Es sind nur so kleine Bücher. Ganz viele davon passen selbst in einen Setzkasten. In der Küche zum Beispiel. Aber wenn man dann hineinliest, eröffnen sie Welten und zeigen etwas, was man als geübter Kunde in den üblichen Supermärkten nicht einmal mehr merkt: Was für eine Vielfalt eigentlich Grundlage unserer Ernährung ist. Oder war, damals, als den Menschen die Vielfalt im Garten noch bewusst war. Auch die Vielfalt der Minzen.

Die wir in der Regel nur als Pfefferminztee in Beuteln oder als Mentholpastille oder Pfeffi-Stückchen kennen. Und sicher steckt oft auch dieselbe Minzsorte dahinter. Aber nicht immer. So wie so manche andere Kulturpflanze gibt es die Minze in der freien Natur in dutzenden unterschiedlichen Arten – von 20 bis 30 schreibt Tassilo Wengel, wissend, dass die Grenzen fließend sind, denn schon in der Vergangenheit haben die Menschen Hybride daraus gezüchtet. In der Gegenwart, wo sogar zielgerichtet Geschmackssorten für den Markt herangezüchtet werden, gibt es noch viel mehr Varianten, bei denen nicht mal mehr klar ist, zu welcher Gruppe sie tatsächlich noch gehören.

Und etliche davon wachsen tatsächlich in unseren Breiten, manchmal sogar noch wild, wenn noch irgendwo ein wildes Eckchen bleibt in unseren ausgeräumten Fluren. Viele gehören zu den Lieblingspflanzen heimischer Gärtner, teilweise direkt für die Küche angebaut, andere vor allem als Zierpflanzen beliebt. 39 verschiedene Minzen beschreibt Tassilo Wengel in diesem Büchlein hübsch übersichtlich, vom Aroma über die Beschreibung der Pflanze selbst bis hin zur Verwendung. Und natürlich lässt er die Vorgeschichte der Minze nicht weg, die spätestens im 1. Jahrhundert bei römischen Autoren Erwähnung fand, da aber schon Jahrhunderte der Anwendung hinter sich hatte, denn selbst in der griechischen Mythologie kommt sie vor. Sie sollte gegen Kater helfen und für Wohlgeruch und Gesundheit sorgen.

Am wirksamsten aber ist die Minze wohl bei Bauch- und Verdauungsproblemen, so wirksam, dass Wengel davon abrät, Pfefferminztee vorm Schlafengehen zu trinken. Natürlich gibt es auch Tipps zum Anbau der Minze und zum Trocknen und Konservieren und zur Teezubereitung. Wobei Tee eben nicht alles ist, was dann auch die dem Büchlein beigegebenen Rezepte zeigen, in denen diverse Minzen zum appetitanregenden Bestandteil von zumeist sehr bunten Gerichten werden – einem Gemüse-Erbsen-Eintopf etwa, einem Tomatensalat oder Zucchini mit Lavendel-Minze.

Und natürlich passen diverse Minzen auch zu süßen Sachen, lassen sich in Gelee, Chutney oder einem frischen Sommerdrink namens „Hugo“ unterbringen. Wobei der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Oft erinnert schon der Name daran, dass die Minze ideal zu Obstsalaten passt – wie bei der Erdbeer-Minze. Und auch die Echte Pfefferminze kommt im Büchlein vor, als kleine Überraschung, denn Griechen und Römer kannten sie noch gar nicht. Gezüchtet wurde sie auch nicht. Sie wurde erst 1696 in einem Feld mit der Ährigen Minze entdeckt, ist also so eine Art Findelkind, das sich richtig prächtig entwickelt hat und beinah ganz allein für die ganze Gattung stehen könnte, wären da nicht die vielen Nuancen beim Minzaroma – bis hin zur Tatsache, dass es sogar Minzen ohne Menthol gibt, obwohl Menthol ja nun einmal vom lateinischen Wortursprung für Minze kommt.

Es ist wie so oft bei diesen kleinen Büchlein: Gerade weil sie sich auf das scheinbar Kleine und Unscheinbare konzentrieren, machen sie erst sichtbar, welche Vielfalt sich im Kleinen verbirgt, die man freilich erst zu sehen lernt, wenn man weiß, dass sie da ist und wonach man Ausschau halten kann. Eine frische grüne Aufforderung zum Aufmerksamsein.

Tassilo Wengel Minze. Ein besondere Kraut, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2019, 5 Euro.

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