So Mancher bescheinigt der Leipziger Stadtverwaltung eine deutlich größere Mühe beim Beantworten von Fragen aus dem Stadtrat, als sich etwa die Staatsregierung gibt, um Landtagsanfragen zu beantworten. Selbst der eine (Ex-NPD) Stadtrat bekommt ausführlich Antwort. Sogar dann, wenn die Daten eigentlich sogar online verfügbar sind. Aber das Problem, das abgefragt wurde, brennt auch dem Sozialbürgermeister auf den Nägeln.

Denn alles Schulenbauen nützt ja nichts, wenn dann doch nicht genügend Lehrer da sind und die Kinder mit lauter Ausfallstunden konfrontiert werden. Das war nicht ganz die Zielrichtung der Fragen, die Stadtrat Enrico Böhm (parteilos) gestellt hatte. Der tickt in der Frage eher wie die Konservativen aus AfD und CDU und lässt die Mutmaßung mitschwingen, dass vor allem Schüler und Eltern schuld sind an entschuldigten und unentschuldigten Fehltagen, dass etliche Schüler einfach schwänzen, was ja nun gar nicht geht in deutschen Landen. Ordnung muss sein.

Dazu gab es übrigens noch eine Extra-Anfrage. Zu der kommen wir noch.

Zu den meisten derart zugespitzten Fragen von Enrico Böhm gibt es auch keine Statistik, auch nicht bei der Bildungsagentur Leipzig. Sie können also von der Stadt Leipzig auch nicht beantwortet werden.

Anders ist es mit einer Frage wie „Wie viele Stunden fielen im Schuljahr 2014/2015 und 2015/2016 durch Lehrermangel aus?“

Dazu hat sich das Sozialdezernat im Nachgang noch einmal die Mühe gemacht, die entsprechenden Zahlen vom Datenserver der Bildungsagentur zu ziehen. Zumindest die fürs Schuljahr 2015/2016.

Auch wenn die Zahlen eine abschließende Frage nicht beantworten: „Wie viele Lehrkräfte unterrichteten im Schuljahr 2014/2015 und 2015/2016 und wie viele wären nötig gewesen, um Ausfälle zu kompensieren?“

Letzteres wird die Bildungsagentur nie verraten. Aber nach den verschiedenen Versuchen der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, kann man davon ausgehen, dass sachsenweit mittlerweile zwischen 1.600 und 2.000 Lehrer fehlen. Das entspricht 5,5 bis 7 Prozent – immer mitgedacht, dass einige hundert Lehrkräfte mittlerweile Seiteneinsteiger sind und einige tausend in Teilzeit arbeiten.

Aber wenn man den Wert von 6 Prozent fehlender Pädagogen auf Leipzig herunterbricht, wo über 3.600 Pädagogen in der Schulstatistik stehen, kommt man auf eine Zahl von über 200 fehlenden Lehrkräften in der Messestadt.

Was dann auch mit dem in Leipzigs Schulen nachweisbaren „außerordentlichen“ Stundenausfall korrespondiert. Das sind die Zahlen, die das Sozialdezernat extra aus der Datenbank der Bildungsagentur schulgenau herausgefiltert hat.

„Planmäßigen“ Stundenausfall gibt es natürlich an sächsischen Schulen nicht, obwohl der verfügbare Lehrerbestand die Bildungsagentur eigentlich zwingen würde, einen „planmäßigen“ Ausfall anzugeben, weil ganz einfach viele Stundeneinheiten nicht besetzt werden können. Man versucht sich dann immer irgendwie mit „Stillbeschäftigungen“ und ähnlichen Schein-Unterrichtseinheiten, wo dann kein Lehrer vor der Klasses steht, aus der Bredouille zu reden. Aber in den null „planmäßigen“ Ausfallstunden stecken auch schon erhebliche Zeitkontingente ohne Lehrer. Die auch durch nichts und niemanden ersetzt werden können, weil entsprechende Vertretungs- und Reservelehrer fehlen. Sie sind einfach wegrationalisiert worden.

Und wo keine Reserven mehr sind, wird Schulalltag zum Provisorium. Dann geraten beim kleinsten Vorfall die so mühsam zusammenkonstruierten Stundenpläne ins Rutschen. Ergebnis: Übers ganze Stadtgebiet und über alle Schularten gab es im Schuljahr 2015/2016 „außerplanmäßige“ Stundenausfälle in der Dimension von 5,8 Prozent. Dabei stachen einige Schulen heraus, in denen sich der Stundenausfall auf 10 Prozent hochschaukelte. So etwa an der Geschwister-Scholl-Grundschule (9,7 %), an der Petri-Schule (10,1 %), an der Schule Wiederitzsch (13 %), am Beruflichen Schulzentrum „Robert Blum“ (11,8 %), aber auch an den Lernförderschulen Grünau (9,4 %) und Rosenweg (9,7 %).

Für ganz Leipzig kommt die Statistik auf einen Gesamtstundenausfall im nicht geplanten Bereich von 5,8 Prozent, was leicht überm sächsischen Durchschnitt von 5,3 Prozent liegt. Und was dann wieder im Umkehrschluss bestätigt: Sachsen fehlen heute schon mindestens 1.600 Lehrkräfte. Und mit der Einstellungsmisere 2016 hat sich die Situation weiter verschärft.

Selbst das Ziel von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU), 1.200 neue Lehrer einzustellen, war viel zu niedrig gesetzt. Sie hätte mindestens 2.800 anpeilen müssen, wenn sie auch nur ansatzweise die Absicht gehabt hätte, die Stundenpläne in den sächsischen Schulen abzudecken.

Die vom Sozialdezernat bereitgestellten Zahlen zu Stundenausfällen in Leipzigs Schulen.

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