Vorübergehendes Einfrieren ist für sie ebenso wenig ein Problem wie kurzzeitiges Kochen oder ein Aufenthalt im All - wohlgemerkt außerhalb des Raumschiffs: Die Tardigraden oder sgenannten Bärtierchen sind wahre Überlebenskünstler, über die in der Wissenschaft bisher nicht allzu viel bekannt ist. Der Biologe Dr. Georg Mayer hat in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen vom Institut für Biologie der Universität Leipzig ein weiteres Geheimnis um diese widerstandsfähigen Winzlinge gelüftet.

Sie wiesen bei den Tieren bisher unbekannte Elemente des Nervensystems nach. Diese tragen dazu bei, die Organisation des Gehirns sowie des Kopfes dieser Organismen besser zu verstehen. Ihre neuen Erkenntnisse haben sie in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift “PLOS ONE” veröffentlicht.

Ihre Bezeichnung im Deutschen verdanken die achtbeinigen Tiere ihrem Aussehen und ihrer unbeholfen wirkenden Fortbewegungsweise, die etwas an Bären erinnert. Allerdings sind die Tardigraden nur etwa einen halben Millimeter groß.

“Obwohl sie Winzlinge sind, gehören sie zu den Vielzellern und sind damit hochentwickelte Tiere”, berichtet Mayer. Der Biologe und seine Kollegen haben bei ihren jüngsten Forschungen an Tardigraden ein neues Element in deren Nervensystem entdeckt: das sogenannte stomatogastrische Ganglion. Aus der spezifischen Lage dieser Struktur zogen sie den Schluss, dass das Gehirn der Bärtierchen aus nur einem Segment besteht – dem Protocerebrum. Ein vergleichbar einfach aufgebautes Gehirn ist bei keinem rezenten Verwandten der Tardigraden zu finden. “Daher erlauben unsere Befunde Aussagen über die Evolution des Kopfes bei den Panarthropoden, zu denen die Stummelfüßer, Bärtierchen und Gliederfüßer gehören”, sagt der Experte.
Trotz ihres vielzelligen Aufbaus kann ein Bad in flüssigem Stickstoff den Bärtierchen ebenso wenig etwas anhaben wie ein kurzes Aufkochen.

“Das überleben viele, auch wenn sie nicht im schützenden Tönnchenstadium sind”, erklärt Mayer. Wie sie das schaffen, ist auch Fachleuten wie ihm und seinen Kollegen noch ein Rätsel. Die Tiere, die schon vor über 500 Millionen Jahren die Erde bevölkerten, sind meist im Moos, aber auch im Wasser zu finden. Sie leben von der Antarktis bis hin zur Tiefsee praktisch überall in der Welt, können monate- oder sogar jahrelang ohne Nahrung unter unwirtlichsten Bedingungen ausharren, wobei sie in das sogenannte Tönnchenstadium verfallen. Wenn es regnet oder die Sonne das Eis um sie herum tauen lässt, werden sie in Minutenschnelle mobil und nutzen die Chance zur Nahrungsaufnahme. Dann werden sie wieder mit ihrer Umgebung eingefroren oder vertrocknen.

“Ich vermute, dass sie im eingefrorenen Zustand Jahrzehnte überleben können”, erklärt Mayer. Ebenso hätten viele dieser Tierchen einen Ausflug ins All überlebt – trotz des Vakuums und der enormen Strahlenbelastung.

Die Forscher des Instituts für Biologie arbeiten weiter daran, die Geheimnisse der Tardigraden zu enthüllen. Dazu halten sie die Tiere auch selbst im Labor. Natürlich müssen sie dann auch für die richtige Ernährung der Winzlinge sorgen. Die ist trotz deren geringer Körpergröße gar nicht so einfach, denn einige der Bärtierchen sind Vegetarier, andere Räuber.

Quelle: Uni Leipzig

www.uni-leipzig.de/~instbio

Die Bärtierchen auf Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rtierchen

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