Es gibt einige Filme, in denen er eine ganz und gar nicht bescheidene Rolle spielt: der Gin. Bei James Bond zum Beispiel, der seinen Martini aus Gin, Wodka und Lillet regelrecht zelebriert. Geschüttelt natürlich, nicht gerührt. Eine Genießernase vor dem Filmpublikum. Seitdem hat der Gin eine Renaissance erlebt. Nicht nur bei einsamen Wölfen.

Heute findet, wer sucht, eine Auswahl von hunderten Sorten. Mit unterschiedlichster Alkoholbasis und unterschiedlichsten Aromen von Früchten und Kräutern. Nur der Geschmack von Wacholderbeeren ist Pflicht. Und wie die in den Gin kommen, erzählt Hagen Kunze recht ausführlich, von Anbeginn an.

Und der lag irgendwann im 16. Jahrhundert im damaligen Burgund, heute dem hübschen Ländchen Belgien. Und irgendwie steckt auch der Name Wacholder drin. Hat nur halt kein Deutscher erfunden, sonst hieße das Tröpfchen ja Wach, sondern einer, dessen Muttersprache Französisch war: genévrier. Woraus dann Genever und Jenever wurde.

Bis dann englische Soldaten im Spanisch-Holländischen Krieg zum Einsatz kamen – natürlich auf Seiten der Holländer. Die hatten halt das bessere Schlückchen. Und irgendwie stärkte ein Gläschen Genever auch die Kampfmoral, womit der Wacholderschnaps zur Feldverpflegung der englischen Armee wurde. Und weil man nach mehreren Schlückchen nicht mehr den ganzen Namen herausbekommt, wurde ganz griffig Gin daraus.

Was dann auch den englischen Matrosen mundete, die sich dann später auch noch einen extrastarken Gin für die Kriegsschiffe destillieren ließen. Der Bursche mit dem Gin-Monopol für die British Navy wurde reich. Und die anderen Gin-Produzenten auf der Insel auch, weil sie es schafften, das Parlament dazu zu bringen, Bier mit Steuern so teuer zu machen, dass Gin am Ende billiger war als Bier. Die berühmte Gin-Epidemie war die Folge – ein ganzes Volk, stinkbesoffen und auf dem besten Weg, das schöne Königreich zu ruinieren.

Man ist natürlich – so unvorbereitet in Gin-Welten gekommen – überrascht, eine derartig deftige Geschichte für ein Getränk zu finden, das heute also cool, crazy oder wahlweise hipp gilt. Wozu die James-Bond-Filme natürlich beitrugen. Aber nicht Ian Fleming, der James-Bond-Erfinder, war schuld. Der ließ seinen auf Papier gedruckten Superagenten 007 eher Whiskey picheln. Was man natürlich in diesem Gin-Buch nicht erfährt. Das ist eher etwas für die Leseratten, die in ihren Büchern natürlich keine Wodka-Werbung finden.

Ansonsten erzählt Hagen Kunze die Geschichte des Gin mit ihren Höhen und Tiefen recht ausführlich. Bis hin zu dem Kick in jüngeren Zeiten, als ein paar clevere Destillateure darangingen, dem leckeren Tropfen der harten Jungs ein spritzigeres Image – auch gern mit Orangen- und Gurkenscheiben – zu verpassen. Wie sie das tun, kann Kunze zumindest andeuten.

Denn hinter jeder heute bekannten oder heimlich weiter empfohlenen Marke steckt natürlich eine eigene Rezeptur, die die Hersteller in London, Prag oder Bayern oft nur zum Teil verraten. Aber das Grundprinzip wird hübsch erklärt, auch wie die Aromen in den Alkohol kommen und warum man den Grundalkohol durchaus verändern kann. Gin ist nicht ganz so festgelegt wie andere Getränke. Also wird ausprobiert. Und die Barbesucher oder heimischen Genießer können aussuchen und sich durchprobieren.

Was Hagen Kunze lieber zusammen mit einem guten Kumpel gemacht hat, der schon mehr Reiseerfahrungen in der Welt des Gins gemacht hat. Ergebnis ist dann eine kleine Bilder-Text-Strecke zu den 15 Sorten, die Hagen Kunze empfehlen kann – ein paar auch extra für Frauen abgemischt, eher fruchtig, weil man ja davon ausgeht, Frauen mögen es eher fruchtig und süß.

Und weil das meist dazugehört, gibt es auch einen kleinen Ausflug zu Tonic Water und seiner Geschichte als präventive Ausrüstung für englische Tropen-Truppen. Denn natürlich trinken die einen ihren Gin heute (geschüttelt, gerührt oder exotisch verziert) gern pur und mit Eis. Aber viele bevorzugen dann doch die phantasievolle Mischung im Gin Tonic. Davon kann es natürlich auch wieder tausende Varianten geben. Hagen Kunze gibt die Rezepturen zu fünf Grundvarianten an.

Womit man zumindest eines weiß: So enthemmt wie die Engländer im 18. Jahrhundert sollte man den Gin auf jeden Fall nicht trinken. Das wäre der schnellste Weg direkt ins Verderben. Aber wenn man eine Genießernase ist, lohnt es sich schon, sich einmal mit den Feinheiten zu beschäftigen und vielleicht die schöne Flasche zu finden, die einem vom Geschmack her am meisten liegt – und auch das von Hagen Kunze versprochene Geschmacksfeuerwerk mit sich bringt. Wozu man – der Rat ist wohl wichtig – die Plastikbecher von Partys meiden sollte. Lieber stilvoll und teuer als wegpicheln ohne Sinn und Verstand.

Hagen Kunze Gin, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2018, 5 Euro.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar