Es sind zwei Meldungen vom selben Tag, aber sie gehören zusammen. "Die Zeit" berichtete davon, dass der Hochschulrat der Universität Leipzig die amtierende Rektorin Dr. Beate Schücking nicht für eine zweite Amtsperiode nominieren will. Und die "Freie Presse" berichtete von der Bewerbung des Rektors der TU Chemnitz, Arnold von Zyl, an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Aus Chemnitz will er weg.

“In Sachsen, so sagt van Zyl, hätten sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen verändert, wodurch sein Gestaltungsspielraum als Rektor immer geringer werde”, schreibt die “Freie Presse”. Und Zyl verweist auf die Pläne der jetzt regierenden CDU/SPD-Koalition, die Studierendenzahlen in Sachsen kĂĽnftig auf 95.000 zu reduzieren. 2014 waren es 112.574. Da war auch die SPD geradezu ĂĽberschwänglich. Man habe den Abbau von Dozentenstellen gestoppt und damit die katastrophale Politik der Vorgängerregierung beendet, verkĂĽndete man euphorisch.

Doch ein dreiviertel Jahr nach der Bildung der neuen Koalition wird deutlich, dass der Sieg keiner war. Bestenfalls ein halber. Denn niemand hat die nun mitregierende SPD gezwungen, eine Zahl wie diese 95.000 zu akzeptieren. Bis mindestens 2020 geht auch die deutsche Kultusministerkonferenz davon aus, dass die Studierendenzahlen in der Bundesrepublik nicht sinken werden. Was danach kommt, weiĂź niemand. Das kann man nur mutmaĂźen. Und bislang war es immer so, dass die Kultusministerkonferenz die alten Zahlen nach oben korrigieren musste.

Mit der FDP als Partner hatte die sächsische CDU zwar von 2009 bis 2014 einen Partner an der Seite, der bereitwillig jede Volte mitging, an die man das Schild “Sparen” oder “KĂĽrzen” kleben konnte, meist verbrämt mit Marketing-Placebos wie “Effizienz” und “Modernisierung”. Dazu gehörte auch die 2012 beschlossene Hochschulgesetzgebung, ebenso werbewirksam in die Babydecke “Hochschulfreiheitsgesetz” gewickelt, die alles Mögliche beinhaltete, nur nicht mehr Freiheiten fĂĽr die Hochschulen.

Der KĂĽrzungsvorgaben-Irrsinn

Jede einzelne Hochschule musste sich schriftlich bereit erklären, die KĂĽrzungsvorgaben der damaligen Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer zu liefern – sonst wären die Gelder gekĂĽrzt worden. Auch die Rektorin der Uni Leipzig, Prof. Beate SchĂĽcking, musste den Knebelvertrag unterschreiben. Und sie nahm sich dennoch die Freiheit, als Vorsitzende der sächsischen Rektorenkonferenz die KĂĽrzungsvorgaben zu kritisieren.

Seit 2013 mussten die sächsischen Hochschulen 288 Stellen abbauen. Bis 2020 standen nach von Schorlemers Vorgaben insgesamt 1.042 Stellen an den Hochschulen zur Disposition. Die CDU/SPD-Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2014 auf einen Verzicht auf Stellenkürzungen ab 2017 geeinigt. Eine Einigung, die wie ein Sieg für die SPD klang.

Aber tatsächlich war es ein Kuhhandel: Eine magere Kuh wurde gegen die andere ausgetauscht. Die Hochschulen sollten im Gegenzug einem Hochschulentwicklungsplan zustimmen, der eine Studierendenzahl von 95.000 zur Grundlage hat.

Die Kritik hat Schücking nicht bekommen. Anders ist die Entscheidung des noch unter Schwarz/Gelb zusammengestellten Hochschulrates der Uni Leipzig nicht zu verstehen. In Chemnitz geht ein Rektor freiwillig, weil ihm in Sachsen alle Gestaltungsmöglichkeiten für eine zukunftsfähige TU genommen sind. Und in Leipzig soll eine Rektorin gehen, die zu beherzt gegen die Verunmöglichungspolitik der sächsischen Regierung gekämpft hat. Zwei Vorgänge, die für ein gewisses Erschrecken sorgen, weil sie sichtbar machen, wie verheerend sich die alte Kürzungspolitik, die schon 2012 nicht in die Zeit passte, auf die Hochschulfreiheit in Sachsen tatsächlich auswirkt.

Und die Frage steht durchaus: Hat die jetzige Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange die Kraft und die Macht, die Zerstörungen, die ihre Vorgängerin in der sächsischen Hochschullandschaft angerichtet hat, rückgängig zu machen? Oder steht sie am Ende da als verantwortliche Ministerin, die miterleben muss, wie Sachsens Hochschulen auch noch ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren? Von Exzellenz kann man ja nach all den Demolierungen nicht mehr sprechen.

