Um Fußballstars geht es in der „Ikonen“-Reihe von Voland & Quist. Und nur um Fußballstars. Mal in Geschichten, mal in Erinnerungen, mal in lauter Bewunderung. Mal sind es heimische Fußballhelden und ihre Clubs, die die Autoren der Reihe animieren, mal sind es international bekannte Superstars – wie eben Diego Maradona (1960–2020), der den Sänger, Schlagzeuger und Keyboarder Florian Weber von Sportfreunde Stiller bis heute begleitet.

Was nicht gelogen ist, wie man lesen kann. Denn in seinen besten Träumen begegnet Weber dem bewunderten Ballkünstler aus Argentinien auch nach dessen Tod immer wieder. Und wer die Sportfreunde Stiller kennt, weiß, dass Fußball sowieso die Kernbotschaft ihrer Songs ist.

Und auch am Anfang stand, als sich die selbst zuvor als Fußballer aktiven Musiker zusammentaten, um mit ihren Songs das Publikum zu begeistern. So wie etwa 2006, als ihr Song „’54, ’74, ’90, 2006“ fast zur Hymne der Fußball-WM in Deutschland wurde. Ein Ereignis, das Florian Weber in diesem Büchlein natürlich auch schildert.

Auch wenn es eigentlich um seine lebenslange Begeisterung für Diego Maradona geht, die ihn seit Kindesbeinen begleitet. Seit jener Zeit also, in der sich viele Jungen ihre Idole zulegen und die Liebe zu ihren Stars dann ein Leben lang im Herzen behalten, egal, was ihren Helden dann noch alles zustößt. Und wer selbst mit dem Fußball-Fieber angesteckt ist, der träumt natürlich auch davon, einmal genauso genial zu sein wie das Vorbild, das man meist nur auf dem Bildschirm gesehen hat.

Angesteckt vom Fußball-Fieber

Und verraten kann man ja schon, dass das mit der echten Begegnung mit Maradona, auf die Weber gleich zum Einstieg in sein Bekenntnis-Büchlein so schwört, eine etwas vertrackte Sache ist. Man wünscht sich ja so viel so sehr, dass es dann trotzdem Realität wird, egal, was die Leute sagen und denken.

Und dann kann es sogar passieren, dass eine Band, die sowieso auch von Fernsehleuten nur zu gern eingeladen wird, wenn man wieder ein „rauschendes Fußballfest“ zu feiern hat, auch den echten Stars vom grünen Rasen begegnet. Einer der Allergrößten bekommt natürlich auch in Webers Büchlein seinen Auftritt. Und mancher, der es liest, wünscht sich garantiert, er wäre mal Teil der Band Sportfreunde Stiller gewesen.

Aber viele fußballverliebte Leser werden sich natürlich auch wiedererkennen in dieser Geschichte, die so manchen Menschen in den lokalen Fußballverein geführt hat und auf den Weg, der am Ende mit dem Ruf in einen berühmten großen Proficlub enden sollte, auch wenn es für die Meisten dann doch eher die Kreisklasse bleibt, die Erinnerung an einen von allen bewunderten Trainer und ein Spitzname, der einen zumindest im Freundeskreis durchs Leben begleitet.

Auch wenn es dann nicht Maradona ist, sondern eher Beckenbauer oder Hrubesch, Klose oder Podolski.

Während sie zu Hause all ihre gesammelten Trophäen bewahren, in denen ihre Bewunderung für die Helden ihrer Jugend nachglüht – Panini-Sammelalben voller einst fiebrig erworbener Bilder der Fußballhelden in jener Saison, als die Begeisterung für den Fußball ihren Anfang nahm, Fotos und Beiträge aus Zeitschriften, ausgeblichene Trikots, selbstgezeichnete Porträts des Verehrten.

Florian Weber nimmt kein Blatt vor den Mund. Er erzählt – mit Punkt, Komma und Atempause – von seiner Begeisterung für das argentinische Stürmertalent, seine Gefühle bei den großen Ereignissen, als Maradona seine Mannschaft zum Weltmeister machte oder auch mal die „Hand Gottes“ mitspielen ließ.

