Da haben sich zwei gefunden: Kristina vom Dorf, die als Influencerin eine Lanze für ihr geliebtes Sachsen und die sächsische Sprache bricht, und der Leipziger Feuerwehrmann, Notfallsanitäter und Spitzenkoch Jörg Färber, der längst auch schon mit einem Buch eine Lanze für die sächsische und Leipziger Küche gebrochen hat. Aber was passiert, wenn die beiden sich zusammentun und die sächsische Küche erkunden? Allerlei.
Außer Leipziger Allerlei. Gerade das hat es nicht unter die 60 Rezepte geschafft, die in diesem Buch opulent und lecker dargeboten werden. Die Rezepte klingen oft nur klassisch und erinnern an echte sächsische Spezialitäten, welche die sächsische Küche weit über die Grenzen des Freistaats hinaus bekannt gemacht haben.
Jörg Färber (der 2024 schon sein Buch zur Vielfalt der Leipziger Küche vorgelegt hat) hat sie lustvoll abgewandelt, da und dort modernisiert oder einfach den Schalk in der Küche spielen lassen. Und damit eigentlich gezeigt, dass es keinen starren Rahmen gibt – auch nicht für die berühmtesten sächsischen Gerichte, vom heftigen Eifersuchtskampf der Dresdner und Freiberger Bäcker um die Eierschecke einmal abgesehen.
Köche und Bäcker waren in Sachsen schon immer kreativ. Und so vielfältig wie die sächsischen Landschaften, so vielfältig sind die Rezepte, die eben auch Landesgeschichte erzählen. Regionalgeschichte sowieso, denn die fünf großen Dialekträume, über die Kristina lustvoll erzählt, sind im Grunde auch jedes für sich eigene Landschafts- und Brauchtumsräume.
Ganz zu schweigen davon, dass es das eine, normgebende Sächsisch nicht gibt, auch wenn das Meißnische (das in Dresden gesprochen wird) dem Osterländischen (das in Leipzig gesprochen wird) sehr verwandt ist. Aber schon beim Ausflug ins Erzgebirge bekommen selbst sächsische Muttersprachler da und dort ihre Verständigungsprobleme. Und beim Vogtland wird es erst recht abenteuerlich.
Sachsen ist kein Eintopf
Was niemanden davon abhalten dürfte zu reisen. Und genau das tut Kristina von Dorf in diesem Buch, das – wie sie verspricht – „so viel mehr als ein Kochbuch“ sein soll. Und auch ist. Und damit man weiß, wie grundlegend ihre Erfahrung mit typisch sächsische Speisen ist, erklärt sie gleich zum Einstieg, wie sie zu Toter Oma, Krautwickel und Würzfleisch steht. Immerhin ist sie ja Gastwirtstochter, weiß also, was da in der Küche abgeht, wenn die Gäste anfangen, Hunger zu bekommen.
Und dann nimmt sie die Leserinnen und Leser mit, ihr Sachsen Stück für Stück in seine Vielfalt zu entdecken. Was auch mal passieren muss. Das vergessen selbst sächsische Politiker nur zu gern, die alles in einen Eintopf rühren und sich dann wundern, dass die Suppe keinem richtig munden will. Und bevor es dann in jeden einzelnen Rezeptteil geht, macht sich Kristina auf die Socken und besucht regionale Hersteller im ganzen Land.
Die es noch und wieder gibt. Und die sich in einer von Supermärkten geprägten Welt tapfer behaupten, gegenseitig unterstützen und echte Regionalprodukte auf den Markt bringen, die zeigen, dass Sachsen auch selbst alles herstellen kann, was Köchinnen und Köchen Freude macht. Vom echten sächsischen Schieböcker über eigene Trüffel und Bautz’ner Senf bis hin zur Schokolade aus der Manufaktur und edlen Tropfen, die es neben sächsischem Wein und sächsischem Bier ja ebenfalls gibt.
Und so nebenbei erzählt sie die großen und manchmal umkämpften Geschichten von Neunerlei, Stollen und Eierschecke, Meißner Fummel, Klitscher und Bäbe, von Stuppele und Schlesischem Himmelreich. Sodass die Leser gleich eingestimmt sind auf die Gerichte, etwas über ihre Herkunft und Geschiche erfahren. Und über ihren Variantenreichtum, den es auch in der realen Küchenwelt gibt.
Jede Familie hat nämlich ihre eigenen Traditionen und Vorlieben. Nichts ist in Stein gemeißelt. Und genau so behandelt Jörg Färber die Rezepte dann auch, wandelt sie immer wieder fantasievoll ab, modernisiert sie geradezu, sodass die kochbegeisterten Leser eine Ahnung davon bekommen, wie fröhlich man in sächsischen Küchen experimentieren kann und wie aus Traditionsgerichten auf einmal richtig moderne Kreationen werden.
Zeit für Überraschungen
Genau das ergibt nämlich am Ende die ganz und gar nicht festgezurrte sächsische Küche. Und die Vielfalt, die man im Land entdecken kann, wenn man sich auf die regionalen Verführungen einlässt. So, wie es Kristina vom Dorf auch tut, die sich immer wieder wundert, dass sie bei ihrer Reise doch in Gegenden landet, in denen sie nie zuvor gewesen war und wo sie auch nicht erwartet hätte, immer wieder kleine, tapfere Betriebe zu finden, die mit Eigenproduktion die regionalen Märkte beliefern.
Und so nebenbei erfährt man natürlich auch, woher die ganzen lustigen Namen kommen, die Sachsens Küche so lautmalerisch machen. Bis hin zu den Leipziger Piepen, die ein genauso heftiges Für und Wider hervorrufen wie die viel beschriebene Tote Oma. Aber selbst scheinbar simple Gerichte wie die Kartoffelsuppe erlebt man in einer völlig neuen, überraschenden Version, genauso wie den Kartoffelsalat, Omas besten Eiersalat oder die Eierschecke selbst. Wer mit Oberlausitzer Teichlmauke oder Krautrouladen mit Selleriepüree nicht satt geworden ist, kann es ja mit Bornaer Zwiebelsuppe oder Sauerkrautsüppchen probieren.
Es ist tatsächlich eine richtige Reise durch sächsische Küchenlandschaften, regionale Heldengedecke und lukullische Sachsengeschichte, die Kristina im heutigen Sachsen sucht und wiederentdeckt. Und dabei ihre Leser mitnimmt in eine durchaus genussreiche Landschaft, die einem deutlich freundlicher und gastlicher vorkommt als das, was die üblichen Medienberichte aus dem Freistaat so liefern.
Ein Land zum Genießen, könnte man sagen. Auf die Küche trifft das auf jeden Fall zu. Und da man ja bei Lesen in der Regel auch Appetit bekommt, laden die Rezepte mit großformatigen Fotos auch gleich ein, es mit dem Besuch sächsischer Küchenfreuden gleich mal selbst zu versuchen.
Bis man dann am Ende natürlich bei richtigen Quarkkäulchen und Leipziger Räbchen landet und begreift, dass die Sachsen eigentlich echte Leckermäuler sind. Vielleicht muss man sie einfach von dieser Seite nehmen und Koch und Köchin loben. Und zugestehen, dass es beim Heimatgefühl zum größten Teil eigentlich nur um ein lukullisches Mahl auf dem Küchentisch geht und um eine Hausfrau (oder einen Hausmann), die gelobt werden möchten dafür, dass sie eine ganze Tischrunde glücklich gemacht haben.
Kristina vom Dorf, Jörg Färber „Sächsisches Allerlei“ Christian Verlag, München 2025, 26,99 Euro.
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