Statements zum Fall van Zyl

Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen im Sächsischen Landtag: “Ich bedauere diese Entscheidung sehr. Professor van Zyl hat das Amt des Rektors der TU Chemnitz 2011 mit vielen frischen Ideen fĂĽr die Hochschule ĂĽbernommen. Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange und die gesamte CDU/SPD-Koalition sollten die Entscheidung von Prof. Dr. Arnold van Zyl als Alarmsignal verstehen. Sachsens Wissenschaftspolitik bekommt damit ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt.”

Sie fordert: “Die KĂĽrzungspolitik an Sachsens Hochschulen muss ein Ende haben. Seit Jahren haben die Hochschulen einen Stellenabbau nach dem nächsten verkraften mĂĽssen – trotz gleich bleibend hoher Studierendenzahlen. Die durch die Staatsregierung  geplante, staatlich verordnete Reduzierung der Studierendenzahlen um 11.000 ist ein Tropfen, der das Fass zum Ăśberlaufen bringt. Der Freistaat muss endlich die Verantwortung fĂĽr die Zukunft seiner Hochschulen ĂĽbernehmen. Der Stellenabbau gehört gestoppt, die Finanzierung der Hochschulen muss aufgestockt werden. Das haben wir GRĂśNE auch in den Haushaltsverhandlungen so gefordert. Der angedrohte Verlust von Prof. van Zyl als Rektor der TU Chemnitz zeigt, dass es höchste Zeit ist, das Ruder herumzureiĂźen.”

Die hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Annekatrin Klepsch: “Mitten in die Verhandlungen von SMWK und Hochschulen ĂĽber einen Hochschulentwicklungsplan und neue Zielvereinbarungen platzen zwei Nachrichten, die aufhorchen lassen. Gleich zwei Uni-Rektoren könnten ĂĽberraschend aus ihrem Amt ausscheiden – die eine unfreiwillig, der andre freiwillig. Beate SchĂĽcking von der Uni Leipzig will um ihr Amt kämpfen, Arnold van Zyl sieht in einem vorzeitigen Wechsel an die Duale Hochschule Baden-WĂĽrttemberg die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Beide Male handelt es sich offenbar nicht um bloße Personalien. In Sachsen, erklärt van Zyl, hätten sich die Rahmenbedingungen verändert, wodurch sein Gestaltungsspielraum als Rektor immer enger werde. Als Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz hatte Frau Schücking stets genau dagegen gekämpft. Ihre Aussagen lassen die Vermutung zu, dass das ihrer erneuten Kandidatur abträglich sein könnte. Beide Fälle zeigen, dass es mit der viel beschworenen Autonomie der Hochschulen offenbar nicht weit her ist: Erstens schwächt die straffe Hochschulsteuerung gemäß §12 des Hochschulfreiheitsgesetzes die Verhandlungsposition der Hochschulen im Zielvereinbarungsprozess. Zweitens besteht die Gefahr, dass vom Wissenschaftsministerium bestellte, universitätsfremde Vertreter im Hochschulrat einen zu starken Einfluss auf hochschulinterne Personalentscheidungen ausüben. Beide Probleme haben sich durch das schwarz-gelbe Hochschulfreiheitsgesetz verschärft.

Deutlich wird das erhebliche Machtungleichgewicht zwischen den Hochschulen und der Landespolitik in den Verhandlungen ĂĽber die Hochschulentwicklung und die Zielvereinbarungen. Wer jedoch den Wettbewerb um die besten Köpfe will, der muss ihnen auch beste Bedingungen bieten. Sparen allein hilft da nicht.”

Statements zum Fall SchĂĽcking

Dr. Ilse Lauter, Sprecherin fĂĽr Stadt und Wissenschaft der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat: “Durch nichts zu rechtfertigen ist die Entscheidung des Hochschulrates der Universität Leipzig, der amtierenden Rektorin Beate SchĂĽcking, eine Kandidatur fĂĽr eine weitere Amtszeit zu verbauen. – Frau SchĂĽcking hat in ihrer bisherigen Amtszeit besonnen, umsichtig und verantwortungsbewusst agiert. Ihr Amt ist es, die Interessen und die Unabhängigkeit der alma mater lipsiensis zu verteidigen. Dass sie dabei zunehmend in Konflikte mit der destruktiven und kurzsichtigen Hochschulsparpolitik der sächsischen Landesregierung geriet, liegt in der Natur der Sache. Offenbar bewies Frau SchĂĽcking dabei mehr Charakter, als es der Dresdner MinisterialbĂĽrokratie und anderen, angepassteren Kollegen lieb war.

Und offenbar wird ihr daraus ein Strick gedreht. Noch dazu von einem Gremium – dem Hochschulrat – , das mehrheitlich direkt vom (alten) Ministerium besetzt wurde und noch ist. Die demokratische Legitimation des Hochschulrates, solch schwerwiegende Entscheidungen fĂĽr die Leipziger Universität vorab zu treffen, ist fragwĂĽrdig. Freiheit der Wissenschaft und Autonomie der Hochschulen? Die sieht anders aus.