Man verzeiht ihm alles

Und man spürt, wie er seinen Helden verteidigt. Denn wer sich für Fußball begeistert, für den geht es immer um Sieg oder Niederlage, den besseren Club und den allerbesten Mann in der Mannschaft. Und dann können sich die so Begeisterten streiten bis aufs Messer: Wer ist es wirklich? Wer wird wirklich zur Legende? Wer ist tatsächlich eine Legende?

Denn dass die Zeit vergeht, das hat auch Weber registriert. Wer sagen kann, dabei gewesen zu sein (wenn auch nur am Bildschirm), als Maradona seine berühmtesten Tore schoss, der gibt eben auch zu, dass er schon ganz schön lange auf der Welt ist. Für den ist seine Zeit des Jubels die immerwährende Gegenwart. Und die Jüngeren dürften durchaus staunen oder sich wundern, sind sie doch mit ganz anderen Stars aufgewachsen.

Aber gerade damit wir ja das Phänomen deutlicher, das Fußball in den vergangenen Jahrzehnten geworden ist. Es ist nicht nur ein gewaltiges Entertainment geworden, zu dem alle möglichen Kommentatoren permanent neue Sagas von Sieg und Niederlage, Triumph und Wundenlecken erzählen (und manchmal einfach nachplappern, weil sie schon mal im Modus sind). Sondern es ist auch eine Welt der Identifikation insbesondere für Jungen, die auch das Lebensgefühl einer vom Wettbewerb befeuerten Zeit bedient.

Und die WM 2006 zeigte ja, welche Gefühle so eine Weltmeisterschaft im eigenen Land auslösen kann, auch wenn danach doch wieder nur ein dummer, bräsiger Patriotismus draus geworden ist und eben kein Mannschaftsspiel.

Von dem aber die Sportfreunde Stiller immer wieder singen. Wissend – wie auch Weber mit seiner Erzählung deutlich macht – dass die Bewunderung für die ganz Großen auch damit zu tun hat, dass wir alle nur zu gern zu den Besten gehören wollen.

Immer nur die Besten!?

Nur können wir mit Niederlagen, Durststrecken und den Überraschungen des Lebens nur ganz schlecht umgehen, weil unsere Vorturner die ganze Zeit das Märchen erzählen, wir seien qua Natur die Besten. Im Export, bei der Vergangenheitsbewältigung, im Fußball sowieso. Und dann stehen wir da mit belämmerten Mienen, wenn uns mal wieder eine Mannschaft aus dem Turnier gekegelt hat, die wir für dritt- oder viertklassig gehalten haben.

Wettbewerb ist etwas anderes. Wettbewerb fängt damit an, dass man den Gegner niemals unterschätzen darf und auch respektiert. Es könnte nämlich immer ein wieselflinker Maradona dabei sein. Und dass man vor allem seinen Dünkel in der Kabine lässt, denn der sorgt spätestens beim ersten Konter dafür, dass man ausgespielt wird und ein kleiner dicker Stürmer seinen Ball in unserem Tor versenkt.

So gesehen kann diese kleine „Ikonen“-Reihe sogar etwas sehr Wertvolles werden, wenn es darin – wie in diesen scheinbar locker-flockigen Erinnerungen von Florian Weber – um den Kern einer Begeisterung geht, die einen im Leben motivieren kann. Oder auch in die Irre führen, wenn man vergisst, dass Genialität vielleicht ein Geschenk ist – dass man dafür aber auf dem grünen Rasen trotzdem ackern, schwitzen und dranbleiben muss bis zur letzten Minute der Nachspielzeit.

Oder eben als Band im Spiel bleibt, die es – wie Sportfreunde Stiller – seit 28 Jahren geschafft hat, von den Dingen zu singen, die den Leuten wirklich wichtig sind und nahe gehen.

Und wenn man dann den Menschen, die man bewundert, auch noch im Traum begegnet, warum nicht?

Florian Weber„Maradona mío“ Voland & Quist, Berlin und Dresden 2024, 12 Euro.

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