Die Romantik war ein widersprüchliches Zeitalter. Einerseits Abwendung von den Idealen der Antike, die in der Klassik gefeiert wurden, Suche nach Innerlichkeit und der „Einheit von Vernunft und Gefühl“, wie Barbara Brüning in der Einleitung zu ihrer Auswahl schreibt. Das klingt so ein bisschen nach unserer zerrupften Gegenwart, in der immer mehr Menschen das Gefühl haben, dass ihr Seelenleben in einer überdrehten Welt zerrieben wird.

Aber was kommt tatsächlich heraus, wenn man die Zitate von Frauen der Romantik sammelt?

Genau das hat Barbara Brüning in diesem Bändchen getan. Und sie hat nicht nur die bekanntesten Autorinnen der deutschen Romantik zitiert, sondern auch ein paar Damen aus England, wo die Romantik ganz andere Ausdrucksformen fand, und eine berühmte Deutschland-Reisende aus Frankreich. Und schnell merkt man: Hier geht es nicht nur um Gefühl und Seelenfrieden. Oder ein Anhimmeln einer als heil gedachten Welt.

Denn alle zitierten Frauen eint nicht nur, dass sie mit der Feder umgehen konnten, sie waren auch noch auf eine neue Art selbstbewusst, führten berühmte Salons wie Rahel Varnhagen.

Gaben erste Frauenzeitschriften heraus wie Sophie LaRoche, schrieben Rezensionen wie Caroline Schlegel Schelling, machten mit Büchern Furore wie Sophie Mereau Brentano und Bettina von Arnim.

Und selbst bei Annette von Droste-Hülshoff und Karoline von Günderode merkt man, dass es in ihren schriftlichen Äußerungen nicht nur um tiefe Gefühle und Seelenleid ging, sondern um Selbstbehauptung, die Suche nach einer Rolle in einer Gesellschaft, die für Frauen eigentlich nur die Rolle am heimischen Herd vorgesehen hatte.

Wer die Romantik genauer unter die Lupe nimmt, merkt, dass sie – neben der inszenierten Sehnsucht nach einer heilen Vergangenheit – auch das Neue verkörperte, das man später einmal Emanzipation und Feminismus nennen würde. Und die Frauen wurden in ihren veröffentlichten Büchern und Briefen sehr deutlich.

„Die Unwissenheit ist der unerträglichste Mangel der Menschheit“

Da steigt Barbara Brüning zwar mit einem Kapitel „Sich selbst finden“ in ihre Auswahl ein, aber das sprengen die zitierten Frauen mit geradezu lakonischen Sprüchen, die eines ganz bestimmt nicht behaupten: Dass man seinen Platz findet, wen man sich ins Innere zurückzieht. Im Gegenteil.

„Mein Stolz ist mir lieber, als alle Güter dieser Erde“, sagt Susette Gontard, die Geliebte Hölderlins. Und Karoline von Günderode artikuliert ihre Ansprüche auch an ihre Mitmenschen, die auch damals wohl gern schon munter drauflos schwadronierten, ohne eine Ahnung vom Gesprächsthema zu haben: „Die Unwissenheit ist der unerträglichste Mangel der Menschheit.“

Das gilt auch heute noch. Zitat um Zitat entfaltet sich das Denken von Frauen, die ihre Rolle in der Gesellschaft selbstbewusst neu definieren – und damit ganz bestimmt auch so manchen Herren der dichtenden Zunft unbequem waren.

„Ich möchte niemals Purzelbäume wider willen machen“, schreibt die Günderode, die dann freilich sich selbst untreu wurde und wegen der Feigheit eines Mannes den Freitod wählte. Für jede Frau gibt es am Ende des Büchleins ein kleines Porträt, aus dem die Leser/-innen erfahren, welche Rolle die zitierte Frau damals in der Romantik spielte.

Und so dürften auch heutige Leser Aufmunterung erfahren. Etwa wenn Bettina von Arnim feststellt: „Selbstdenken ist der höchste Mut.“ Aber natürlich reflektieren sie auch ihren Alltag als Mutter und Frau, über Lust und Glück und was Liebe eigentlich ausmacht.