Der Senat hat nur noch die Wahl zwischen zwei externen Bewerbern. Falls er sich dieses Verfahren gefallen lässt. Es bleibt zu hoffen, dass der BĂĽrgersinn Leipzigs nicht an den Hochschultoren Halt macht. Hier ist Protest angesagt. Seitens der Wissenschaft und der Stadtgesellschaft.”

Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der GrĂĽnenfraktion im Sächsischen Landtag: “Diese Entscheidung ist alles andere als transparent und hinsichtlich des Umgangs mit der Rektorin der Universität Leipzig Prof. SchĂĽcking wenig ĂĽberzeugend. Es ist mir unverständlich, welche GrĂĽnde gegen eine erfolgreiche zweite Amtszeit sprechen. Was bewegt den Hochschulrat, in dem Vertreter der Hochschule in der Minderheit sind, zu dieser Entscheidung?

Frau Prof. SchĂĽcking hat als Leipziger Rektorin sowie als Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz ihre Stimme stets im Sinne des sächsischen Hochschulsystems gegen die zukunftsfeindlichen StellenkĂĽrzungen der Staatsregierung erhoben. – Es wird noch in dieser Wahlperiode darĂĽber zu sprechen sein, wie die demokratisch legitimierten Gremien der Hochschulen, auch in Fragen der Wahl der Hochschulleitungen, wieder gestärkt werden können. Der Hochschulrat sollte mit seinem externen Sachverstand eine strategische Beratungsfunktion erhalten, fĂĽr Vorauswahlen von Rektoratskandidaten fehlt ihm allerdings jede demokratische Grundlage.”

Katharina Schenk, Vorsitzende der Jusos Sachsen: „Einmal mehr zeigt sich die Machtfülle des Hochschulrates. Es ist schlicht undemokratisch, einer amtierenden Rektorin nicht einmal die Chance einzuräumen, erneut zu kandidieren. Dieses Gremium muss dringend reformiert, wenn nicht gar abgeschafft werden. Dass vorwiegend externe Leute über eine neue Hochschulleitung befinden, indem sie eine Vorauswahl treffen und Kandidatinnen nicht zulassen, widerspricht unserem Grundverständnis für demokratische Wahlen an Hochschulen.

Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene ausgewogene Kompetenzverteilung muss besser heute als morgen hergestellt werden. Nur so werden interne Diskussionen und Gremien gestärkt, die dann gruppenĂĽbergreifend zur Hochschulautonomie beitragen. Eine Novelle zur Demokratisierung des Hochschulgesetzes ist mehr als ĂĽberfällig.”

KSS kritisiert Hinterzimmerpolitik der Hochschulräte

Die bekannt gewordene Entscheidung des Hochschulrates der Universität Leipzig, Rektorin Beate Schücking nicht erneut zur anstehenden Rektoratswahl zu nominieren, sorgt auch für Unverständnis bei der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS). Dem Senat der Universität Leipzig werden nun durch ein externes Gremium zwei externe Kandidierende zur Wahl des Rektorats aufgezwungen.

“Dies zeigt nur erneut, dass Sachsen ein Demokratiedefizit aufweist. Solche einflussreichen Schattengremien gehören abgeschafft!”, fordert Paul Hösler, Sprecher der KSS. “Die durch die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung eingebrachten Änderungen im SächsHSFG zeigen erneut, dass Freiheit und Demokratie Fremdwörter für die damalige Regierung waren als sie das Hochschulgesetz novellierten”, so Hösler.

Der GroĂźteil der Mitglieder des Hochschulrats wird durch das SMWK bestimmt – somit sitzen zu einem groĂźen Teil Externe in diesem Gremium. An der Universität Leipzig ist dies noch unter der ehemaligen Regierung vonstatten gegangen. “Dass Rektorin SchĂĽcking durchaus eine streitbare Person ist, steht nicht zur Debatte. Jedoch ist dies eine Diskussion, welche in den universitätsinternen Gremien gefĂĽhrt werden muss. Wir als KSS schätzen ihre klaren Worte zu den KĂĽrzungen des Landes sehr!”, so Hösler weiter.

Nach §86 Abs.1 S.3 Nr.1 SächsHSFG ist es unter anderem Aufgabe der Hochschulräte, eine Liste von Vorschlägen für das Amt der Rektor/in im Benehmen mit dem Senat im Erweiterten Senat vorzulegen. “Sollte sich herausstellen, dass der Hochschulrat Rektorin Schücking hier abstraft, da sie sich aktiv in die Kürzungsdebatte einbrachte, wäre dies ein Skandal. Jetzt sind die Mitglieder des Hochschulrates gefordert, ihre Entscheidungen offen zu legen und zu begründen”, so Felix Ramberg, Koordinator der KSS.

“Die KSS hat ein generelles Problem mit Hochschulräten. Diese im Schatten agierenden Gremien gehören nicht zum Prinzip der gläsernen Hochschule wie ihn Staatsministerin Stange propagiert. Hochschulräte haben einen enormen Einfluss auf die Geschicke der Hochschulen. Umso unverständlicher ist es für uns, dass dieses Gremium hauptsächlich extern besetzt ist und im Geheimen tagt”, so Hösler und Ramberg abschließend.

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