 20. Jahrhunderts mit intensiven genealogischen Studien begann. Deswegen ist es auch keine Überraschung, dass es 1990 in Hamburg ein Commichau war, der den Kirchenförderverein gründete und damit die Grundlagen dafür schuf, dass die stückweise Sanierung der Kirche in einem Netzwerk Engagierter und mit viel staatlicher Denkmalförderung gestartet werden konnte.

Und dass die Fördergelder einem besonderen Kleinod zugute kamen, merkt man besonders, wenn man die restaurierten Innenräume sieht. Die Bausituation ist zwar noch immer die Einrichtung von 1814 mit dem eindrucksvollen Kanzelalter, den beiden seitlichen Emporen für die Männer und den seitlich angebrachten Betstuben, die sich einst die Adelsfamilien der Umgebung sichern ließen. Aber nach zwei großen Blitzeinschlägen in den Jahren 1899 und 1900 (die Kirche hatte bis dahin tatsächlich keinen Blitzableiter), wurde das Kircheninnere 1901 im damals modernen Jugendstil neu ausgemalt.

Der zuständige Malermeister scheint mit einigen der Bilder, die der Pfarrerssohn vorgezeichnet hatte, überfordert gewesen zu sein. Er nagelte die Zeichnungen einfach so wie sie waren an die Decke. Zwei davon wurden jetzt mit der Restaurierung von 1999 bis 2009 tatsächlich auf den Putz aufgetragen. Aber beim Dekor war der Maler wohl ein Meister. Wer den Kirchenraum jetzt auf den eindrucksvollen Bildern im Buch sieht, darf fasziniert sein. Dieses wirklich jung und lebendig wirkende Flair ist tatsächlich schönster Jugendstil.

Andererseits erlebt man natürlich mit den akribischen Schilderungen der Beteiligten auch mit, dass so ein Kirchenbau tatsächlich ein Generationenwerk ist. Man kann es immer nur etappenweise anpacken. Und klugerweise fängt man natürlich mit Dach und Dachstuhl an, kümmert sich um den Turm und geht dann an die Innenausstattung. Dabei merkt man schon, wie sehr die Autoren mit dem Herzen an diesem Lebensprojekt hängen. Und ein echter Eulenfreund kommt auch noch zu Wort, denn alte Kirchtürme sind – wenn nicht alles verhagelt und vermauert ist – auch beliebte Nistplätze für Schleiereulen.

Was für den Leser greifbar wird, ist natürlich eine unverwechselbare Kirche im Leipziger Land, die erst beim genauen Hinschauen sichtbar werden lässt, wie sehr sie ein Jahrhundertprojekt für das ganze Dorf und darüber hinaus ist. Denn heute leben ja gerade einmal 700 Menschen in Schönbach und Zschetzsch. Die würden fast alle problemlos in diese Kirche passen. Aber der Abstecher lohnt sich natürlich für jeden, der zum Beispiel Schloss Colditz als Reiseziel hat. Einfach mal abbiegen.

Michael Beyer (Hrsg.) Die Bergkirche Schönbach, Sax Verlag, Beuche und Markkleeberg 2018, 10 Euro.

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