Das Wahrnehmen des eigenen Seins in der Welt steht direkt neben kritischen Reflexionen über den Zustand dieser Welt, in der Eigennutz und Einbildung den Ton angeben.

„Die Gleichgültigkeit gegen das Gute und Böse ist das Ergebnis einer gewissermaßen versteinerten Zivilisation“, schreibt Germaine de Staël, die seinerzeit Deutschland mit offenen Augen bereiste und ein vielgelesenes Buch über die Deutschen schrieb.

Und so formuliert sie auch einen Satz, der noch heute passt wie die Faust aufs Auge: „Die Deutschen sehen überall Hindernisse, wo es keine gibt.“

… durcharbeiten bis zur Freiheit

Manchmal klingt es geradezu rebellisch, etwa wenn Bettina von Arnim schreibt: „Ein Fürst ohne Volk ist undenkbar, aber ein Volk ohne Fürst ist wohl denkbar.“ Das kann auch auf der ganz persönlichen Ebene stattfinden, wie sie feststellt: „Wer sich in das Leben hineinwagt, der muss sich durcharbeiten, bis zur Freiheit.“

Es sind keine kontemplativen Damen, die man hier zum Kaffeekränzchen erlebt. Sondern herausfordernde kluge Frauen, die sich auch einmischten und durchaus das öffentliche Wort suchen. Und auch wussten, wie man die Dinge zuspitzen kann, damit die Botschaft ankommt.

Rahel Varnhagen: „Wir brauchen manchmal den Mut zum Mord an düsteren Gedanken.“

Denn natürlich bleiben die Enttäuschungen nicht aus. Wie kommt man da wieder raus? Mit Hoffnung, stellt Susette Gontard fest: „Es ist einzig die Hoffnung, die uns für die Zukunft am Leben hält.“

Und Zuversicht, Vertrauen darauf, dass die eigenen Gedanken ganz und gar nicht falsch sind, nur halt im biedermeierlichen Umfeld noch nicht akzeptiert. Dass es auch Widerstände gibt gegen zu mutige Worte, das wussten diese Frauen nur zu gut.

„Es kommt eine Zeit, wo meine Torheiten Kurs haben werden“, schreibt Rahel Varnhagen. „Man muss sie als Staatspapiere aufheben, und da wird man sehr gewinnen!“

Mach was aus deinem Leben

Dass Männer da gern an anderen Gebilden festhängen, war Rahel nur zu bewusst: „Vaterland, große Handlungen, große Ideen, das sind nur Schalen, ohne Leben.“

Hinter all diesen Äußerungen steckt etwas, was der Mensch nur zu gern vergisst. Und woran man ihn nur zu oft erinnern muss, so, wie es Bettina von Arnim tut: „Wenn der Mensch das Nichts beklagt, muss er den Raum ausfüllen, wenn er ein Dasein haben will.“

Pack dein Leben am Schlafittchen, könnte man es zusammenraffen. Mach was draus. Und damit hat man im Grunde schon umfasst, was gerade in der Zeit der Romantik kluge Frauen dazu brachte, sich zu Wort zu melden.

Und mit der biederen Welt der Männer auch schon mal herzhaft ins Gericht zu gehen. Die Auswahl von Barbara Brüning gibt einen kleinen Eindruck von dieser Anspruchshaltung. Und macht natürlich Lust darauf, die verfügbaren Bücher all dieser Frauen zu lesen.

Bis hin zu Mary Shelleys „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“. Auch sie ist im Band vertreten. Auch mit einem dieser aufrüttelnden Sätze: „Die unberechenbare Natur des Menschen rebelliert gegen geistige Trägheit. Wir müssen handeln, leiden und genießen.“

Mit Anspruch leben, kann man das nennen. Das gilt auch heute noch. Man sollte die weibliche Seite der Romantik auf keinen Fall unterschätzen.

Barbara Brüning (Hrsg.) „Zitate von Frauen der Romantik“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2025, 6 Euro.

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